"Das hat mir einfach unheimlich viel gegeben. Aber natürlich auch Situation erschaffen, die mir viel genommen haben, viel Freiheit genommen haben, auch meinem Körper viel abverlangt haben. Auch teilweise Situationen, die ich einfach weggeschluckt habe und gedacht habe: Ok, das ist einfach so, das ist normal."
Die Erkenntnis, dass es vielleicht doch nicht so normal ist, vor jedem Spiel unter Durchfall und Brechreiz zu leiden, kommt Mertesacker erst im fortgeschrittenen Fussballeralter. Er traut sich über das Tabuthema "Versagensängste" zu sprechen. Diese Offenheit will er ab September beim FC Arsenal beibehalten, wenn er Leiter der Nachwuchsakademie wird.
Nachwuchstalente sollen Gefühle zeigen
"Ich möchte nicht eiskalte Jungs haben, die wirklich null Gefühle zeigen. Damit habe ich nichts zu tun. Das ist auch nicht die Realität. Ich möchte Jungs haben, die sich wirklich besser kennenlernen, die ihre Gefühle besser kennenlernen und auch wissen, dass ihnen einer gegenüber sitzt, der das auch mitgemacht hat."
Als er selbst Teenager war, konnte er ein Jahr lang keinen Fußball spielen. Auch das thematisiert er in seinem Buch. Mertesacker litt unter massiven Wachstumsschmerzen. Viele trauten ihm wegen seiner schlaksigen Statur keine Karriere als Profifußballer zu. Er belehrt seine Kritiker eines Besseren. Der Schlaks wird 2014 sogar Fußball-Weltmeister. Das höchste, was ein Fußballer erreichen kann.
"Ja, deswegen habe ich auch sofort aufgehört. Deswegen habe ich im Endeffekt in der Kabine schon gewusst: Das war’s mit der Nationalmannschaft."
Klartext beim Eistonnen-Interview
Nach 104 Länderspielen beendet Mertesacker seine Karriere im DFB-Team. Legendär bleibt sein Eistonnen-Interview als er nach dem holprigen Sieg im WM-Achtelfinale gegen Algerien Klartext spricht.
"Ich kann es gar nicht selber beschreiben, weil normalerweise habe ich mich bei solchen Dingen relativ unter Kontrolle. Bin da auch eher professionell, was das betrifft und beiße mir auch öfters auf die Zunge."
Künftig werden junge Nachwuchsprofis auf Mertesackers Worte hören. Empathie und Tiefgang: zwei von vielen Talenten des Weltmeisters ohne Talent.