Burkhard Müller-Ullrich: Auf meiner Hitliste der irren Museumsnamen in Deutschland steht ganz oben das Haus, das den Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum angegliedert ist und im Park von Haus Weitmar in Bochum-Weitmar steht. Dieses Museum heißt: "Situation Kunst (für Max Imdahl)". Das ist der Name des Museums. Christiane Vielhaber, Sie waren gerade im "Situation Kunst (für Max Imdahl)" – oder heißt es in der "Situation Kunst (für Max Imdahl)"? Ich weiß es gar nicht.
Christiane Vielhaber: Ich sage einfach nur, ich fahre nach Bochum, denn das ist etwas schwierig mit Max Imdahl, wenn man sich in der Kunstgeschichte nicht auskennt. Es ist der Kunsthistoriker, der nach 1945 im Ruhrgebiet Kunst für die Arbeiter machen wollte mit Vorträgen. Er hat Kunst gelehrt und hinter dieser "Situation Kunst" steckt auch ein ehemaliger Galerist und ein Sammler, der seine Sammlung da eingebracht hat. Und nun gibt es diese "Situation Kunst", dort ist ständig Kunst präsent aus dieser Sammlung, damit die Studenten damit arbeiten können. Sie können zum Beispiel auch da lernen, wie man kuratiert, wie man durch eine Ausstellung führt.
Müller-Ullrich: Vorzeigen, Erleben von Kunst, das war ja Imdahls Ding.
Vielhaber: Ja, und Imdahls Ding war natürlich die zeitgenössische Kunst, denn das andere muss man Arbeitern nicht unbedingt erklären. Da stehen die ja ergriffen davor und finden das so …
Und jetzt, als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas wurde, wurde neben diese "Situation Kunst" noch ein Kubus gebaut für Wechselausstellungen. Dann hat man sich daran erinnert, dass man in diese "Situation Kunst", wo es eben auch Kunstobjekte, Kultobjekte aus dem asiatischen Raum gibt, dass man da 2009 aus der Uni in Berlin Wissenschaftler eingeladen hatte, mit den Studenten sich mit diesen Objekten zu befassen, und siehe da: Man hat damals entdeckt, es gibt ein Thangka (ein Thangka ist ein Rollbild aus Tibet), und plötzlich hat man auf die Rückseite geguckt, und dann entdeckte man, dass es da einen Künstler gibt, dass es da einen Auftraggeber gibt, denn sonst sind diese Sachen ja völlig anonym. Bei unseren mittelalterlichen Sachen sind die Bilder ja auch anonym.
Müller-Ullrich: Jetzt sind wir schön rübergeglitten in die aktuelle Ausstellung, über die wir ja sprechen wollen. Ich muss mal den Titel sagen. Die heißt: "von Thangka bis Manga". Thangka haben Sie eben erklärt, danach hätte ich gefragt. Manga kennt man ja, die japanischen Figuren mit den großen Augen.
Vielhaber: Ja, und dann haben die das hier klug gemacht in Bochum. Die haben gedacht, wir können jetzt keine Sonderausstellung über Thangkas, über tibetische Rollbilder machen, das kann das ostasiatische Museum in Köln machen oder hat das auch schon gemacht, das können die Spezialmuseen machen. Aber wie können wir den Sprung schaffen zu dem, was wir eigentlich auch zeigen: zeitgenössische Kunst? Und dann war die Idee, es geht jeweils um Bildgeschichten, denn diese Thangkas sind Bildgeschichten, die vom Leben Buddhas handeln - ist der jetzt (das ist ja bei Christus dasselbe) eine historische Person, oder ist der eigentlich eine eingebildete Person, die wir nur einfach brauchen als Religionsstifter, bei Buddha ist das nicht viel anders.
Und dann hat man gesehen: Es gibt in dem asiatischen Kulturraum eben auch noch den Hinduismus, der ähnliche Bildgeschichten um Krishna aufgeschrieben hat. Und dann jetzt im 20. Jahrhundert Mangas, die auch Bildgeschichten sind, wo man nicht unbedingt historische Personen nimmt, deren Leben in Bildern und mit wenigen Worten, manchmal jetzt mit Sprechblasen erzählt wird, aber unter anderem eben auch das Leben Buddhas jetzt im 20. Jahrhundert zeigt, und so macht es richtig Spaß. In der unteren Etage haben Sie eine aufgeladene Aura, das ist auch etwas abgedunkelt, und da haben Sie diese Rollbilder hängen, …
Müller-Ullrich: Wie alt sind die denn?
Vielhaber: Die sind so 18., 19. Jahrhundert und teilweise sind die Bilder, die etwas erzählen, in der Mitte auf Goldgrund oder Schwarzgrund und darum herum wunderbare Brokatarbeiten, dann haben die oben so einen kleinen gerüschten Vorhang, den man runtergelassen hat letztlich auch wie bei unseren Klappaltären. Es gab Tage, da machte man die zu, dann durfte man das nicht sehen. Oben dann dieses Gerüschte und dann gibt es noch so Winddinger, die runterhängen, unten so ein bisschen Sand drin, weil die auch teilweise draußen hingen. Und wenn der Wind dann mit diesen Rollbildern spielt, dann kommen die ja irgendwie aus dem Takt. Also allein diese Kleinigkeiten, handwerklichen Kleinigkeiten sind ganz toll. Ich kenne mich in dem Buddhismus nicht aus, aber Sie haben in dieser Ausstellung die Möglichkeit, die unterschiedlichen Gesten dieser Buddhas zu sehen: Einer zeigt auf die Erde, einer hält sich an die Brust oder die halten die Finger so hoch, dieser auch ästhetische Reichtum, der da ist.
Und dann kommen Sie hoch und dann sind Sie beim Hinduismus, und das sind Miniaturen, teilweise auf Palmblättern, die so 60 Zentimeter lang sind und so schmale Streifen, sechs Zentimeter hoch, und diese Miniaturen sind offenbar mit einem Einhaarpinsel gemalt, und dann merken Sie, dass dieser Hinduismus, dass das zwar auch um Religion, um den Religionsstifter geht, aber der hat eine richtige Geschichte, der ist ein Hirte, der hat geliebt, da geht es auch richtig zur Sache, die Geliebte ist auch eifersüchtig, und das können Sie alles verstehen, ohne diese kleinen Schriftteile eigentlich zu lesen.
Müller-Ullrich: Noch ganz kurz: Wo kommt denn das alles her? Ist das die eigene Sammlung?
Vielhaber: Nein gar nicht. Das einzige Bild in der eigenen Sammlung hängt jetzt auch drüben in dem Lehrteil. Es ist das Museum der Kulturen in Basel und das Museum Rietberg in Zürich und da hat man sehr großzügige Leihgaben bekommen, und so macht das Ganze jetzt Sinn. Und die Mangas, ganz erschreckend eigentlich, so ein Manga, barfuß durch Hiroshima, wo wirklich einer diese Comics – Comics mag man gar nicht sagen – gezeichnet hat, wo wirklich ganz realistisch dieses Hiroshima, dieses Unglück, was er selbst erlebt hat und überlebt hat, was er zeichnet, das können Sie als Buch kaufen.
Müller-Ullrich: Asiatische Kunst ist zu sehen in Bochum, und zwar in der oder in "Situation Kunst (für Max Imdahl)", und Christiane Vielhaber hat uns über Rüschchen und Winddinger belehrt. Vielen Dank.
Christiane Vielhaber: Ich sage einfach nur, ich fahre nach Bochum, denn das ist etwas schwierig mit Max Imdahl, wenn man sich in der Kunstgeschichte nicht auskennt. Es ist der Kunsthistoriker, der nach 1945 im Ruhrgebiet Kunst für die Arbeiter machen wollte mit Vorträgen. Er hat Kunst gelehrt und hinter dieser "Situation Kunst" steckt auch ein ehemaliger Galerist und ein Sammler, der seine Sammlung da eingebracht hat. Und nun gibt es diese "Situation Kunst", dort ist ständig Kunst präsent aus dieser Sammlung, damit die Studenten damit arbeiten können. Sie können zum Beispiel auch da lernen, wie man kuratiert, wie man durch eine Ausstellung führt.
Müller-Ullrich: Vorzeigen, Erleben von Kunst, das war ja Imdahls Ding.
Vielhaber: Ja, und Imdahls Ding war natürlich die zeitgenössische Kunst, denn das andere muss man Arbeitern nicht unbedingt erklären. Da stehen die ja ergriffen davor und finden das so …
Und jetzt, als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas wurde, wurde neben diese "Situation Kunst" noch ein Kubus gebaut für Wechselausstellungen. Dann hat man sich daran erinnert, dass man in diese "Situation Kunst", wo es eben auch Kunstobjekte, Kultobjekte aus dem asiatischen Raum gibt, dass man da 2009 aus der Uni in Berlin Wissenschaftler eingeladen hatte, mit den Studenten sich mit diesen Objekten zu befassen, und siehe da: Man hat damals entdeckt, es gibt ein Thangka (ein Thangka ist ein Rollbild aus Tibet), und plötzlich hat man auf die Rückseite geguckt, und dann entdeckte man, dass es da einen Künstler gibt, dass es da einen Auftraggeber gibt, denn sonst sind diese Sachen ja völlig anonym. Bei unseren mittelalterlichen Sachen sind die Bilder ja auch anonym.
Müller-Ullrich: Jetzt sind wir schön rübergeglitten in die aktuelle Ausstellung, über die wir ja sprechen wollen. Ich muss mal den Titel sagen. Die heißt: "von Thangka bis Manga". Thangka haben Sie eben erklärt, danach hätte ich gefragt. Manga kennt man ja, die japanischen Figuren mit den großen Augen.
Vielhaber: Ja, und dann haben die das hier klug gemacht in Bochum. Die haben gedacht, wir können jetzt keine Sonderausstellung über Thangkas, über tibetische Rollbilder machen, das kann das ostasiatische Museum in Köln machen oder hat das auch schon gemacht, das können die Spezialmuseen machen. Aber wie können wir den Sprung schaffen zu dem, was wir eigentlich auch zeigen: zeitgenössische Kunst? Und dann war die Idee, es geht jeweils um Bildgeschichten, denn diese Thangkas sind Bildgeschichten, die vom Leben Buddhas handeln - ist der jetzt (das ist ja bei Christus dasselbe) eine historische Person, oder ist der eigentlich eine eingebildete Person, die wir nur einfach brauchen als Religionsstifter, bei Buddha ist das nicht viel anders.
Und dann hat man gesehen: Es gibt in dem asiatischen Kulturraum eben auch noch den Hinduismus, der ähnliche Bildgeschichten um Krishna aufgeschrieben hat. Und dann jetzt im 20. Jahrhundert Mangas, die auch Bildgeschichten sind, wo man nicht unbedingt historische Personen nimmt, deren Leben in Bildern und mit wenigen Worten, manchmal jetzt mit Sprechblasen erzählt wird, aber unter anderem eben auch das Leben Buddhas jetzt im 20. Jahrhundert zeigt, und so macht es richtig Spaß. In der unteren Etage haben Sie eine aufgeladene Aura, das ist auch etwas abgedunkelt, und da haben Sie diese Rollbilder hängen, …
Müller-Ullrich: Wie alt sind die denn?
Vielhaber: Die sind so 18., 19. Jahrhundert und teilweise sind die Bilder, die etwas erzählen, in der Mitte auf Goldgrund oder Schwarzgrund und darum herum wunderbare Brokatarbeiten, dann haben die oben so einen kleinen gerüschten Vorhang, den man runtergelassen hat letztlich auch wie bei unseren Klappaltären. Es gab Tage, da machte man die zu, dann durfte man das nicht sehen. Oben dann dieses Gerüschte und dann gibt es noch so Winddinger, die runterhängen, unten so ein bisschen Sand drin, weil die auch teilweise draußen hingen. Und wenn der Wind dann mit diesen Rollbildern spielt, dann kommen die ja irgendwie aus dem Takt. Also allein diese Kleinigkeiten, handwerklichen Kleinigkeiten sind ganz toll. Ich kenne mich in dem Buddhismus nicht aus, aber Sie haben in dieser Ausstellung die Möglichkeit, die unterschiedlichen Gesten dieser Buddhas zu sehen: Einer zeigt auf die Erde, einer hält sich an die Brust oder die halten die Finger so hoch, dieser auch ästhetische Reichtum, der da ist.
Und dann kommen Sie hoch und dann sind Sie beim Hinduismus, und das sind Miniaturen, teilweise auf Palmblättern, die so 60 Zentimeter lang sind und so schmale Streifen, sechs Zentimeter hoch, und diese Miniaturen sind offenbar mit einem Einhaarpinsel gemalt, und dann merken Sie, dass dieser Hinduismus, dass das zwar auch um Religion, um den Religionsstifter geht, aber der hat eine richtige Geschichte, der ist ein Hirte, der hat geliebt, da geht es auch richtig zur Sache, die Geliebte ist auch eifersüchtig, und das können Sie alles verstehen, ohne diese kleinen Schriftteile eigentlich zu lesen.
Müller-Ullrich: Noch ganz kurz: Wo kommt denn das alles her? Ist das die eigene Sammlung?
Vielhaber: Nein gar nicht. Das einzige Bild in der eigenen Sammlung hängt jetzt auch drüben in dem Lehrteil. Es ist das Museum der Kulturen in Basel und das Museum Rietberg in Zürich und da hat man sehr großzügige Leihgaben bekommen, und so macht das Ganze jetzt Sinn. Und die Mangas, ganz erschreckend eigentlich, so ein Manga, barfuß durch Hiroshima, wo wirklich einer diese Comics – Comics mag man gar nicht sagen – gezeichnet hat, wo wirklich ganz realistisch dieses Hiroshima, dieses Unglück, was er selbst erlebt hat und überlebt hat, was er zeichnet, das können Sie als Buch kaufen.
Müller-Ullrich: Asiatische Kunst ist zu sehen in Bochum, und zwar in der oder in "Situation Kunst (für Max Imdahl)", und Christiane Vielhaber hat uns über Rüschchen und Winddinger belehrt. Vielen Dank.