Ein Gebet eröffnet das Ritual für das Streuen des Sandmandalas im Hamburger Völkerkunde-Museum. Vier tibetische Mönche der indischen Kloster-Universität Sera Je haben schon am Morgen auf einer 1,5 Meter großen Holzplatte mit Bleistift den Grundriss für das Mandala gezeichnet. Nun legen drei Mönche in ihren dunkelroten Kutten den Mundschutz an, beugen über die Mitte des kreisförmigen Gebildes und beginnen den gefärbten Sand zu streuen.
Sie benutzen dafür ein sandgefüllte Metallröhrchen. Mit einem zweiten Stab streichen sie über das Metallröhrchen, das eine geriffelte Oberfläche hat. Durch die leichte Erschütterung fällt aus der Tülle des Metallröhrchens ganz kontrolliert der puderfeine Sand. So können die Mönche feinste Striche in das Mandala zeichnen. Dieses hier ist dem Medizinbuddha gewidmet. Das Betrachten seines Mandalas soll nicht nur heilsam für die Gesundheit sein, es soll nach der buddhistischen Mahayana-Lehre auch gegen die drei Geistesgifte Gier, Hass und Verblendung wirken.
Vor allem aber dienen Mandalas der Meditation. Von der Mitte aus arbeiten sich die buddhistischen Mönche nach außen, bis schließlich der Grundriss eines Tempels farbig erstrahlt. Die Mönche brauchen für die Fertigung mehrere Tage – bis Sonntag kann man ihnen dabei im Völkerkundemuseum in Hamburg über die Schulter gucken.
Jedes Tor ist in einer anderen Farbe gestaltet
"Es heißt in manchen Schriften, dass schon das bloße Sehen eines Mandalas schon sehr starke karmische Eindrücke im Geist ja hinterlässt. Und dann denkt man, das ist eine heilsame Angelegenheit", sagt Frank Dick, tibetisch-Übersetzer und Meditationslehrer am tibetischen Zentrum in Hamburg. - Im tibetischen Buddhismus sind Mandalas als Meditationsstütze gedacht. Nur fortgeschrittene Schüler meditieren über diesen Mandalas. Erst in der Initiation erfährt der Schüler, über was er da zu meditieren hat. Sandmandalas haben eine spezielle Form – in konzentrischen Kreisen eingebettet wird langsam der Grundriss des Tempels sichtbar.
Frank Dick: "Genau der Palast, den nennt man Palast, in dem die Gottheit, damit ist jetzt ein Buddha gemeint, sich dann aufhält. Das ist dann entsprechend wie einen Palast so aufgebaut, das ist meist viereckig der Palast. Er hat dann vier Eingangstore."
Jedes Tor ist in einer anderen Farbe gestaltet und mit verschiedenen glücksbringenden Symbolen geschmückt.
"Wobei der Meditierende das natürlich drei dimensional meditieren sollte. Was ja bei den meisten Mandalas – zumindest bei denen aus Sand nicht der Fall ist. Sondern es ist ja immer wie so eine Vogelperspektive auf das Mandala von oben drauf", sagt Frank Dick. "Im Zentrum selber ist meistens ein Symbol – die Gottheit des Mandala selber dargestellt. Oder es ist eine Keimsilbe dargestellt dieser Gottheit. Oder es ist ein sogenanntes Handattribut dargestellt dieser Gottheit."
In Hamburg wird das Mandala für den Medizinbuddha gestreut - im Hintergrund hängt ein riesiges Rollbild, ein sogenanntes Thangka zeigt den Buddha im Meditationssitz- er hat eine blaue Körperfarbe und hält bestimmte Attribute. "Beim Medizinbuddha dürfte das so eine Bettelschale sein mit Medizinfrüchten. Man findet aber auch einen Palast im Zentrum und der ist meist in der Mitte auf einem Doppelvajra aufgebaut", so Frank Dick.
Der Vajra stammt aus dem Hinduismus und war ursprünglich eine Art Donnerkeil oder auch Diamantzepter, der im tibetischen Buddhismus zu einem Ritualgegenstand wurde. Der tibetische Buddhismus kennt Tausende von Buddhas und Gottheiten – sie können verschiedene Funktionen erhalten. So kann sich auch ihr Symbolgehalt in einem anderen Ritual wandeln.
Das Sandmandala wird in einem öffentlichen Ritual zusammengefegt
"Das ist wirklich so, dass je nach Kontext die Symbolik manchmal anders interpretiert wird. Der einfache Vajra, der steht allgemein für Methode – bedeutet eigentlich ne starke Form von Mitgefühl. Oder steht für den glückseligen Geist – ist unterschiedlich. Der Doppelvajra steht dann sehr oft für Unerschütterlichkeit – (ich: des Geistes) – Ja, manchmal hat man die Vorstellung, dass die letztliche Natur des Geistes eine Art von Unerschütterlichkeit aufweist. Das bezieht sich dann mehr auf die Leerheit des Geistes selber."
Klingt kompliziert. Noch komplizierter erscheint aber die Meditation über über das Mandala mit den Meditationsgottheiten, deren Palast sich der Schüler dreidimensional vorstellen soll. Mit dem Buddha soll er sich am Ende sogar identifizieren. Im Buddhismus geht man davon aus, dass alle Erfahrungen Eindrücke im Geist hinterlassen. Tantriker glauben, ihre Methode der Geistesschulung könnte ein Schnellweg zur Erleuchtung sein, um allen Lebewesen möglichst schnell Mitgefühl und Liebe entgegen zu bringen, um auch sie auf den Weg zur Erleuchtung zu führen.
"Die Methodik besteht vor allem darin, dass man das Ergebnis schon vorweg nimmt. Das heißt, man würde in der Meditation schon die Vollendung – wie der Buddha sie besitzt – meditieren", sagt Frank Dick.
Mit anderen Worten, der Meditierende stellt sich vor, dass er selbst schon die Qualitäten eines Buddhas entwickelt hat, sieht mit den Augen eines Buddhas in die Welt. Er lebt im transzendenten Palast eines Buddhas. Dazu muss er zuvor jedoch schon viel Mitgefühl entwickelt haben.
Man glaubt im tibetischen-Buddhismus, wenn man die Erleuchtung und Vervollkommnung in Weisheit und Liebe vorwegnimmt ..., dass das auf den Geist so wirkt, dass er aus seiner Begrenztheit, die ja nicht in ihm selber innewohnt, aber dass er über diese Begrenztheit leichter hinaus kommen kann. Aber es bedarf vorbereitender Übungen. Man könnte jetzt auch einen großen Ego-Tripp machen oder so. Deshalb muss man sich … entsprechend vorher geschult haben in den allgemeinen Übungen, die der Buddhismus zu bieten hat.
Das Sandmandala wird am Sonntag nachmittag in einem öffentlichen Ritual zusammengefegt. Den bunten Sand schütten die Mönche dann in ein fließendes Gewässer. In Hamburg soll es die Alster sein und die Museumsbesucher können die Mönche dabei begleiten. Frank Dick sagt: "Dann hat man die Vorstellung, dass der Segen dieser Buddhas dann durch das fließende Gewässer sich in der Welt ausbreiten kann zum Wohle der anderen Lebewesen. Das ist eine (gängige) Vorstellung auch, dass es auch die Vergänglichkeit symbolisiert. Also auch so ein Mandala hat ja eine gewisse Schönheit, ist aber nichts, woran man haftet."