Kohlrabi, Rote Beete und noch so manche andere Gemüsesorte stehen heute auf der Speisekarte des "Vegan Village". Dieses "vegane Dorf" in Hannover – das merkt man gleich: Es ist kein ganz alltägliches Restaurant. Wie heißt denn zum Beispiel der heutige Mittagstisch?
"Monks lunch. Mittagessen für Mönche."
Mittagessen für Mönche hat der Chefkoch heute kreiert. Eine Kochmütze hat er dabei nicht tragen müssen, denn er ist selbst buddhistischer Mönch mit dem typischen glattrasierten Kopf:
"Mein Name ist Bruder Phap Do. Ich bin Mönch in dem Zen-Center Plum Village in Frankreich, Süd-Frankreich. Student von dem Zen-Meister Thich Nhat Hanh."
"Das Tor des Tempels öffnen"
Der Zen-Mönch Phap Do heißt bürgerlich Nguyen Thanh Hieu. Er wurde 1962 in Vietnam geboren – wirkt jünger, vielleicht weil er so viel lacht. Sein Mönchsname Phap Do bedeutet auf Deutsch: "der die Lehre des Buddha weitergibt" - in diesem Fall teilt er die Lehre mit großen Löffeln aus – in seinem Restaurant:
"Buddhisten sollten sich in die Gesellschaft einbringen. Wir müssen das Tor des Tempels öffnen, damit wir die Menschen erreichen. Deshalb sind wir sehr glücklich über unser Mönchsküchenteam hier in Hannover."
Ein weiterer Zen-Meister unterstützt Nguyen Thanh Hieu in der Mönchsküche. Hier wird vegan gekocht, also ohne Fleisch oder andere tierische Produkte. Denn eine der ethischen Regeln des Buddhismus besagt, dass man kein Lebewesen töten soll oder verletzen.
Keine Speisekarte, keine festen Preise
Und noch eine andere buddhistische Überzeugung setzen die Mönche kulinarisch um:
"Unsere Gäste fragen uns, warum wir keine Speisekarte haben. Aber das geht nicht, denn wir kochen jeden Tag etwas Neues. Was wir beim Einkaufen so finden. Deswegen gibt es immer eine Überraschung, wenn man zu uns kommt. Wir Menschen verändern uns ja auch jeden Tag: Wir wachsen, wir denken anders. Und beim Essen ist das genauso. Wir Buddhisten nennen das die Unbeständigkeit alles Seienden."
Neben der Unbeständigkeit der Speisekarte ist noch etwas anderes ungewöhnlich in dem kleinen Restaurant: Es gibt keine festen Preise, sondern Speise gegen Spende.
"Wir sind ja keine Geschäftsleute, wir sind Mönche. Und für buddhistische Mönche ist es nicht richtig, Preise festzulegen. Wir arbeiten nicht für Geld, sondern wir geben etwas und wir bekommen etwas zurück. Als Spende. Wir geben Glück und bekommen Glück zurück. Obdachlosen geben wir das Essen auch kostenlos. Und auch wenn du nur ein, zwei oder fünf Euro übrig hast, kannst du zu uns kommen, und du bekommst ein gutes Essen."
Erst Koch, dann Mönch
Die Spenden verwenden die beiden Mönche zunächst einmal, um ihr Restaurant am Laufen zu halten, erklärt Nguyen Thanh Hieu. Wenn dann noch Geld übrig sei, unterstützten sie damit junge Menschen aus Vietnam, damit sie in Europa studieren können, oder hier als Nonnen und Mönche leben können.
Ähnlich wie Nguyen selbst: Er war zuerst viele Jahre Koch in Vietnam, und wurde dann in Europa Mönch. In Vietnam hat er als junger Mann in einem Hotel gekocht, bis er zum Militär musste. Ende der 80er-Jahre kämpfte er im Krieg zwischen Vietnam und Kambodscha, drei Jahre lang, erzählt Nguyen:
"Nach dem Krieg war ich sehr reizbar und wurde schnell wütend. Ich habe viele Beziehungen zerstört zu Freunden und meiner Freundin. Und mich in unserer Familie schlecht verhalten."
Begegnung auf dem Kirchentag
Also geht Nguyen Thanh Hieu als Koch nach Deutschland. Hier ändert sich sein Leben grundlegend – ausgerechnet durch eine Begegnung auf einem evangelischen Kirchentag.
"Zum Glück habe ich meinen Meister Thich Nhat Hanh getroffen, bei einem Seminar auf dem Kirchentag in Berlin 1989. Und 1995 bin ich dann seiner Zen-Gemeinschaft ‚Plum Village‘ beigetreten. Das ist in Südfrankreich, bei Bordeaux."
Nguyen lebt fast 25 Jahre im Zen-Zentrum in Frankreich, bis er erneut als Koch nach Deutschland geht, um sein veganes Restaurant in Hannover zu eröffnen. Das hat sechs Tage die Woche geöffnet, mittags und abends. Und an seinem freien Tag unternimmt der Mönch und Koch gerne Fahrradtouren, erzählt er.
"Wir meditieren in der Küche"
Bleibt da noch Zeit zum Meditieren – also für Zazen, das oft stundenlange Sitzen des Zen-Buddhismus?
"Das ist eine sehr wichtige Frage. Unsere Zen-Praxis ist das, was wir jeden Tag machen. Wir meditieren immer, überall. Zen-Buddhismus bedeutet leben. Wir sind nicht gefangen im Zazen, im Sitzen. Sondern wir wollen unsere Praxis in die Gesellschaft bringen, wie hier in unserem Restaurant. Wir meditieren in der Küche. Wir teilen unser Glück im Alltag mit den Menschen, die zu uns kommen."
Während Nguyen Thanh Hieu das erzählt, verlassen die letzten Mittagsgäste das Restaurant, stecken seinem Mönchskollegen am Ausgang ein paar Münzen zu oder Scheine und gehen vermutlich zurück in die umliegenden Büros. Auch für die Mönche heißt es jetzt: Mittagspause – und sich dann das Abendessen ausdenken. Auf jeden Fall gibt es Tofu – wie fast immer, meint der vegane Koch.