Tagsüber hat die Sonne das goldene Dach des "Dhammakaya-Tempels" im Norden Bangkoks zum Funkeln gebracht. Am Abend und in der Nacht wird die riesige Kuppel von Strahlern erhellt. 24 Stunden doppelte Erleuchtung also für die über 300.000 Buddhastatuen auf dem Dach des Haupttempels. Hier ist wirklich alles Gold, was glänzt. Kein Wunder - die Spendensumme, die der buddhistische Orden jedes Jahr einnimmt, beläuft sich auf mehrere Millionen Euro.
"Sie sehen die goldene Kuppel des Tempels schon beim Landeanflug auf Bangkok. Die Ausmaße des Tempelareals sind gewaltig. Wat Phra Dhammakaya ist die zweitgrößte buddhistische Tempelanlage der Welt. Ich will nicht übertreiben, aber zehnmal so groß wie ein Fußballstadion wird das Ganze schon sein."
Marja-Leena Heikkila-Horn ist Südostasienwissenschaftlerin und Professorin an der Mahidol-Universität in Bangkok. Sie beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Dhammakaya-Bewegung, die vor knapp 100 Jahren von einem thailändischen Mönch ins Leben gerufen wurde und seit den 1970er-Jahren in Thailand immer größeren Zulauf findet.
"Die Dhammakaya hassen Wissenschaftler, die ergründen wollen, was hinter ihrer Lehre steht. Die Mönche klagen immer wieder darüber, dass die Akademiker voreingenommen sind und dass sie deshalb bei solchen Untersuchungen nicht gut wegkommen."
"Wie viel hast Du gespendet?"
Der buddistische Orden hat weltweit mehrere Millionen Anhänger. In Amerika etwa und auch in Deutschland gibt es mehrere Dhammakaya-Zentren. Die meisten Dhammakaya-Anhänger leben aber in Thailand, wo die buddhistische Gemeinschaft ebenso populär wie umstritten ist.
"Im Inneren der Tempelanlage gibt es Tische, an denen man Spenden einzahlen kann. Und es hängen Listen aus, mit den Namen derer, die ihren Obolus entrichtet haben. Auch die jeweilige Summe ist verzeichnet. Das hat etwas von einem Wettbewerb. 'Wie viel hast Du denn gespendet?' hört man in einem fort. Oder auch: 'So, wenn ich übermorgen an der Börse absahne, dann schenke ich Dhammakaya am Sonntag eine Million Baht.' Mehr als 25.000 Euro also. Das geschieht, weil die Leute glauben: Wenn ich Dhammakaya eine Million Baht spende, bekomme ich am Ende wahrscheinlich zehnmal so viel zurück!"
Dass der Orden bis heute immer wieder in Skandale verwickelt ist, hat die Treue der Anhänger nicht geschmälert. Als der langjährige leitende Abt wegen des Verdachts auf Hehlerei und Geldwäsche verhaftet werden sollte, bildeten die Anhänger eine Menschenkette und stellten sich den Polizisten in den Weg.
Selbst Mano Laohavanich vom Religiösen Reformrat, der vom Gründungsmitglied zu einem der schärfsten Dhammakaya-Kritiker mutiert ist, äußert sich zu solchen Fehltritten fast schon beschwichtigend:
"In der gesamten buddhistischen Ordensgemeinschaft ist doch etwas faul. Die Korruption ist seit Langem fest verwurzelt. Dhammakaya ist nicht korrupter als jeder andere Tempel. Er ist nur größer."
"Das steht völlig im Gegensatz zur buddhistischen Lehre"
Die meisten Kritiker werfen der Bewegung ohnehin etwas anderes vor: Die Dhammakaya-Mönche seien keine "guten Buddhisten". Sie stellten sich als Instant-Karma-Wohltäter dar, mit der Verheißung: Je mehr die Gläubigen spendeten, desto rascher kämen sie zu finanziellem und spirituellem Wohlstand - im Hier und Jetzt und in den nachfolgenden Existenzen.
Der Soziologieprofessor Sulak Sivaraksa hält solche Versprechen für unethisch. Jeder Buddhist müsse doch eigentlich wissen, sagt er, dass dies der falsche Weg sei:
"Ein Grundsatz für das Spenden im Buddhismus lautet: Gib, ohne etwas dafür zu erwarten. Diese Bewegung aber fordert ihre Anhänger dazu auf, besonders oft besonders viel zu spenden. Und am Ende sollen die Gläubigen dafür dann in eine Art Himmel kommen, wo sie Buddha treffen. All das steht völlig im Gegensatz zur buddhistischen Lehre."
Das Phänomen, dass viele Mönche und Laien der Dhammakaya ein entspanntes Verhältnis zum Wohlstand haben und auf eine rasche Gegenleistung setzen, hat eine Parallele im Christentum: Weltweit sind die Prediger des sogenannten "Wohlstandsevangeliums" erfolgreich. Diese Theologie wird unter anderem von vielen Pfingstkirchen vertreten. Sie besagt, Erfolg und Vermögen seien der Beweis dafür, dass Gott sich für die Bemühungen der Gläubigen erkenntlich zeigt. Und so singen und beten die Anhänger der auch als 'Prosperity-Gospel' bekannten Strömung oft besonders ausdauernd und ekstatisch - und spenden am Ende des Gottesdienstes ähnlich viel Geld wie in den buddhistischen Dhammakaya-Klöstern.
Die Gläubigen werden zu Buddha
Die Dhammakaya singen und beten auch. Aber viel häufiger meditieren sie. Am buddhistischen Feiertag Magha Puja etwa haben sich über 100.000 Menschen in konzentrischen Kreisen um den Haupttempel der Gemeinschaft herum gruppiert. Bis auf die Mönche, die in ihren orange-braunen Wickelkutten in der Mitte sitzen, sind alle weiß gekleidet.
Wenn der Gesang verstummt ist, sind mehr als 100.000 Menschen in Stille miteinander vereint. Eine Stunde lang praktizieren sie die vom Begründer des Dhammakaya-Ordens entwickelte Meditationstechnik. Die meisten haben ihre Augen geschlossen. Einige halten eine Kristallkugel in den Händen. Sie soll ihnen dabei helfen, die Lichtkugel, den "Dhamma-Körper", zu visualisieren. Marja-Leena Heikkila-Horn sagt:
"Sie konzentrieren sich auf die Kristallkugel und damit auf das Licht in ihrem Inneren. Aus dieser leuchtenden Buddha-Figur, die dann im Bauch des Meditierenden zu wachsen beginnt, entwickelt sich irgendwann der 'Dhamma-Kaya', der wahre, der erleuchtete Körper. Damit, so die Überzeugung, wohnt Buddha schließlich im Gläubigen. Er - oder sie - ist Buddha."
Der Staat beäugt die Dhammakaya kritisch
Die Lehren des kontrovers diskutierten Ordens gehören in seiner Heimat längst zum Curriculum einiger Hochschulen, wie etwa der Chulalongkorn-Universität in Bangkok. Nicht jeder Dozent äußert sich in einer Vorlesung aber so freimütig zum Verhältnis von Politik und Dhammakaya wie der Religionswissenschaftler Tavivat Puntarigvivat:
"Die Dhammakaya werden von der Regierung durchaus kritisch beäugt und als bedrohlich angesehen. Der Orden hat nun mal enorm viele Anhänger. Was bedeutet, dass sie innerhalb kurzer Zeit Millionen von Menschen mobilisieren könnten. Damit hat Dhammakaya für das Regime in Thailand eine ähnlich große Bedeutung wie die Meditationsbewegung Falun Gong für China."
Doch anders als Falun Gong in China ist Dhammakaya in Thailand nicht verboten. Religion wird aber auch hier zum Politikum. Tavivat Puntarigvivat sagt:
"Der Staat versucht, die Dhammakaya in Schach zu halten, wobei das Regime sich überhaupt nicht für die Lehre interessiert, die der Orden verbreitet. Auch nicht für Eskapaden wie die des langjährigen Abtes, die man eher halbherzig verfolgt hat. Die Machthaber wollen der Dhammakaya nur bedeuten, dass sie sich aus der Politik heraushalten sollen. Um zu verhindern, dass der Orden ihnen sonst womöglich eines Tages in die Quere kommt."