Möge es den Wesen hier in diesem Raum,
den Sichtbaren und den nicht Sichtbaren,
wohl ergehen, mögen sie glücklich sein.
Frei von Zorn oder Hass, frei von Rachsucht
oder Feindschaft, frei von Kummer und Sorgen.
Mögen sie frei sein und in Frieden leben.
den Sichtbaren und den nicht Sichtbaren,
wohl ergehen, mögen sie glücklich sein.
Frei von Zorn oder Hass, frei von Rachsucht
oder Feindschaft, frei von Kummer und Sorgen.
Mögen sie frei sein und in Frieden leben.
Ein Vers aus der Metta-Meditation der Theravada-Schule, der ältesten buddhistischen Tradition. Das Pali-Wort "Metta" bedeutet Mitgefühl und Güte. Diese Meditation empfehlen buddhistische Lehrer auch für die Begleitung am Sterbebett.
"Metta ist die grundlegende Meditation für alles, behaupte ich sehr klar. Sie ist auch die Basis für die Vorbereitung zum Sterben", sagt Wilfried Reuter, Arzt, Sterbebegleiter und buddhistischer Meditationslehrer in Berlin und Meißen. Reuter hat sich neben dem Theravada auch mit dem tibetischen Buddhismus auseinander gesetzt. Er übersetzt Metta mit "bedingungsloser Liebe". "Metta und Mitgefühl gehören ganz dicht zusammen. Wenn Metta auf Leid trifft, wird daraus Mitgefühl."
Dankbarkeit trägt
Wilfried Reuter sieht in der Metta-Meditation eine buddhistische Geistesschule, die eingeübt werden will, damit sie auch unter schwierigen Umständen funktioniert.
"Indem ich an das Gute denke, das von mir ausgegangen ist und das ich erfahren habe, wird mein Geist in eine andere Qualität kommen, als wenn ich daran denke, was das Leben mir scheinbar vorenthalten hat. Und Dankbarkeit ist eine Qualität, die trägt und auch ein sehr wichtiger Aspekt in der Sterbebegleitung – die Menschen zu erinnern an das, was gut war."
Der Sterbebegleiter Wilfried Reuter glaubt, dass Dankbarkeit das Herz öffnet und somit die Perspektive weitet. Das Geschehene könne damit anders erlebt und angenommen werden. Auch das Sterben. Denn Sterben ist ein Prozess des immer Weniger, des Verlusts aller Kräfte, auch des Geistes.
"Es ist beruhigend, wenn man denkt, dass man sich vorbereiten kann. Aber ich glaube, das gilt nur zum Teil. Weil es, wenn es eine chronische Erkrankung ist - und nur dann kann ich mich ja vorbereiten -, es so viele Aspekte gibt, die die Erkrankung in mir verändern wird und auslösen wird, dass ich nicht sagen würde, es ist gesichert, dass ich diese Praxis dann auch anwenden kann."
Zum Atem zurückkehren
Friederike Boissevain ist skeptisch. Sie arbeitet als Ärztin für Krebskranke und ist Priesterin in der Soto-Zen-Tradition. In Schleswig-Holstein hat sie einen Hospizverein gegründet. Keiner ihrer Krebspatienten konnte noch mit einer Meditation als Vorbereitung auf das Sterben anfangen. Sie empfiehlt: Generell sollte eine Meditation vor dem Tod intellektuell ziemlich schlicht ausfallen.
"In dieser Sekunde oder in dieser kurzen Zeit, bevor ich sterbe, habe ich nicht viel Zeit. Ich muss auf irgendwas zurückgreifen, was mir so in den Poren ist, dass ich überhaupt nicht mehr denken muss. Das muss wie ein Reflex sein. Und in meiner Tradition wäre das, zum Atem zurückzukehren. Das hab ich Tausende von Malen geübt, wie das ist, wenn ich atme und diesen weiten Raum betrete, in dem es keine Unterscheidungen gibt, in dem ich mich völlig auflösen kann. Und das ist natürlich eine Idealvorstellung, dass ich mich dann da so hinüber verteilen kann."
Boissevain: "Wir werden Atemnot haben, die meisten von uns werden auch Schmerzen haben und dann haben wir vielleicht noch ein anderes Symptom. 40 Prozent der chronisch Schmerzkranken haben immer noch Schmerzen trotz Palliativ-Care und zwar starke Schmerzen. Wir sind da noch nicht so weit. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass mir die Medizin alle Symptome nehmen wird."
Trotz dieser ernüchternden Prognose können die Meditationspraktiken aus den buddhistischen Traditionen ein Trost sein, sagt Friederike Boissevain. Und wenn man einigermaßen ein anständiges Leben geführt habe – wäre das auch hilfreich für eine entspannte Haltung. Aber nach Erfahrung der Krebsärztin läuft es oft anders:
"... und viele sehr erwachte Menschen haben es dann auch nicht so wirklich geschafft, im Zeitpunkt ihres Todes – das Universum ist voller unvollendeter Aufgaben. Das heißt, es muss auch okay sein, wenn ich irgendwie gar nichts geschafft habe und lauter lose Enden ... dass ich dann auch damit gehen kann."
Die kleinen Dinge wertschätzen
Die Internistin Friederike Boissevain hat durch ihre Arbeit mit Krebskranken erfahren, dass oft nur Humor weiterhilft. Sie weiß, was todkranke Menschen in ihren letzten Lebenswochen erfahren:
Friederike Boissevain sagt: "Alles fällt weg. Unsre Kreise werden kleiner, wir können das nicht mehr machen, was wir machen wollen. Wir müssen uns immer mehr auf kleine Dinge konzentrieren. Um dann festzustellen: Naja, im Bett liegen und einfach zu atmen, ist eigentlich auch nicht so schlecht. Und das ist auch sicher etwas, was ich sagen würde, was auch nach dieser langen Zeit mit Menschen, die nicht lange leben, immer wieder eine große Lehre ist. Die wenigsten denken dann daran, dass sie nicht mehr auf die Malediven fliegen können. Sondern: die Freude, eine Tasse Tee ohne Schmerzen. Oder dass heute mal die Sonne scheint. Das sind ja auch schon kleine Dinge. Und gerade das Zen ist sehr bedacht auf kleine Dinge, die wertzuschätzen. Das heißt, das ist auch so eine Art von Vorbereitung."
"Ich wünsche mir natürlich ein bewusstes Sterben, dass ich nicht einfach im Schlaf sterbe", sagt Dagmar Doko Waskönig ist Zenmeisterin und Dharma-Lehrerin in Hannover.
"Wobei ich vermute, auch wenn man im Schlaf stirbt, wird man sozusagen innerlich wach. Man wird da nicht einfach nichts von mitbekommen. Auch wenn man da am nächsten Morgen liegt und ist tot. Ich glaube in jedem Fall wird man diese Prozesse mitbekommen, die dort ablaufen. Das ist eigentlich eine buddhistische Einstellung, dass man das bewusst erleben will. Weil man dann auch noch Erkenntisse gewinnt und dann eventuell auch noch eine höhere Entwicklung des Geistes erreichen kann."
Erinnerung an das Gute
Die Zen-Meisterin Dagmar Doko Waskönig empfiehlt, sich schon im Leben von den Dingen zu verabschieden. Als Angehörige sollte man Sterbenden signalisieren: "Es ist gut, ich bin damit einverstanden, dass du gehst."
Dagmar Doko Waskönig: "Das ist sehr wichtig. Man muss es nicht unbedingt aussprechen. Aber wenn man die innere Haltung hat. Und insofern sagt man, ganz unabhängig vom Zen, das kann man für den gesamten Buddhismus sagen: Es ist wichtig, dass man da keine dramatisierte Stimmung aufkommen lässt." Auch die Zen-Meisterin betont, dass man Menschen in ihren letzten Lebenswochen immer wieder an ihre guten Taten erinnern soll.
Dagmar Doko Waskönig: "Ich hatte vor ein paar Jahren einen Freund, den ich im Hospiz verloren habe. Der kam dann auch in eine solche Phase, dass er meinte, er hätte nichts erreicht im Leben. Solche Phasen kommen dann wahrscheinlich. Und da habe ich ihn erinnert, was er für mich getan hat. Das war gar nicht etwas Großartiges, aber es hat unendlich weiterführende Wirkung gehabt. Positive Wirkung im Sinne des Buddhismus und auch für ihn positive Wirkung. Und sowas ins Gedächtnis rufen, wenn jemand so niedergeschlagen ist, das ist glaub ich ganz positiv. Dass er sich wieder etwas innerlich aufbauen kann. Aber das war nicht der eigentliche Todesprozess. Dann ist wahrscheinlich die Kraft vermindert, weil ja auch die körperlichen Auflösungsprozesse da sind, man muss mit Schwächung der geistigen Kräfte rechnen und da kann man wahrscheinlich nicht mehr so Bilanz ziehen, das glaub ich nicht. Das muss man vorher machen."
Trauerfeiern nach buddhistischer Tradition
Viele Buddhisten sprechen vor ihrem Tod noch einmal die buddhistische Zufluchtsformel. Sie nehmen Zuflucht zum Buddha, seiner Lehre und seiner Gemeinde.An ein Endgericht hingegen glaubt im Buddhismus niemand. Da gibt es die Karma-Lehre – nach der alle Taten weiterwirken, spätestens im nächsten Leben. Auch Buddhisten richten Trauerfeiern aus, in denen die Angehörigen an den Verstorbenen denken. Der Meditationslehrer Wilfried Reuter hat ein Ritual entwickelt, das Angehörige nach dem Tod ihres Verwandten oder Freundes anwenden können.
"Da berühre ich die Sinnestore. Zum Beispiel die Augen. Ich berühre die nicht körperlich, gehe aber in die Nähe. Und sage dann auch: 'Wir berühren dankbar deine Augen, die uns so oft, wenn es stimmt, angelächelt haben. Du wirst jetzt mit anderen Augen auf uns schauen. Wir berühren dankbar deine Ohren mit denen du uns mitfühlend zugehört hast. Du wirst nun mit anderen Ohren hören. Wir berühren dankbar deine Füße, die dich getragen haben. Jetzt wird das Gute, das du erwirkt hast dich tragen.' Und so gehe ich immer wieder in Berührung zu dem Verstorbenen und verbinde dies mit einer Wertschätzung. Und dem Hinweis, dass er nicht weg ist, sondern möglicherweise anders da."
Angehörige finden es in ihrem Schmerz manchmal erleichternd, wenn sie nach dem Tod oder in der Trauerfeier nichts machen müssen und ein Trauerredner führt das Ritual aus. Wilfried Reuter:
"Ich habe es zum Beispiel auch gemacht für meinen Vater, das war mir sehr wichtig und es hat mich getröstet und die Menschen, die da waren, auch. Und es hat mir gut getan, etwas für ihn tun zu können."