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Bühne für den Kuratoren-Nachwuchs

Kuratoren sind wichtig, Kuratoren sind mächtig. Damit das so bleibt, bekommen die Strippenzieher der Kunstszene nun eine neue Bühne: Im Palais de Tokyo und in den Pariser Galerien können sich junge Kuratoren mit ihren Ausstellungen vorstellen.

Von Kathrin Hondl |
    Kuratoren sind wichtig, Kuratoren sind mächtig.: Im Ranking der einflussreichsten Kunstwelt-Menschen belegen Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist oder die letzte documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev regelmäßig die Spitzenplätze, oft noch vor den großen Sammlern, Galeristen oder Künstlern. Mit dem "Nouvelles Vagues"-Projekt will der Direktor des Palais de Tokyo, Jean de Loisy der kommenden Kuratoren-Generation ein Forum bieten.

    "Die Kunstwelt hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert", sagt der Direktor des Palais de Tokyo, Jean de Loisy. "Durch die Globalisierung ist die früher westlich dominierte Kunstgeschichte explodiert. Die jungen Kuratoren begleiten diesen Wandel. Sie arbeiten nicht in großen Institutionen oder erklären, wer oder was zur Kunstgeschichte gehört, sondern sie sind die Gefährten der Künstler. Sie leben mit den Künstlern, arbeiten oft als Kunstkritiker, Theoretiker oder sind selbst Künstler. Harald Szeemann war der erste, der so arbeitete. Er machte Ausstellungen, die nicht nur mit der Kunstgeschichte zu tun hatten, sondern mit einer Art 'künstlerischen Allgemeinbildung'."

    Der Kurator als Autor - das war das entscheidende Novum, mit dem Harald Szeemann Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre den Kunstbetrieb revolutionierte. Weniger die Künstler sondern vielmehr der Kurator erscheint seither als Sinngeber einer Ausstellung: "Es kommt darauf an, wer sie macht", so antwortete Szeemann einmal auf die Frage nach Sinn und Zweck großer internationaler Themenausstellungen.

    Und so eine selbstbewusste Subjektivität ist auch in manchen der "Nouvelles Vagues"-Ausstellungen zu spüren. "The black moon" – der schwarze Mond hat die 37-jährige Sinziana Ravini ihr Projekt genannt. Zu sehen sind Arbeiten von 20 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Filme von John Bock oder Pierre Huyghe und surrealistisch anmutende Werke wie eine Wachs-Skulptur der französischen Künstlerin Sophie Dubosc: Ein Bein und ein Arm bilden da zusammen eine mysteriöse "Arm-Bein-Figur". Doch auch über die gezeigten Werke hinaus inszeniert die Ausstellung eine Geschichte: Sinziana Ravini zeigt und dreht in der Schau einen Film über einen Mann und eine Frau, die sich im Gespräch über die Kunst ineinander verlieben.

    "Es ist keine Ausstellung über Liebe, aber es ist eine Ausstellung, die eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen zu erzählen versucht. Es geht um eine junge Frau und einen Mann, die in einer Ausstellung zusammen treffen. Die Frau liebt Narrationen, der Mann liebt mehr Formen und Konzepte. Das ist ganz autobiographisch, es ist also eine Ausstellung über meine eigene Liebesgeschichte mit meinem Mann."

    Weniger romanhaft subjektiv aber mindestens genauso überzeugend ist die Ausstellung "The real thing", ein Gemeinschaftsprojekt der Kairoer Kuratorin Antonia Alampi und des New Yorkers Jason White. Hier geht es um die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Wie grotesk diese manchmal verschwimmen zeigt zum Beispiel eine grandiose Videoarbeit der finnischen Künstlerin Pilvi Takala. Als Schneewittchen verkleidet macht sie sich auf den Weg in den Pariser Disneyland-Park, wo sie von begeisterten Kindern umringt und fotografiert wird. Doch dann wird ihr der Eintritt ins Disneyland verweigert mit der Begründung, sie sehe dem "echten" Schneewittchen zu ähnlich.

    Ähnlich märchenhaft scheint der Aufstieg des Kurators zur zentralen Figur des Kunstbetriebs, wie ihn das Pariser "Nouvelles Vagues"-Projekt jetzt feiert. "Der Kurator", heißt es im Begleitbuch zur Ausstellung, sei "ein Nomade auf der Suche nach poetischem, politischem und ästhetischem Tapetenwechsel". Und: "Der Kurator entzieht sich akademischen Regeln ebenso wie den Gesetzen des Marktes." Das betont auch Georges-Philippe Vallois, Präsident des französischen Galeristenverbandes, der sich mit Ausstellungen in 30 Pariser Galerien am "Nouvelles Vagues"-Projekt beteiligt:

    "Ein Kurator ist unabhängig. Statt im Rahmen einer Institution arbeitet er in einer mentalen Struktur. Seine Netzwerke erlauben es ihm, ohne Hindernisse und Zwänge zu arbeiten. Um diese Freiheit geht es in diesem Projekt."

    Solche Schwärmerei hat allerdings wenig zu tun mit dem prekären Berufsalltag vieler Jung-Kuratoren. Denn die sind zwar meistens extrem gut ausgebildet und extrem engagiert, aber auch extrem schlecht bezahlt. Ein Kunstverein im Raum Paris suchte gerade einen neuen Kurator – kreativ, erfahren, gut vernetzt – für ein Nettogehalt von knapp 1400 Euro. Aber vielleicht trägt ja das in dieser Form bisher einzigartige Pariser Kuratoren-Festival dazu bei, die kreativen Köpfe des Kunstbetriebs künftig auch finanziell angemessener zu würdigen.