"Ich komm ja eigentlich aus dem urbanen Raum. Das heißt, ich bin ja nicht nachts rausgegangen und hab gewusst was ich besprühe, sondern es war ja immer was Neues. Der Untergrund war auch immer was Neues und deswegen liebe ich auch Herausforderungen."
Und eine Herausforderung ist die Arbeit am ersten Bühnenbild für Stefan Strumbel auf jeden Fall:
"Man tauscht sich erst mal aus und man spinnt natürlich Dinge, aber man muss natürlich auch auf die Budgets achten und auf die Dinge, die einfach - also ich hab am Anfang nicht über Licht nachgedacht gleich, und was passiert, wenn dann wirklich die Kostüme dazukommen, dass da noch eine Lautstärke, über einen Stoff über eine Farbe wieder, das sind so Dinge, die ich vorher noch nicht kennenlernen durfte."
Auch, dass es plötzlich heißt, morgen ist Hauptprobe, da muss die Wand fertig gesprüht sein – Oper ist ein Termingeschäft. In ihrer Inszenierung hat Andrea Moses Puccinis "La Bohème" aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart versetzt, und Stefan Strumbel glaubt, dass durch seine Mitwirkung eine neue Zielgruppe angesprochen wird:
"Ich weiß jetzt von so vielen Freunden von mir, Sammlern und Leuten aus ganz Deutschland, die wirklich jetzt das erste Mal in die Oper gehen, allein nur wegen meines Bühnenbilds. Das hat mich natürlich schon sehr glücklich gemacht."
"Neben der Geschichte um Liebe, Leid und Tod handelt es sich ja um Künstler, die Hauptagierenden. Und ich habe mir überlegt, dass ich gerne mit jemandem philosophieren möchte, der eine ähnliche Problematik erlebt am eigenen Leibe, nämlich von einem Street Art Künstler hochgeschossen zu werden zu einem Pop Art Künstler, der jetzt international verkauft wird und diese Problematik, wie man sich entwickelt, von einem Menschen, der in einer kleinen Stadt groß wird und sich dann im Markt behaupten muss und über die irrationalen Marktgesetze überhaupt."
Für Opern-Regisseurin Andrea Moses ist Stefan Strumbel ein Objekt-Künstler, der scheinbar Bekanntes völlig neu definiert. Wenn sich der Vorhang zum 1. Akt hebt, dann sieht der Zuschauer ein modernes Atelier, in dem Fernseher übereinandergestapelt stehen und Künstler ihre Aktionen mit Kameras filmen. An eine Wand prangt der Slogan "Home –street – home". Auf der Empore steht eine schwarze Wand mit ausgeschnittener Gedankenblase – Auszüge aus Strumbels künstlerischem Schaffen. Die Figur des Marcello trägt sogar einen Hut in Strumbel-Manier:
"Man sieht sofort meine Handschrift. Wo die Konsumwelt so stark geschrieben ist, da überlade ich es sehr stark. Zweites Bühnenbild, Konsum, Weihnachtsmarkt, Café Momus, könnte in Stuttgart spielen, wenn man es sich anschaut und man entdeckt auch Kulturgüter aus Stuttgart."
So ziert den Weihnachtsbaum ein Mercedes-Stern, und die Stühle stammen aus dem Café Scholz am Marktplatz, einer echten Stuttgarter Institution.
"Wir haben da eine Weihnachtsmall draus gemacht, wo Stefan diesen ganzen Konsumwahn, der mir wichtig war zu spiegeln, dass aus den Gläubigen und Ungläubigen eher Käufer und Verkäufer geworden sind, das hat er ironisch kommentiert und hat auch seine eigenen Kunstwerke zitiert."
Zum Beispiel das abgeschnittene Schweinebein mit der Rolex, das groß auf einem der bunten Fenster der Weihnachtsmall zu sehen ist. Und das Café-Momus -Schild rechts auf der Bühne schmückt ein Stück Schwarzwälderkirsch –mit Totenkopf statt Kirsche obendrauf:
"Aber es kommt dann auch wieder die urbane Situation in Bühnenbild 3, wo man natürlich meine Handschrift sieht. Sogar da wo ich herkomme. Ich habe wieder gesprüht. Ich habe wieder klassisches Graffiti gemacht, ich hab wieder Text gemacht, der Ursprung meiner Kunst. Und es war sehr spannend es von der Straße in die Oper zu holen und da ein neues ABC zu schreiben. Für mich war es einfach eine Herausforderung, dass das Stück, die Geschichte erzählt werden kann."
In Akt 3 spielt ein mit Graffiti besprühter Container eine große Rolle:
"Ich find ihn schon eine Skulptur für mich. Eine Skulptur, wo Heimat sein kann, Heimat nicht sein kann. Es ist ja auch ein Transportmittel, was ich immer so schön find, Leute wach zu rütteln, transportieren. Es ist wirklich ein Menschencontainer, also Menschenhandel wird da stattfinden. Und diesen Container habe ich besprüht mit klassischen Graffiti und hab dann natürlich auch die Frage gestellt, "What the fuck is Heimat", meine Leitfrage von meinem Werk."
"Unabhängig von der Oper versuche ich jetzt wieder dieses Bühnenbild sogar als Sprungbrett zu nutzen, um einfach noch mal freiere Arbeiten zu machen. Das hat mir sehr viel Inspiration gegeben, auch mit erfahrenen Bühnenbildnern zu arbeiten."