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Bündnis für nachhaltige Textilien
Freiwillige Standards reichen nicht aus

Am 24. April 2013 starben beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch mehr als 1.130 Menschen. Ein Jahr später stieß Entwicklungshilfeminister Gerd Müller das Textilbündnis an: Freiwillig sollten Unternehmen an Reformen vor Ort mitwirken. Doch noch immer gibt es viele Missstände.

Von Caspar Dohmen |
FRauen und Männer arbeiten unter schweren Bedingungen in der Textilfabrik 'One Composite Mills' in Gazipur an Nähmaschinen.
Näherinnen in einer Textilfabrik in Bangladesch (picture alliance / Doreen Fiedler)
24. April 2013, die Stadt Sabhar in Bangladesch: Wo am Vortag das achtstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza stand, türmt sich ein Berg aus Schutt, Stoffresten und Leichen. Rettungskräfte suchen Überlebende. Angehörige trauern, so wie diese Frau um ihre Schwester.
Sie erzählt, dass die Arbeiterinnen trotz Rissen, die sich am Vortag in Wänden bildeten, hätten arbeiten müssen. 1.136 Menschen starben, mehr als 2.000 wurden verletzt. Sandra Dusch Silva von der Kampagne für saubere Kleidung reagiert fassungslos - auch wegen der Vorgeschichte: "Man konfrontiert Unternehmen damit, dass es da Probleme gibt, man macht Studien dazu, man schickt sie, man hat Gespräche und es ändert sich nichts."
Ein Jahr nach dem Unglück: Eine Frau, die ihre Tochter beim Rana-Plaza-Einsturz verloren hat, hockt in den Trümmern der zerstörten Fabrik
Ein Jahr nach dem Unglück: Eine Frau, die ihre Tochter beim Rana-Plaza-Einsturz verloren hat, hockt in den Trümmern der zerstörten Fabrik (dpa/Abir Abdullah)
In den Trümmern fanden sich die Label bekannter Marken. Primark, Benetton, Mango, C&A, KiK und andere hatten dort fertigen lassen. Das Unglück katapultierte die Frage nach der Verantwortung von Unternehmen und Käufern aus dem globalen Norden für die Missstände in Fabriken des globalen Südens auf die internationale Tagesordnung: Unterdurchschnittliche Löhne, lange Arbeitstage, ein ungeschützter Umgang mit giftigen Chemikalien, fehlender Brandschutz.
Freiwilliges Textilbündnis soll Reformen umsetzen
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller verlangte - ein Jahr später - weitgehende Reformen: "Es ist gelungen im Lebensmittelbereich, die Gesamtkette auf verbindliche Standards festzulegen und die Kontrolle zu garantieren, wenn sie beispielsweise an das Biosiegel denken. Ich denke, einen ähnlichen Ehrgeiz sollten wir auch im Textilbereich haben."
Müller forderte eine ökologisch saubere Produktion und existenzsichernde Löhne für die Beschäftigten sowie eine staatliche Kennzeichnung für fair hergestellte Bekleidung - bald "Grüner Knopf" genannt. Was ist aus dem Vorhaben geworden? Es fanden sich bald diverse Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Wirtschaft zusammen. Gemessen am Umsatz ist etwa die Hälfte des deutschen Marktes an dem Textilbündnis beteiligt.

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller: "Keine Branche in Deutschland, die international fertigt in Lieferketten, kam soweit wie die Textilwirtschaft. 50 Prozent der Textilbranche in Deutschland hat sich diesen Standards unterworfen, öffnet Bücher, Produktionsweise, sowohl im ökologischen Bereich, Einsatz von Chemikalien, auch im sozialen Bereich, welche Löhne bezahlt werden. Wir sind da weit gekommen." Aber nicht weit genug, meint Entwicklungshilfeminister Gerd Müller: "Hundert Prozent muss das Ziel sein."
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Berlin. 
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will ähnliche Standards und Kontrollen für die Textilindustrie wie sie für den Lebensmittelbereich gelten (dpa / Rainer Jensen)
Keine sehr hohen Standards
Masse bedeutet aber nicht automatisch Klasse bei solch einem freiwilligen Bündnis. Nele Kampffmeyer vom Ökoinstitut weist auf einen Zielkonflikt hin: "Je höher die Marktabdeckung sein soll, desto niedriger müssen die Standards sein. Weil das ja ein freiwilliges Bündnis ist und mit sehr hohen Standards werde ich halt viele Unternehmen nicht bekommen. Also da besteht einfach ein Spannungsverhältnis. Ich kann nicht beides maximieren. Ich kann nicht sehr hohe Standards haben und ganz hohe Marktabdeckung. Das wird einfach nicht funktionieren."
Von den 200 Mitgliedern haben 70 das Bündnis mittlerweile wieder verlassen. Allein 2018 gingen 20 Unternehmen. Manchen war der Aufwand zu groß, anderen der Anspruch zu hoch. Denn jedes Mitglied muss sich Ziele für eine Verbesserung setzen und Maßnahmenpläne – so genannte Roadmaps – erstellen. Insgesamt gibt es bislang 1300 geplante einzelne Maßnahmen. Sie beziehen sich unter anderem auf das Risikomanagement, den Umgang mit Beschwerden, die Durchsetzung existenzsichernder Löhne oder die Vermeidung gesundheitsschädlicher Chemikalien. Manche Firmen hatten aber auch mehr erwartet.
Nele Kampffmeyer: "Die gesagt haben, das ist uns nicht ambitioniert genug, also die gesagt haben, den Großteil der Ziele, die da formuliert werden, die haben wir schon alle längst erreicht. Das bringt uns nicht wirklich was: Also wir haben sozusagen zusätzliche Pflichten ohne dass wir Nutzen haben und wir lernen auch nicht wirklich was."
Ausbeuterische Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert
England ist das Mutterland der industriellen Textilherstellung. Mit dem Moral and Health Act wollte die Regierung ausbeuterische Zustände in den Baumwoll- und Schafwollfabriken bereits 1802 beseitigen. Inspektoren durften nun jede Fabrik aufsuchen. 150 Jahre später, Mitte des 20. Jahrhunderts, waren die Arbeiter in den frühindustrialisierten Ländern wie England oder Deutschland dank gesetzlicher und tariflicher Errungenschaften deutlich besser gestellt. Jetzt wanderte die Textilherstellung in Regionen ohne solche Errungenschaften – beschleunigt nach dem Fall der Mauer 1989.
Für die Menschen im Süden war das prinzipiell ein Segen. Denn dort wurden dringend neue Arbeitsplätze für die wachsende Bevölkerung benötigt. Aber viele Arbeiter werden ausgebeutet. Minister Gerd Müller: "Es kann nicht sein, dass unsere Firmen in Europa bei der Produktion außerhalb des EU-Raumes Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert zur Grundlage machen."
Filmstill aus dem Film "Machines" von Rahul Jain. Arbeiter schlafen vor Erschöpfung während der Arbeitszeit in einer indischen Textilfabrik.
Szene aus dem Film "Machines": Arbeiter schlafen vor Erschöpfung während der Arbeitszeit in einer indischen Textilfabrik (Pallas Film / Pressefoto)
Nachdem NGOs wiederholt große Missstände bis hin zu Kinderarbeit aufdeckten, verpflichteten diverse Firmen aus dem globalen Norden ihre Lieferanten im globalen Süden auf die Einhaltung bestimmter sozialer und ökologischer Mindeststandards bei der Produktion. Später beauftragen sie private Auditfirmen wie den TÜV mit der Überprüfung der Fabriken. Trotzdem kam es zu Unfällen.
Verstärkte Kontrollen erst nach dem Rana-Plaza-Unglück
Auch Rana Plaza war überprüft und für gut befunden worden. Bereits vor dem Unglück hatte sich die Kampagne für ‚Saubere Kleidung‘ für eine Überprüfung von Statik und Feuersicherheit von Fabriken eingesetzt. Aber nur wenige Unternehmen wollten mitmachen. Die Direktorin für Unternehmensverantwortung bei dem Familienunternehmen Tschibo, Nanda Bergstein, erinnert sich an das zähe Ringen:
"Wir haben uns damals die Hacken abgelaufen, um andere Unternehmen dazu zu bewegen, mitzumachen, und damals wollte keiner. Nach Rana Plaza ist fast die gesamte Textilbranche auf jeden Fall in Europa beigetreten. "
Kurz nach dem Unglück von Rana Plaza unterstützten 220 Unternehmen eine solche Initiative und finanzierten Inspektoren – den Bangladesch Accord. Die Kontrolleure fanden in 1.600 Fabriken mehr als 80.000 Sicherheitsmängel. Nanda Bergstein: "Wir haben heute, ich glaube über 90 Prozent aller Maßnahmen abgestellt in den Fabriken. Man kann heute sagen, dass viele Fabriken in Bangladesch wirklich sicher sind. Stellen sie sich vor, wir hätten das einfach so gemacht."
Situation der Näherinnen und Näher hat sich verschlechtert
Aber heute steht die Initiative in Bangladesch vor dem Aus. Die Regierung wird von der heimischen Textillobby gedrängt, die Aufgabe selbst zu übernehmen, ist aber schlecht gerüstet. Der Grünen-Bundestags-abgeordnete und Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz hat sich vor vier Monaten ein Bild von der Lage vor Ort gemacht und traf Arbeiter, Gewerkschafter und Unternehmensvertreter: "Meine ganz klare Frage lautete, hat sich denn die Situation der Näherinnen und Näher verbessert. Und die Antwort war nein." Im Gegenteil: "In den Ländern Bangladesch und Kambodscha müssen wir feststellen, auch ein bisschen in Vietnam, aber da nicht so stark, dass sich die Verhältnisse, die Arbeitsbedingungen für die Näherinnen und Näher eher wieder verschlechtern als verbessern."
Gisela Burckhardt, Gründerin der NGO Femnet und Mitglied bei der Kampagne für saubere Kleidung: "Wenn sich die Gebäudesicherheit verändert, dann haben sich damit noch nicht die Arbeitsbedingungen verändert. Das heißt, die Näherinnen schuften weiter, also machen Überstunden. Diese Überstunden müssen sie machen, weil sie viel zu wenig verdienen. Wir haben eine Frauendiskriminierung. Wir haben keine Gewerkschaftsfreiheit."
Die Aktivistin hat das Textilbündnis genutzt und dort im Rahmen einer so genannten Bündnis-Initiative die Ausbeutung junger Frauen in südindischen Spinnereien zum Thema gemacht.
Südindien: Archaische Verhältnisse in Spinnereien
Tirupur, eine wahllos gewucherte Industriestadt im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu: Schulung von Arbeitern über ihre Rechte durch die örtliche Hilfsorganisation Save in einer der Tausenden Nähfabriken. Schon seit 2013 wollte Save auch die Arbeiterinnen in den Spinnereien im Umland schulen. Dort sind die Verhältnisse archaisch. Die Betriebe locken junge Frauen mit dem Versprechen, sie könnten dort ihre Aussteuer verdienen. Der Druck sei hoch, die Arbeitszeiten lang, der Lohn gering, erzählt Save-Mitarbeiterin Mary Viyakula.
Die Mädchen würden in die Fabrik gebracht und säßen dort oft fest, hätten meist keinen Zugang zur Außenwelt und dürften nur alle sechs Monate nach Hause reisen. Regelmäßig würden Mädchen aus den Spinnereien weglaufen oder sich umbringen.
Zunächst will Save Arbeiterinnen in 300 Spinnereien schulen. Richtig voran geht es erst seitdem einige Unternehmen aus dem Textilbündnis das Vorhaben unterstützen: Tchibo, KiK, Otto und Hugo Boss.
Existenzsichernde Löhne als Ziel
Existenzsichernde Löhne sind ein wesentlicher Grund dafür, warum Minister Müller das Textilbündnis ins Leben gerufen hat. Schon wenn Unternehmen beim Einkauf einer Jeans beim Zulieferer einen Dollar mehr bezahlen würden, sei viel gewonnen, rechnet der Minister in seinem Büro vor:
"Wenn die Jeans für fünf Dollar, für sechs Dollar eingekauft wird, dann können den Frauen existenzsichernde Löhne bezahlt werden. Ein Dollar Unterschied bei der Jeans kann dazu führen, dass der Stundenlohn von 15 auf 25 oder 30 Cent erhöht, verdoppelt wird. Damit kann die Frau leben, die Familie leben."
Frauen und Männer arbeiten in der Textilfabrik "One Composite Mills" in Gazipur, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch
Ein Dollar mehr für ein Kleidungsstück könne den Stundelohn von Näherinnen verdoppeln, sagt Bundesentwicklungsminister Müller (dpa/Doreen Fiedler)
Um das Thema voranzubringen ist das Bündnis eine Partnerschaft eingegangen – ebenfalls als Initiative. Tim Zahn ist der Koordinator der zivilgesellschaftlichen Akteure beim Textilbündnis: "Wenn wir das hinkriegen, so eine Bündnisinitiative schlagkräftig auf die Beine zu stellen, dann ist es wirklich ein Novum. Das wäre in Kooperation mit der Initiativen Action Kollaboration Transformation ACT, die versucht flächendeckende Tarifverträge in den Produktionsländern einzuführen."
Initiative für Tarifverträge in den Produktionsländern
Ins Leben gerufen haben ACT der internationale Gewerkschaftsdachverband IndustriAll und 21 Unternehmen. Dazu zählen der Zara-Mutterkonzern Inditex aus Spanien, H&M aus Schweden oder Tchibo aus Deutschland. Für ein einzelnes Unternehmen seien höhere Preise schwierig, sagt ACT-Geschäftsführer Frank Hoffer, der vorher 20 Jahre bei der Internationalen Arbeitsorganisation ILO tätig war:
"Sie haben sofort einen Konkurrenznachteil, wenn sie mit einem anderen Konkurrenten in der gleichen Firma einkaufen. Dann subventionieren sie quasi quer mit ihren höheren Preisen, dass der irgendwie noch billiger einkaufen kann. Dass man deshalb eben eine industrieweite Lohnfestsetzung braucht und dass man auch die größere Akzeptanz hat."
Auf die Höhe eines existenzsichernden Mindestlohns legt sich ACT nicht fest. Es sei doch klar, dass die Löhne viel zu gering seien, sagt Hoffer. Entscheidend sei der Weg. Es soll Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern in der Textilbranche geben, so wie wir es in Deutschland kennen. Dabei soll die Lohnsteigerung verpflichtend höher sein als der Zuwachs von Produktivität und Inflation, um sicherzustellen, dass die Beschäftigten reale Lohnsteigerungen erhalten:
"Ich denke, das entscheidende ist, dass man solch eine Lohnsetzungsdynamik in Gang setzt. Und dann denke ich, wird man in der mittleren Frist auch zu Löhnen kommen, die existenzsichernd sind."
Mehr Unternehmen müssten mitmachen
Es gibt Gespräche in Bangladesch, Myanmar, Vietnam und Äthiopien - am weitesten gediehen sind sie in Kambodscha. Die ACT-Unternehmen wollen alle verbindliche Zusagen für das Volumen ihrer Bestellungen geben. Trotzdem zögern die Arbeitgeber in Kambodscha, weil nur die Hälfte des Marktes mitmacht. Sie fürchten, dass die anderen Unternehmen abwandern. Schließlich wechseln Auftraggeber wegen Cent-Unterschieden Lieferanten oder Länder.
Mehr Unternehmen aus den USA und Europa müssten mitmachen, damit die Idee aufgeht. Viel versprach sich ACT deswegen von der Kooperation mit dem Textilbündnis. Aber außer den Firmen, die ohnehin schon bei beiden Initiativen mitmachen, gibt es wenig Bereitschaft. Außen vor bleiben wichtige Firmen, sagt Tim Zahn, der Koordinator der zivilgesellschaftlichen Akteure beim Textilbündnis: "Wie zum Beispiel Adidas."
Das nach eigenen Angaben ein Viertel seiner Bekleidung in Kambodscha fertig. Sie haben sich klar geäußert, indem sie sagten: "Wir machen da noch nicht mit. Und das ist fatal", sagt Tim Zahn. "Denn diese Initiative droht im Moment zu scheitern, weil zu wenig Unternehmen, die aus Kambodscha Textilien einkaufen, dort mitmachen. Andere Unternehmen wie zum Beispiel Aldi Nord und Aldi Süd haben gesagt, wir würden da mitmachen, möchten aber, dass noch weitere Unternehmen auch mitmachen." Beide Discounter sprechen von ACT als aktuell: "Vielversprechendster Initiative im Bereich existenzsichernder Löhne."
Kritik am Metasiegel "Grüner Knopf"
Eine Modenschau für umweltverträglich und fair hergestellte Mode in Berlin. Das Geschäft ist auch sechs Jahre nach Rana Plaza nur ein Nischenmarkt. Das Textilbündnis soll dies ändern. Um Verbrauchern beim Einkauf eine bessere Orientierung zu bieten, gibt es den "Grünen Knopf". Das Metasiegel soll im Juli der Öffentlichkeit präsentiert werden. Im Herbst könnte es erstmals auf Textilien angebracht werden.
Kritik kommt vom Verband "Textil + Mode" – selbst Mitglied beim Textilbündnis. Wer die Lieferkette prüfen wolle, brauche eine Kontrollinstanz und die sei teuer, warnte der Lobbyverband. Gunther Beger, Abteilungsleiter Grundsatzfragen im Entwicklungsministerium.
"Dass das zu so einer wahnsinnigen Aufregung führt, wenn wir ein freiwilliges staatliches Siegel einführen wollen, dass muss ja keiner machen. Aber wir müssen doch verdammt noch mal diejenigen auszeichnen oder die Möglichkeit geben können, die Mindeststandards, Grundstandards einhalten können, dass wir diese Produkte auch zeigen können."
Wer den "Grünen Knopf" beantragen will, muss die potentiellen Risiken und tatsächlichen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit seines Unternehmens auf Menschenrechte und Umwelt kennen und bei Risiken Abhilfe schaffen. Minister Müller: "Damit hat der Kunde erstmals die Chance zu sagen, ich möchte ein Sakko, eine Bluse, ein Hemd, eine Hose mit dem ‚Grünen Knopf‘ und damit weiß ich, dass ich saubere Kleidung trage, ökologisch und sozial fair produziert."
Dieter Overath, Vorstandschef des Vereins Transfair: "Der 'Grüne Knopf' hat eindeutig einen Schwerpunkt auf Umweltkriterien und die soziale Seite ist beim 'Grünen Knopf' etwas unterbelichtet"
Overath weiß wie schwierig soziale Fortschritte auf freiwillige Art umzusetzen sind. Der Faire Handel hat einen Standard entwickelt, der existenzsichernde Löhne entlang der ganzen Lieferkette gewährleisten soll – nicht nur für Näherinnen, sondern auch für die Männer und Frauen in Spinnereien, Webereien und Färbereien. Bislang machen aber nur drei kleine Firmen mit – zu wenige. Deswegen ist das Projekt in seiner jetzigen Form gefährdet.
Dieter Overath ist Geschäftsführer des Kölner Vereins TransFair, der Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt.
Weiß, wie schwierig es ist, freiwiliige Standards umzusetzen: Dieter Overath, Geschäftsführer von Transfair (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
Der "Grüne Knopf" könne für Verbraucher eine gute Orientierung für sozial und ökologisch nachhaltigere Textilien sein, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Aber die Verbraucherschützer halten es für unwahrscheinlich, "dass mit einer zunehmenden Marktdurchdringung des ‚Grünen Knopf‘ das unübersichtliche Labeldickicht gelichtet und damit für Verbraucher eine Unterscheidung zwischen reinen Werbeaussagen und vertrauenswürdigen Produktinformationen generell einfacher würde. Um gegen Green- und Socialwashing vorzugehen, bedarf es weiterer regulatorischer Maßnahmen."
Auch einige Unternehmen fordern heute verbindliche Regeln. Tchibo-Managerin Nanda Bergstein: "Ich finde, wir müssen uns heute nicht mehr darüber unterhalten, ob freiwillige Initiativen jetzt noch mehr bringen werden oder nicht. Wir wissen doch wie die Zustände vor Ort sind. Und weil wir es wissen, glaube ich, müssen wir einfach mal über einen Paradigmenwechsel sprechen."
Deutschland hängt bei gesetzlichen Regelungen hinterher
Andere europäische Länder haben erste Schritte gemacht, ob Großbritannien mit dem Modern Slavery Act, Frankreich mit einem Gesetz für Unternehmensverantwortung oder Belgien mit einem Gesetz für existenzsichernde Löhne in der Lieferkette der Süßwarenindustrie. Hinkt Deutschland hinterher? Entwicklungsminister Gerd Müller: "Ja, eindeutig."
Ob es in Deutschland zu einem Lieferkettengesetz kommt, hängt dabei von den Fortschritten beim Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte ab. Die Bundesregierung hat sich auch hier für das Prinzip Freiwilligkeit entschieden. Aber wenn die Ergebnisse der Unternehmen unzureichend sein werden, hält sie sich eine gesetzliche Regelung vor. In den nächsten sechs Monaten müssen 1.800 Unternehmen einen Fragenkatalog beantworten. Gerd Müller: "Auf der Basis entscheiden dann – wir die Bundesregierung – so steht es im Koalitionsvertrag, ob ein Gesetz notwendig ist."
Einen Gesetzentwurf gibt es bereits. Beifall findet der Entwurf bei dem Grünen-Politiker Uwe Kekeritz, einem der schärfsten Kritiker des freiwilligen Textilbündnisses.
"Also der Entwurf ist klasse, der entspricht all unseren Forderungen, der sagt, es müssen Standards eingehalten werden, es müssen Kontrollen durchgeführt werden, es müssen Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden. Und wenn das alles nicht hilft, dann müssen die Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden. Also das ist genau das, was hier in Deutschland selbstverständlich ist. Wenn hier jemand die Sozialstandards nicht einhält, dann kommt der Staatsanwalt und guckt, was da los ist. Und dann werden die auch zur Rechenschaft gezogen."