Ein rumänischer Wanderarbeiter werkelt auf der Baustelle eines deutschen kommunalen Krankenhauses – als Zimmermann. Die deutsche Firma, die den Mann für sich arbeiten lässt, spart sich eine Unfallversicherung. Dann geschieht der Unfall. Es besteht die Gefahr, dass der Mann seinen verletzten Fuß verliert. Dennoch drängt der Arbeitgeber des Zimmermanns darauf, dass dieser sofort nach Rumänien zurückfährt, berichtet Mihai Balan. Der deutsche Soziologe mit rumänischen Wurzeln schaltet sich in den Fall des schwer verletzten rumänischen Zimmermanns ein und spricht mit dem behandelnden deutschen Arzt:
"Der Arzt, den ich dann an der Leitung hatte, sagte dann zu mir: 'Ich weiß nicht, was hier gerade vor sich geht. Die versuchen die ganze Zeit Einfluss zu nehmen. Sagen sie ihm doch bitte, dass er nicht fahrtauglich ist, dass er hier bleiben muss, weil er sonst seinen Fuß verliert.' Die Schwellung war noch so groß, der war einfach nicht transportfähig."
Mihai Balan erreicht, dass der verletzte rumänische Zimmermann in Deutschland weiterbehandelt wird, obwohl der Druck des Arbeitgebers, ihn nach Rumänien abzuschieben, nicht nachlässt.
Löhne zwischen 3,50 Euro und 5 Euro
Mihai Balan leitet in Rheinland-Pfalz ein Projekt mit dem etwas bürokratischen Titel "Niedrigschwellige Weiterbildung und Beratung mobil Beschäftigter". Konkret geht es dabei vor allem um Wanderarbeiter aus Rumänien und Bulgarien, denen hier in Deutschland Arbeitnehmerrechte vorenthalten werden. Balan zieht mit einer Kollegin seit einigen Monaten durch Weinberge und über Spargelfelder und bietet Unterstützung an:
"Wir haben jetzt mehrere hundert Arbeiter schon angesprochen. Das waren jetzt keine Beratungsgespräche, sondern Kontakte, wo wir Flyer dagelassen haben mit Infos über rechte und andere Informationsmaterialien."
Gelbe, spielkartengroße Flyer informieren in verschieden Sprachen über gesetzliche Mindestlöhne in den wichtigsten Branchen. Man erfährt etwa, dass in der Agrarwirtschaft und im Weinbau ab Juni 2014 der Tariflohn für Angelernte bei 7,30 pro Stunde liegt. Mihai Balan hört bei seinen Erkundungen in Rheinland-Pfalz ganz andere Lohnhöhen:
"Aus unseren Befragungen heraus kommen wir auf Löhne zwischen 3,50 Euro und 5 Euro. Dann sagen uns dann die Bauern, von dem Geld kann man doch gut leben, da kann man die Füße von hochnehmen! Und auch die Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, die wir sehen: Denn sie müssen wissen, die Wanderarbeiter arbeiten häufig zehn Stunden am Tag und das siebenTage die Woche."
"An existenzieller Stelle Unterstützung leisten"
Dazu kommt häufiger Ärger mit fehlenden Zahlungen von Arbeitgebern für die Krankenversicherung. Das schilderten heute die bulgarischen Arbeiterinnen Krasimira Radoslavova und Elena Nuri:
"Sie bezahlen nicht für die Krankenkasse."
"Und jetzt habe ich einen Brief von der AOK und die AOK will von mir 1200 Euro für die letzten Monate."
Solche Fälle kennt Doris Bartelmes viele. Sie ist Abteilungsleiterin im rheinland-pfälzischen Arbeitsministerium, das am Beratungsprojekt in Mainz beteiligt ist:
"Und die Arbeitnehmerinnen, die so beschäftigt sind, stehen in der Regel oft alleine. Und deswegen bin ich sehr froh, dass wir dieses Projekt haben, das auch an dieser Stelle, an ganz existenzieller Stelle Unterstützung leisten kann."
Der rheinland-pfälzische DGB-Vorsitzende Dietmar Muscheid betont auch die Rolle, die das Beratungsprojekt für die innergewerkschaftliche Diskussion einnimmt. Denn auch die Gewerkschaften selbst, so Muscheid heute in Mainz, müssten immer wieder dafür sensibilisiert werden, sich um diejenigen zu kümmern, die auf dem hiesigen Arbeitsmarkt oft zu den Entrechteten gehören: die europäischen Wanderarbeiterinnen und Arbeiter.