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Bürgerkrieg Guatemala
Die Rückkehr der Maya-Priester

Die ersten Opfer, die während des Bürgerkriegs in Guatemala den Massakern der Armee zum Opfer fielen, waren Geistliche der Mayas. Inzwischen gibt es bei den Mayas vielerorts wieder spirituelle Führer.

Von Hans-Günter Kellner |
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    Maya-Geistliche gelten in Guatemala als Autoritäten. (picture-alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    Mehr als 200.000 Menschen sind in Guatemala dem 30 Jahre lang andauernden Bürgerkrieg zum Opfer gefallen. Rund 80 Prozent davon waren Angehörige eines der 22 Maya-Völker Guatemalas.
    Lange Jahre waren die religiösen Maya-Zeremonien verboten, doch nun steigen die Maya-Priester wieder auf den Kajyup hinauf, eine alte, ihnen heilige Stadt auf einem Berg vor Rabinal. Francisco ist einer von ihnen. Maya-Priester wie er sehen sich auch für die Erhaltung der Kultstätte verantwortlich. Doch die alte Pracht lässt sich nur noch erahnen.
    "Vor uns liegen 13 Paläste. An diesem Platz tagte der Rat. Auf der Plattform im Zentrum wurde der Quiché Achí geopfert. Dort fand die Zeremonie statt. Die Plattform war zerstört, wir haben sie wieder aufgebaut. Hier sind die Reste einer anderen Festung. Dort oben stand ein Turm mit einem astrologischen Observatorium zur Beobachtung der Sonnenwende."
    Der Tempel war der historische Schauplatz des Mythos vom Rabinal Achí, der kriegerischen Auseinandersetzungen der Mayas in der Region. Daran erinnert noch heute ein Tanztheater, das inzwischen von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt worden ist.
    Francisco bläst zum Zeichen des Beginns seiner religiösen Zeremonie in ein Horn. Er hat sich inzwischen sein weißes, mit den 20 Zeichen des Maya-Kalenders besticktes Priesterhemd angezogen. Auf dem Haar trägt er jetzt ein rotes Tuch. Er schüttet Zucker im Kreis aus, markiert darauf die vier Himmelsrichtungen, hebt die Hände wie zum Gebet und wendet sich jeder Richtung zu.
    "Den ersten Ruf richte ich an die Sonne. Ich danke ihr dafür, dass sie uns erhellt, bitte um Weisheit und Verständnis. Anschließend rufe ich unsere Vorfahren in der Dunkelheit im Westen an. Dann richte ich mich gen Süden, wo das Wasser entspringt, das Leben. Zuletzt geht mein Ruf an den Wind im Norden. Ihn bitte ich um Erlaubnis für unseren Besuch hier. So orientiert sich unsere Kosmosvision an den vier Himmelsrichtungen."
    In jede der vier Markierungen der Himmelsrichtungen im Zucker legt der Maya-Geistliche ein Ei, in den Kreis kommen farbige Kerzen, Mais, Schokolade, Zigarren und viele weitere Opfergaben an die Vorfahren – sowie Kohle. Es weht ein heftiger Wind, doch nach mehreren Versuchen gelingt es Francisco, alles zu entzünden. Er geht im Kreis um die Flammen herum, spricht in seiner Sprache, Achí und fordert die Anwesenden nach und nach auf, farbige Kerzen ins Feuer zu legen, die die 20 Zeichen des Maya-Kalenders symbolisieren. Erst nach zwei Stunden ist das Ritual zu Ende, dessen Ziel die Reinigung der Teilnehmer von negativen Energien sein soll. Francisco setzt sich:
    "Während des bewaffneten Konflikts wäre es unmöglich gewesen, dass wir uns hier aufhalten. Die Armee wäre gekommen, hätte uns als Guerilleros beschuldigt. Sie hätten uns verhaftet, gefoltert, uns nach unseren Mitstreitern gefragt, wieviel es sind, wo sie sind. So erging es unseren Großvätern. Niemand hielt hier mehr unsere Zeremonien ab."
    Massaker an der Zivilbevölkerung
    Sein Blick geht zu den Berghängen hinüber. Die alten Dörfer dort sind heute verlassen. 1981 und 1982 verübte die Armee dort grausame Massaker an der Zivilbevölkerung. Das Töten hatte Methode.
    "Sie suchten zunächst die Führer. Nicht nur die Maya-Priester, auch die katholischen Pfarrer, Lehrer, Krankenpfleger. Die ersten Morde waren ganz gezielt. Später kamen dann die Massaker gegen die breite Bevölkerung. Sie wollten uns auslöschen. Wir, die Priester, sind eine Autorität für die Bevölkerung. In jedem Dorf gab es damals sei oder drei Geistliche. Sie konnten die Leute um sich versammeln, man hörte auf sie."+
    Mit den Morden sollten den Dorfgemeinschaften die führenden Köpfe genommen werden, sagt auch die Stiftung der guatemaltekischen Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú. Schließlich organisierten viele der Priester nicht nur das geistliche Leben, sondern auch Kooperativen, mit denen die Bauern ihre Produkte besser vermarkten konnten oder rieten vom Landverkauf an Großbauern ab. Doch eine Untersuchung über das Ausmaß der Verfolgung von Geistlichen gibt es nicht. Franciscos Onkel verschwand, er selbst flüchtete wie so viele aus der indigenen Landbevölkerung in die Hauptstadt Guatemalas und arbeitete dort als Hotelboy. Erst vor einigen Jahren kehrte er zurück nach Rabinal.
    Als Francisco wieder vom Berg hinabsteigt, trifft er auf den zehn Jahre jüngeren Avelero Roman. Roman sucht auch die Verständigung mit der katholischen Kirche. Das neue Baktun, die im Dezember begonnene neue Zeitrechnung der Mayas, haben sie in Rabinal mit einem katholischen Gottesdienst und einer Maya-Zeremonie begrüßt, sagt Avelero Roman:
    "Dank Ajaw, unserem Gott, hat die katholische Kirche unsere Maya-Zeremonie nie verboten. Unter unseren weisen Großvätern sind manche sehr katholisch. Das ist ein religiöser Synkretismus, eine Vermischung der katholischen mit der Maya-Kultur. Ich denke, jetzt, in diesem neuen Baktun, wird auch das Wissen um unsere ursprüngliche Kultur zunehmen."
    Ökomenische Gottesdienste als Kompromiss
    Solche Hoffnungen gibt es auch auf der katholischen Seite. Schließlich wurden auch viele ihre Vertreter wie die der Maya-Religion während des Bürgerkriegs von der Armee und paramilitärischen Einheiten ermordet. Manche katholische Geistliche meinten zwar immer noch, die Gläubigen müssten sich zwischen der Kosmovision der Maya und der katholischen Lehre entscheiden, gibt José Antonio Puac von der Menschenrechtsgruppe "ODAGH" des Bistums Guatemala-Stadt zu bedenken. Doch die Zeiten änderten sich, hin zu einem gleichberechtigten Miteinander, sagt der Katholik:
    "Wir bekommen hier Beschwerden, dass Maya-Zeremonien unterbunden werden. Manche katholische Geistliche öffnen sich aber auch und nehmen die Ökumene viel ernster. In Quiche beginnen die Gottesdienste manchmal mit einer Maya-Zeremonie. Erst dann kommt die katholische Messe. Dann endet man noch einmal mit dem Maya-Ritus. So lernt man sich kennen und verst

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