Laut "Wall Street Journal" und "New York Times" äußern sich die Mitarbeiter des Außenministeriums enttäuscht über die bisherige Strategie der US-Regierung in Syrien, die nicht dazu beitrage, den Krieg zu beenden. Bisher fliegt die US-geführte Koalition in Syrien nur Luftangriffe gegen Stellungen des IS und anderer Terrorgruppen, nicht aber gegen Truppen und Stellungen des Assad-Regimes. Derartige gezielte Angriffe seien wegen des fast völligen Zusammenbruchs des Waffenstillstandes angebracht, zitierte das "Wall Street Journal" aus dem Memo. Demnach sprechen sich die meist der mittleren Ebene angehörenden Außenamtsmitarbeiter für "gezielte Luftangriffe" und ein "vernünftiges Maß" militärischer Gewalt aus. "Die moralischen Gründe, Schritte zur Beendigung des Tötens und Leidens nach fünf Jahren brutalem Krieg in Syrien zu unternehmen, sind offenkundig und unstrittig", zitierte die "New York Times" aus dem Papier. Der Status quo in Syrien werde weiterhin zunehmend schreckliche, wenn nicht katastrophale, humanitäre, diplomatische und terrorismusbezogene Herausforderungen zeitigen, heißt es in dem Text weiter.
Kerry will sich mit Diplomaten treffen
Der "New York Times" zufolge handelt es sich bei fast allen Unterzeichnern um Mitarbeiter, die in den vergangenen fünf Jahren mit der amerikanischen Syrien-Politik befasst waren. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte in Washington, der Text sei über einen Verteiler - dem "dissent channel" - versandt worden, der ausdrücklich für abweichende Meinungen der Mitarbeiter zu politischen Fragen gedacht sei. Außenminister John Kerry sieht in dem Schreiben eine wichtige Aussage. Bei einem Besuch in Kopenhagen kündigte er ein Treffen mit den Verfassen des Papiers an.
Seit Jahren Stimmen, die Druck auf Assad erhöhen wollen
Derartige Schriftstücke sind für sich genommen nicht ungewöhnlich, wohl jedoch die Zahl der Unterzeichner, die vom "Wall Street Journal" mit 51 angegeben wurde. "Das ist eine erstaunlich hohe Zahl", sagte der ehemalige US-Botschafter in Syrien, Robert Ford. Seit vier Jahren gebe es im Ministerium Stimmen, die den Druck auf Syriens Präsident Baschar al-Assad erhöhen wollten, um ihn zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu bewegen. Ford war selbst 2014 von seinem Posten zurückgetreten und hatte eine stärkere Bewaffnung der Opposition gefordert. Er wies darauf hin, dass bereits im Sommer 2012 die damalige Außenministerin Hillary Clinton eine Bewaffnung und Ausbildung von Anti-Assad-Rebellen vorgeschlagen hatte. Zwar hätten auch andere Mitglieder des Kabinetts in Washington den Vorschlag unterstützt. Obama habe sich jedoch dagegen entschieden.