"Glück auf, Peter Haustein. Sofort rufst du an wegen Wahlwerbung. Müssen wir uns mal zusammen setzen, demnächst."
Ein Freitagvormittag im August. Sommerpause im Bundestag in Berlin. Zeit für die Abgeordneten einmal länger am Stück zu Hause zu sein. In ihren Wahlkreisen.
Zeit sich auszuruhen? Nein, Heinz-Peter Haustein hat keine Zeit für Muße.
Der 59jährige sitzt hinter einem wuchtigen Schreibtisch aus rötlichem Holz in seinem Büro in Deutschneudorf. Gut drei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt. Erzgebirge, Sachsen 1400 Einwohner, direkt an der tschechischen Grenze.
Ein Freitagvormittag im August. Sommerpause im Bundestag in Berlin. Zeit für die Abgeordneten einmal länger am Stück zu Hause zu sein. In ihren Wahlkreisen.
Zeit sich auszuruhen? Nein, Heinz-Peter Haustein hat keine Zeit für Muße.
Der 59jährige sitzt hinter einem wuchtigen Schreibtisch aus rötlichem Holz in seinem Büro in Deutschneudorf. Gut drei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt. Erzgebirge, Sachsen 1400 Einwohner, direkt an der tschechischen Grenze.
40.000 Kilometer im Jahr
Der FDP-Bundestagsabgeordnete ist als Unternehmer der größte Arbeitgeber am Ort. Seine 140 Mitarbeiter bauen und warten Aufzüge. Seit 1994 ist er auch Bürgermeister von Deutschneudorf, und seit 2005 sitzt er für den Wahlkreis "165 Erzgebirgskreis" im Bundestag. Über die Landesliste. Denn gewählt wird hier schwarz! Wenn der Liberale in sitzungsfreien Wochen freitags zu Hause ist, hat er volles Programm – und das hat mit dem derzeitigen Bundestagswahlkampf nur am Rande zu tun:
"Am Freitag ist es so, dann kommste meist um acht hierher. Heute saß schon der Steuerberater dort. Dann sehe ich am Freitag meine Monteure, die die ganze Woche auf Montage sind. Deutschland- und Europaweit. Das ist immer so das erste: Betrieb. Dann parallel schauste in die Liste: Bundestag. Dann schauste in die Liste: Gemeinde. Was gibt’s da Neues. Und dann wirste merken, was so an Dutzenden kleinen Dingen auf uns zukommt. Bei einem haben die die Mülltonne nicht abgeholt, bei einem ist die Straße ausgespült durch das Unwetter diese Woche. Das musste eben alles hinbekommen so ein bissle. Und das klappt ganz gut."
Über 40.000 Kilometer legt er im Jahr in seinem sächsischen Wahlkreis zurück. Der reicht von Deutschneudorf/Deutscheinsiedel bis fast ins Vogtland: Schönheide.
"Es sind zweieinhalb Autostunden. Sind nur 120 Kilometer. Aber brauchst mindestens zweieinhalb Autostunden. Das macht es so kompliziert."
Die Infrastruktur ist das Problem. Die nächste Autobahn-Auffahrt ist noch gut eine Stunde entfernt von Seinem Heimatort. Und so kurvt der Vielbeschäftigte in seinem dunklen Geländewagen auf engen Straßen rauf und runter, oft durch menschenleeres, waldiges Gebiet. Gerade gestern hat er wieder so eine zeitfressende Tour durch seinen Wahlkreis gemacht.
Generalsekretär Patrick Döring ist zu Besuch, um Wahlkampf zu machen. Auf dem Programm: Firmenbesichtigungen. Unter anderem in der Nickelhütte in Aue. Ein Traditionsbetrieb. Rund 400 Mitarbeiter.
"Wir haben bisher das Kobald gewonnen und auf unseren Halden lag das Nickel. Und da waren wir der erste industrielle Produzent in der Welt überhaupt. Wir hatten eigene Bergwerke in Norwegen, in Ungarn."
Ein wichtiger Geschäftsbereich ist die Wiederaufbereitung von Metallen und Chemikalien. Recycling also. Der Produktionsprozess: extrem energieintensiv. Die Lösung – der Betrieb produziert Strom in Eigenregie:
"Ich decke meinen Bedarf komplett. Sie speisen nicht ein, sondern versorgen sich selbst. Ich verkaufe nicht(...)"
"Am Freitag ist es so, dann kommste meist um acht hierher. Heute saß schon der Steuerberater dort. Dann sehe ich am Freitag meine Monteure, die die ganze Woche auf Montage sind. Deutschland- und Europaweit. Das ist immer so das erste: Betrieb. Dann parallel schauste in die Liste: Bundestag. Dann schauste in die Liste: Gemeinde. Was gibt’s da Neues. Und dann wirste merken, was so an Dutzenden kleinen Dingen auf uns zukommt. Bei einem haben die die Mülltonne nicht abgeholt, bei einem ist die Straße ausgespült durch das Unwetter diese Woche. Das musste eben alles hinbekommen so ein bissle. Und das klappt ganz gut."
Über 40.000 Kilometer legt er im Jahr in seinem sächsischen Wahlkreis zurück. Der reicht von Deutschneudorf/Deutscheinsiedel bis fast ins Vogtland: Schönheide.
"Es sind zweieinhalb Autostunden. Sind nur 120 Kilometer. Aber brauchst mindestens zweieinhalb Autostunden. Das macht es so kompliziert."
Die Infrastruktur ist das Problem. Die nächste Autobahn-Auffahrt ist noch gut eine Stunde entfernt von Seinem Heimatort. Und so kurvt der Vielbeschäftigte in seinem dunklen Geländewagen auf engen Straßen rauf und runter, oft durch menschenleeres, waldiges Gebiet. Gerade gestern hat er wieder so eine zeitfressende Tour durch seinen Wahlkreis gemacht.
Generalsekretär Patrick Döring ist zu Besuch, um Wahlkampf zu machen. Auf dem Programm: Firmenbesichtigungen. Unter anderem in der Nickelhütte in Aue. Ein Traditionsbetrieb. Rund 400 Mitarbeiter.
"Wir haben bisher das Kobald gewonnen und auf unseren Halden lag das Nickel. Und da waren wir der erste industrielle Produzent in der Welt überhaupt. Wir hatten eigene Bergwerke in Norwegen, in Ungarn."
Ein wichtiger Geschäftsbereich ist die Wiederaufbereitung von Metallen und Chemikalien. Recycling also. Der Produktionsprozess: extrem energieintensiv. Die Lösung – der Betrieb produziert Strom in Eigenregie:
"Ich decke meinen Bedarf komplett. Sie speisen nicht ein, sondern versorgen sich selbst. Ich verkaufe nicht(...)"
Mit kritischem Blick auf die Energiewende
Doch natürlich werden der Atomausstieg, die Energiewende, die steigenden Strompreise auch hier kritisch beobachtet. Vor allem die Umlage für die erneuerbaren Energien. Von der sind energieintensive Betriebe allerdings ausgenommen, besonders wenn sie im internationalen Wettbewerb stehen. Dafür hat sich die FDP stark gemacht, sagt Generalsekretär Döring – und nutzt das geneigte Ohr zur Eigenwerbung:
"Will ich Ihnen aber eins sagen. Es gibt ja leider auch bei Peter Altmaier die Überlegung, diejenigen, die so sehr sich selbst versorgen wie sie, auch mit der EEG-Umlage zu belasten. Was wir bisher verhindert haben."
Die Subventionen für alternative Energieträger sind zu einer Kostenfalle geworden, wird auch Spitzenkandidat Rainer Brüderle nicht müde zu erklären: Die steigenden Energiekosten gefährden nach Ansicht der Liberalen Arbeitsplätze, und Haushalten mit geringem Einkommen droht die soziale Schieflage. Deshalb hat sich Brüderle für einen "Neustart" der Energiewende ausgesprochen. Für die FDP heißt das: Das EEG, das Erneuerbare Energien-Gesetz, muss grundlegend überarbeitet werden. Schluss mit der Förderung von Wind- und Solaranlagen. Damit will die Partei den Anstieg der Strompreise stoppen. Staatliche Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte oder einen Sozial-Stromtarif, wie ihn die Grünen vorschlagen, lehnen die Liberalen dagegen ab. Dem Wahlkämpfer Haustein geht es in Aue aber nicht nur um die Energiewende:
"Haste irgendwelche Wünsche an die Politik, wenn wir beide schon einmal hier sind."
Die Antwort: Macht nicht immer alles so kompliziert mit der Verwaltung. Sonst ist alles gut. Der Abgeordnete verspricht, sich zu kümmern. Das ist sein Job. Und das ist seine Art. Nach einem hausteintypischen, festen Händedruck geht es weiter nach Seiffen. Etwa 50 Kilometer entfernt. Anderthalb Stunden Fahrt. Ein Zentrum der erzgebirgischen Holzschnitzerei.
"Je näher man an Weihnachten rankommt, dann denkt man auch dran, man braucht fürs Fenster einen Schwippbogen zum Dekorieren. Und nach wie vor (Döring: Engelorchester). Ja – oder nach wie vor, das ist die Stärke unseres Hauses. Pyramiden."
Haustein und Döring – beide im dunklen Anzug - folgen dem Geschäftsführer in die Schauwerkstatt. Ab Herbst, berichtet Klaus Hübsch dem Generalsekretär, wird er in seinem Betrieb wieder neun neue Lehrlinge ausbilden:
"Und was lernen die dann?" "Die lernen den Ausbildungsberuf Holzspielzeugmacher."
Einen Beruf, den es vor der Wiedervereinigung im Westen nicht gegeben hat. Etwa 2/3 seiner Mitarbeiter sind Frauen, erzählt Hübsch. Sie fertigen die Figuren, kleben Händchen, Köpfchen, Hütchen, Flügel an.
"Naja, ich hatte immer versucht, eine Lohnentwicklung mitzukriegen, die also mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens übereinstimmt. Ich meine, die Branche hier ist sehr breit gefächert. Es gibt uns, es gibt Familienbetriebe, alles Mögliche. Also, man muss wettbewerbsfähig bleiben."
Genaues über die Bezahlung seiner Mitarbeiter verrät er nicht.
Ein anderer Seiffener erzählt später im Gespräch, zwischen sechs und zehn Euro in der Stunde werden in der Holzschnitzer-Branche bezahlt. Und wie steht Geschäftsführer Hübsch zum Mindestlohn?
"Als losgelöstes Thema sehe ich es gefährlich. Wenn es in der Branche, in den Unternehmen gemacht wird, dann könnte es uns schon ein Stückel helfen, also auch den Mitarbeitern helfen. Denn letztlich hat es nur einen Sinn, wenn die Mitarbeiter, die ich ausbilde auch ihre Familie ernähren können."
Beim Thema Mindestlohn haben auch die Liberalen lange mit sich gerungen. Denn eigentlich war die FDP immer dagegen. Aber dann hat sich ihr Koalitionspartner bewegt – in Richtung branchenspezifische Lohnuntergrenzen.
"Türlich. Beim Thema Mindestlohn ist die CDU zu weich."
Urteilt Heinz-Peter Haustein.
"Was nicht geht ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland. Das ist Irrsinn, was wir da machen würden."
Bei ihrem letzten Parteitag hat sich die Partei deshalb für einen Mindestlohn "light" entschieden. Branche für Branche, Region für Region. Ausgehandelt von den Tarifpartnern.
Nächster Tag. Freitag. Viertel vor zehn. Heinz Peter Haustein geht in seiner Firmenzentrale in Deutschneudorf schnell noch die Post durch. Statt Anzug wie am Vortag trägt er ein blassgelbes Poloshirt und eine etwas dunklere Weste. Im seinem hellbraunen Haar sind erste Spuren von Grau zu erkennen. Mit Mindestlohn braucht man in seiner Branche gar nicht erst kommen, sagt er, dann sind die Leute weg. Er beschäftigt in seiner Aufzugfirma Facharbeiter. Und der Fachkräftemangel fordert seinen Preis.
"Wartste mal draußen, bitte. Lässte dir mal einen Kaffee geben."
Ein Parteifreund aus einem Nachbarort steckt den Kopf zu Tür rein. Haustein vertröstet ihn auf später. Zuerst muss er noch ein paar Dinge klären mit seinem Stellvertreter als Bürgermeister. Der kümmert sich zu Hause in Deutschneudorf ums operative Geschäft, wenn Haustein in Berlin ist. Dafür bekommt der Stellvertreter Hausteins Bürgermeister-Salär. Selbstverständlich, meint der Abgeordnete.
"Will ich Ihnen aber eins sagen. Es gibt ja leider auch bei Peter Altmaier die Überlegung, diejenigen, die so sehr sich selbst versorgen wie sie, auch mit der EEG-Umlage zu belasten. Was wir bisher verhindert haben."
Die Subventionen für alternative Energieträger sind zu einer Kostenfalle geworden, wird auch Spitzenkandidat Rainer Brüderle nicht müde zu erklären: Die steigenden Energiekosten gefährden nach Ansicht der Liberalen Arbeitsplätze, und Haushalten mit geringem Einkommen droht die soziale Schieflage. Deshalb hat sich Brüderle für einen "Neustart" der Energiewende ausgesprochen. Für die FDP heißt das: Das EEG, das Erneuerbare Energien-Gesetz, muss grundlegend überarbeitet werden. Schluss mit der Förderung von Wind- und Solaranlagen. Damit will die Partei den Anstieg der Strompreise stoppen. Staatliche Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte oder einen Sozial-Stromtarif, wie ihn die Grünen vorschlagen, lehnen die Liberalen dagegen ab. Dem Wahlkämpfer Haustein geht es in Aue aber nicht nur um die Energiewende:
"Haste irgendwelche Wünsche an die Politik, wenn wir beide schon einmal hier sind."
Die Antwort: Macht nicht immer alles so kompliziert mit der Verwaltung. Sonst ist alles gut. Der Abgeordnete verspricht, sich zu kümmern. Das ist sein Job. Und das ist seine Art. Nach einem hausteintypischen, festen Händedruck geht es weiter nach Seiffen. Etwa 50 Kilometer entfernt. Anderthalb Stunden Fahrt. Ein Zentrum der erzgebirgischen Holzschnitzerei.
"Je näher man an Weihnachten rankommt, dann denkt man auch dran, man braucht fürs Fenster einen Schwippbogen zum Dekorieren. Und nach wie vor (Döring: Engelorchester). Ja – oder nach wie vor, das ist die Stärke unseres Hauses. Pyramiden."
Haustein und Döring – beide im dunklen Anzug - folgen dem Geschäftsführer in die Schauwerkstatt. Ab Herbst, berichtet Klaus Hübsch dem Generalsekretär, wird er in seinem Betrieb wieder neun neue Lehrlinge ausbilden:
"Und was lernen die dann?" "Die lernen den Ausbildungsberuf Holzspielzeugmacher."
Einen Beruf, den es vor der Wiedervereinigung im Westen nicht gegeben hat. Etwa 2/3 seiner Mitarbeiter sind Frauen, erzählt Hübsch. Sie fertigen die Figuren, kleben Händchen, Köpfchen, Hütchen, Flügel an.
"Naja, ich hatte immer versucht, eine Lohnentwicklung mitzukriegen, die also mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens übereinstimmt. Ich meine, die Branche hier ist sehr breit gefächert. Es gibt uns, es gibt Familienbetriebe, alles Mögliche. Also, man muss wettbewerbsfähig bleiben."
Genaues über die Bezahlung seiner Mitarbeiter verrät er nicht.
Ein anderer Seiffener erzählt später im Gespräch, zwischen sechs und zehn Euro in der Stunde werden in der Holzschnitzer-Branche bezahlt. Und wie steht Geschäftsführer Hübsch zum Mindestlohn?
"Als losgelöstes Thema sehe ich es gefährlich. Wenn es in der Branche, in den Unternehmen gemacht wird, dann könnte es uns schon ein Stückel helfen, also auch den Mitarbeitern helfen. Denn letztlich hat es nur einen Sinn, wenn die Mitarbeiter, die ich ausbilde auch ihre Familie ernähren können."
Beim Thema Mindestlohn haben auch die Liberalen lange mit sich gerungen. Denn eigentlich war die FDP immer dagegen. Aber dann hat sich ihr Koalitionspartner bewegt – in Richtung branchenspezifische Lohnuntergrenzen.
"Türlich. Beim Thema Mindestlohn ist die CDU zu weich."
Urteilt Heinz-Peter Haustein.
"Was nicht geht ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland. Das ist Irrsinn, was wir da machen würden."
Bei ihrem letzten Parteitag hat sich die Partei deshalb für einen Mindestlohn "light" entschieden. Branche für Branche, Region für Region. Ausgehandelt von den Tarifpartnern.
Nächster Tag. Freitag. Viertel vor zehn. Heinz Peter Haustein geht in seiner Firmenzentrale in Deutschneudorf schnell noch die Post durch. Statt Anzug wie am Vortag trägt er ein blassgelbes Poloshirt und eine etwas dunklere Weste. Im seinem hellbraunen Haar sind erste Spuren von Grau zu erkennen. Mit Mindestlohn braucht man in seiner Branche gar nicht erst kommen, sagt er, dann sind die Leute weg. Er beschäftigt in seiner Aufzugfirma Facharbeiter. Und der Fachkräftemangel fordert seinen Preis.
"Wartste mal draußen, bitte. Lässte dir mal einen Kaffee geben."
Ein Parteifreund aus einem Nachbarort steckt den Kopf zu Tür rein. Haustein vertröstet ihn auf später. Zuerst muss er noch ein paar Dinge klären mit seinem Stellvertreter als Bürgermeister. Der kümmert sich zu Hause in Deutschneudorf ums operative Geschäft, wenn Haustein in Berlin ist. Dafür bekommt der Stellvertreter Hausteins Bürgermeister-Salär. Selbstverständlich, meint der Abgeordnete.
Bürgermeister, Arbeitgeber und Abgeordneter
Als er für ein paar Minuten kurz verschwindet, um mit dem Parteifreund unter vier Augen zu sprechen, bleibt Zeit, sich im Büro etwas umzusehen. In einer Ecke gegenüber der Tür steht das Modell eines Bergwerks auf einer Kommode. Vom Schreibtisch aus fällt der Blick auf ein Regal. Dort steht ein Schwippbogen. Im Erzgebirge findet man die nicht nur zur Weihnachtszeit. Unter den Kerzen kniet ein Männchen in einem Bergwerksstollen. Die Erinnerung an Bergbau ist im Büro und im Wahlkreis allgegenwärtig. Die Erze der Region haben einst Könige und Fürsten reich gemacht.
"Ein wirklicher alter Kämpfer."
Sagt der Parteifreund beim Abschied über den Bundestagsabgeordneten. Der "alte Kämpfer" selber sagt dazu nicht viel. Als Bürgermeister, Arbeitgeber und Abgeordneter hat Haustein für alle Anliegen ein offenes Ohr. Und auf die Frage, ob er auch eine Art Feuerwehr sei, die da immer da ist, wenn einer was braucht, lacht er spitzbübisch und meint, Ja, er sei sogar: Hauptlöschmeister. Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Deutschneudorf.
"Wenn ich Einsatz fahre und es brennt, bin ich immer dabei. Ich habe auch meinen Helm und meine Feuerwehrjacke immer im Auto liegen. Zeige ich dir jetzt. Gut, machen wir eine Runde, mein Freund."
Rundfahrt durchs Dorf. Haustein will seinem Gast Deutschneudorf zeigen. Duzen gehört für ihn zum normalen Ton. Macht man so unter Tage. Zunächst geht es aber bergauf. Der 59-Jährige parkt seinen Geländewagen an einer Kapelle aus Holz.
"Sehr schlicht gehalten wie wir Evangelen halt sind. Bitte schön…"
Wer die Kapelle betritt ist nach wenigen Schritten an den vier Fenstern gegenüber der Eingangstür, deren innere Holzrahmen das Kreuz bilden. Die Fenster geben den Blick frei auf bewaldete Hügel und Täler. Er komme häufiger hierher, sagt Haustein, um in Ruhe nachzudenken. Stoff zum Grübeln haben die die Liberalen ja genug geliefert in dieser Legislaturperiode:
"Es lag auch an uns selber. Wir haben den Leuten viel versprochen, haben dann, zum ersten, die falschen Ministerien besetzt. Wir hätten nur eins machen sollen: Das Finanzministerium nehmen. Dann hätten wir die Steuerreform umsetzen können. Gegen den Finanzminister kannst du es nicht. Wir haben das BMZ – wirtschaftliche Zusammenarbeit genommen. Oder uns aufschwatzen lassen von Frau Merkel, obwohl wir es zehn Jahre abschaffen wollten. Das waren so ein paar Dinge, die waren tödlich. Und dann mit der Steuerreform hätte man den Leuten sagen müssen, das geht jetzt nicht. Wir haben eine Wirtschaftskrise von einem Ausmaß, das noch gar nicht absehbar ist. Da kann man jetzt keine Steuerreform machen."
Das nicht zu erklären – und der verpatzte Wechsel an der Parteispitze - das haben ihre Wähler der FDP übelgenommen: Lange Zeit schien der gelbe Balken in den Umfragen bei knapp über oder unter zwei Prozent wie festgenagelt. 2009 waren es noch 14,6 Prozent, die liberale Bundestagsfraktion ist mit über neunzig Mitgliedern groß wie nie. Viele wissen schon jetzt: Für sie heißt es auf jeden Fall: Bundestag ade. Zittern ist aber momentan noch für alle angesagt. Erst im Juli dieses Jahres übersprang die FDP zum ersten Mal nach etwa einem Jahr wieder die Fünf-Prozent-Hürde. Haustein atmet etwas auf, zu früh freuen will sich der 59jährige aber nicht. Bis zum 22. September könne noch viel passieren. Vielleicht aber haben sie ja auch geholfen, die Geschenke, die der Liberale aus dem Erzgebirge Philipp Rösler, seinem Parteichef, einst zu Weihnachten gemacht hat: Einen hölzernen Bergmann…
"Und `nen Schutzengel habe ich ihm auch schon geschenkt."
Rösler schätzt und mag er. Und auch Brüderle. Für ihn sind die beiden das ideale Team. Wenn es so weitergeht in den Umfragen für die FDP, dann hofft der Unternehmer, an diesem Freitag im August, in der kleinen hölzernen Wanderkapelle in der Nähe der tschechischen Grenze, auf seine dann dritte Legislaturperiode:
"Und ich denke, mit dem Team, das wir jetzt haben, werden wir, wenn wir es jetzt noch einmal schaffen, den Fehler nicht noch einmal machen wie damals."
Den Fehler, die eigene Politik nicht richtig zu kommunizieren. Einen anderen, den sie bei den ersten Koalitionsverhandlungen gemacht haben, werden sie auch beim nächsten Mal nicht wieder gutmachen können: Damals 2009 nicht auf einen Finanzminister von der FDP bestanden zu haben. Damals waren wir stark, sagt Haustein. Jetzt werden wir nicht mehr in der Position sein, dieses Amt einzufordern. Ein Trost bleibt - die CDU brauche die FPD:
"Die braucht uns, weil sie ein Korrektiv braucht. Was mal sagt, also, Merkel, mach mal nicht ganz so auf sozialistisch. da denke ich, deshalb ist es in dieser Konstellation ideal. Und sie will auch mit uns."
Obwohl auch der Liberale zugeben muss, dass das Wahlprogramm der Christdemokraten – theoretisch – auch ein Türchen offen lässt für Koalitionsgespräche mit der SPD oder den Grünen.
"Da ist Angie schon ein Fuchs. Die hat das so aufgebaut. Deshalb ist halt wichtig, dass wir mit denen reinkommen und weiterregieren. Damit wir die vom linken Rand wieder ein bissel in die Mitte holen."
Wahlforscher sagen jedoch, Merkels Modernisierungskurs könnte für die FDP noch zum Problem werden. Denn eine CDU, die weniger traditionell und christlich ist, könnte auch für eigentlich liberal denkende Wähler attraktiv sein. Eine Zweitstimmen-Kampagne zugunsten der FDP jedenfalls lehnt die CDU-Vorsitzende nach der im Januar auch deshalb verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen strikt ab. Trotzdem – Heinz-Peter Haustein glaubt an die schwarz-gelbe Koalition. Immerhin hätten Union und Liberale mit dem ausgeglichenen Haushalt, also einem Etat ohne neue Schulden, ein gemeinsames Ziel. Auch wenn man die CDU, besonders die Kanzlerin, gelegentlich daran erinnern muss, meint Haustein. Weil sie im Wahlkampf neue Ausgaben wie
Kindergelderhöhung oder Mütterrente versprochen hat.
"Also aus Sicht der FDP sind das zu viele Wahlversprechen. Weil, wir haben uns eindeutig bekannt, Haushalte ausgleichen, Schuldenabbau, keine neuen Schulden. Denn das ist wirklich unfair, die Schulden auf die Kinder zu verlegen. Das hat Priorität. Wenn es dann noch Spielraum gibt, dann kann man sagen, Kindergeld wird… oder Steuer vor allem ein bisschen gerechter machen."
War das nicht im Wahlkampf 2009 das große Thema der FDP? Hat nicht seine Partei damals vollmundig versprochen für Steuersenkung und eine umfassende Steuerreform zu sorgen? Haustein nickt, davon habe sich seine Partei leise verabschiedet. Die Realität schlägt durch bis ins Wahlprogramm. Dort heißt das Credo jetzt vor allem: Keine neuen Schulden.
Später im Auto sagt der Haushaltsexperte zum Thema Steuerentlastung:
"Natürlich kann man sich da immer mehr wünschen. Das Problem, das mich sehr ärgert: Dass Rot-Grün durch die Mehrheit im Bundesrat diese Kalte Progression blockiert. Und das nur aus niederen Beweggründen. Das ist wirklich eine Gemeinheit den Arbeitnehmern gegenüber."
Der Abbau der kalten Progression bei der Einkommensbesteuerung sollte die Arbeitnehmer um insgesamt sechs Milliarden Euro entlasten. Dass das nicht geklappt hat, ärgert den Arbeitgeber aus dem Erzgebirge bis heute. Aufgegeben hat er aber noch nicht – trotz rot-grüner Ländermehrheit im Bundesrat will er bei diesem Thema nicht kleinbeigeben. Falls Schwarz-Gelb nach dem 22. September erneut die Bundesregierung stellt, wird neu verhandeln:
"Der Bundesrat lässt sich alles abkaufen. Die Ländermehrheit. Das ist alles. Kostet halt Geld."
Mit Verhandlungen haben die Liberalen eigene, auch schlechte Erfahrungen gemacht. Von CDU und CSU haben sie sich in den vergangenen vier Jahren einige Zugeständnisse abverhandeln lassen. Bei der Finanztransaktionssteuer etwa. Oder zuletzt beim Betreuungsgeld. Dafür fiel immerhin die Praxisgebühr.
Haustein steuert mit seinem Geländewagen das nächste Ziel auf der Fahrt durch sein 1400-Seelen-Dorf an. Um den Kindergarten
haben sie in Deutschneudorf lange gekämpft. Rund 50 deutsche und tschechische Kinder werden hier gemeinsam betreut. Zweisprachig. Unter der Woche bis 18 Uhr, erzählt der Bundestagsabgeordnete stolz. Wie das zum Betreuungsgeld passt? Dass die CSU, aber nicht seine FDP wollte?
"Wir regieren ja nicht alleine. Wir haben ja keine absolute Mehrheit. Da musste also Kompromisse machen. Das ist ja gar nicht anders drinne. Und Betreuungsgeld gut, das haben die halt so gewünscht… ich halts…ist auch zweischneidig. Es gibt sicher viele Gegenden, da ist es hilfreich. Im ländlichen Raum. Es gibt aber auch Ecken, ich nenne mal wieder Neukölln, da ist es genau das verkehrte."
Wenig später geht es mit dem FDP-Politiker unter die Erde, ins Bergwerk. Haustein muss sich an manchen Stellen etwas bücken. Einige Gänge sind etwas niedrig für einen großen Mann. Die Stollen wurden vor ein paar Jahren entdeckt, bis heute ist nicht alles erkundet. Dennoch locken sie viele Touristen in den kleinen Ort. Der Grund: Heinz-Peter Haustein und ein paar seiner Freunde vermuten hier das einst von den Nazis versteckte, sagenumwobene Bernsteinzimmer. Bewiesen ist das bis heute noch nicht, aber der Bürgermeister mag diesen Platz. Auch hier kommt er gerne her. Zum Nachdenken. Über Griechenland zum Beispiel.
"Hätte man damals den Griechen gesagt. Ihr geht jetzt geordnet raus. Wäre besser gewesen. Aber ist vorbei. Brauche wir gar nicht diskutieren. Jetzt haben wir so viel Geld reingeblasen dort unten. Geht nimmer. Das ist so."
Da ist Haustein pragmatisch, auch wenn er schon mal bei einer namentlichen Abstimmung über ein weiteres Hilfspaket seine Stimme nicht abgegeben hat. Der Liberale wird ernst, sehr ernst, wenn es um mehr Geld für Griechenland geht. Dass Bundesfinanzminister Schäuble im Wahlkampf über ein drittes Hilfsprogramm plaudert, ärgert ihn. "Keine Blankozusagen" – da ist sich Haustein mit seinem Außenminister Guido Westerwelle einig. Und auch Rainer Brüderles Ansicht teilt er, wer zu früh über weitere Hilfen diskutiere, der vermindere den Reformdruck auf die Griechen.
Auch der Haushaltspolitiker will bei diesem Thema hart bleiben. Zumal er darin eine gute Gelegenheit für seine FDP sieht, sich von der CDU deutlich abzugrenzen. Auch der neuen Partei, der eurokritischen "Alternative für Deutschland", kurz AfD, will der Liberale die Euro-Skeptiker unter den Wählern nicht alleine überlassen. Aus gutem Grund, mit rund um fünf Prozent – wie zur Zeit in den Umfragen – sei die FDP noch nicht auf der hundertprozentig sicheren Seite, sagt der Abgeordnete. Geschlagen aber gibt er sich noch lange nicht. Ganz wie die Bergleute in früheren Zeiten:
"Mit dieser Art und Weise. Mit Eisen und Stegel, haben die das reingekloppt. Und deswegen ist auch das, was uns eigen ist. Diese Beharrlichkeit. Das ist eine Bergmannstugend."
Zur Beharrlichkeit kommt ein thematisches Geschenk, das die Kanzlerin ihrem kleinen Koalitionspartner für den Wahlkampf gemacht hat: Die Soli-Debatte. Merkel will auf die Milliardeneinnahmen nicht verzichten. Der Solidaritätszuschlag muss im Jahr 2019 auslaufen, fordern dagegen die Liberalen, auch der Abgeordnete aus Sachsen. Der hofft, bei den Diskussionen darüber in der nächsten Legislaturperiode dabei sein zu können. Wenn es die FDP am 22. September über die Fünf-Prozent-Hürde schafft, ist Heinz-Peter Haustein auf Platz zwei der sächsischen Landesliste ziemlich sicher im neuen Bundestag drin. Für ihn ist der Wahltag doppelt spannend: Er tritt auch wieder als Bürgermeister in Deutschneudorf an. Beim letzten Mal holte er sage und schreibe gut 99 Prozent der Stimmen.
"99,23 Prozent. Das werde ich dieses Mal nicht mehr erreichen. Weil es da auch schon durch die Bundespolitik so gewisse Sachen gibt, wo die sagen, den wählen wir nicht mehr. Aber egal – Hauptsache, er wird gewählt."
"Ein wirklicher alter Kämpfer."
Sagt der Parteifreund beim Abschied über den Bundestagsabgeordneten. Der "alte Kämpfer" selber sagt dazu nicht viel. Als Bürgermeister, Arbeitgeber und Abgeordneter hat Haustein für alle Anliegen ein offenes Ohr. Und auf die Frage, ob er auch eine Art Feuerwehr sei, die da immer da ist, wenn einer was braucht, lacht er spitzbübisch und meint, Ja, er sei sogar: Hauptlöschmeister. Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Deutschneudorf.
"Wenn ich Einsatz fahre und es brennt, bin ich immer dabei. Ich habe auch meinen Helm und meine Feuerwehrjacke immer im Auto liegen. Zeige ich dir jetzt. Gut, machen wir eine Runde, mein Freund."
Rundfahrt durchs Dorf. Haustein will seinem Gast Deutschneudorf zeigen. Duzen gehört für ihn zum normalen Ton. Macht man so unter Tage. Zunächst geht es aber bergauf. Der 59-Jährige parkt seinen Geländewagen an einer Kapelle aus Holz.
"Sehr schlicht gehalten wie wir Evangelen halt sind. Bitte schön…"
Wer die Kapelle betritt ist nach wenigen Schritten an den vier Fenstern gegenüber der Eingangstür, deren innere Holzrahmen das Kreuz bilden. Die Fenster geben den Blick frei auf bewaldete Hügel und Täler. Er komme häufiger hierher, sagt Haustein, um in Ruhe nachzudenken. Stoff zum Grübeln haben die die Liberalen ja genug geliefert in dieser Legislaturperiode:
"Es lag auch an uns selber. Wir haben den Leuten viel versprochen, haben dann, zum ersten, die falschen Ministerien besetzt. Wir hätten nur eins machen sollen: Das Finanzministerium nehmen. Dann hätten wir die Steuerreform umsetzen können. Gegen den Finanzminister kannst du es nicht. Wir haben das BMZ – wirtschaftliche Zusammenarbeit genommen. Oder uns aufschwatzen lassen von Frau Merkel, obwohl wir es zehn Jahre abschaffen wollten. Das waren so ein paar Dinge, die waren tödlich. Und dann mit der Steuerreform hätte man den Leuten sagen müssen, das geht jetzt nicht. Wir haben eine Wirtschaftskrise von einem Ausmaß, das noch gar nicht absehbar ist. Da kann man jetzt keine Steuerreform machen."
Das nicht zu erklären – und der verpatzte Wechsel an der Parteispitze - das haben ihre Wähler der FDP übelgenommen: Lange Zeit schien der gelbe Balken in den Umfragen bei knapp über oder unter zwei Prozent wie festgenagelt. 2009 waren es noch 14,6 Prozent, die liberale Bundestagsfraktion ist mit über neunzig Mitgliedern groß wie nie. Viele wissen schon jetzt: Für sie heißt es auf jeden Fall: Bundestag ade. Zittern ist aber momentan noch für alle angesagt. Erst im Juli dieses Jahres übersprang die FDP zum ersten Mal nach etwa einem Jahr wieder die Fünf-Prozent-Hürde. Haustein atmet etwas auf, zu früh freuen will sich der 59jährige aber nicht. Bis zum 22. September könne noch viel passieren. Vielleicht aber haben sie ja auch geholfen, die Geschenke, die der Liberale aus dem Erzgebirge Philipp Rösler, seinem Parteichef, einst zu Weihnachten gemacht hat: Einen hölzernen Bergmann…
"Und `nen Schutzengel habe ich ihm auch schon geschenkt."
Rösler schätzt und mag er. Und auch Brüderle. Für ihn sind die beiden das ideale Team. Wenn es so weitergeht in den Umfragen für die FDP, dann hofft der Unternehmer, an diesem Freitag im August, in der kleinen hölzernen Wanderkapelle in der Nähe der tschechischen Grenze, auf seine dann dritte Legislaturperiode:
"Und ich denke, mit dem Team, das wir jetzt haben, werden wir, wenn wir es jetzt noch einmal schaffen, den Fehler nicht noch einmal machen wie damals."
Den Fehler, die eigene Politik nicht richtig zu kommunizieren. Einen anderen, den sie bei den ersten Koalitionsverhandlungen gemacht haben, werden sie auch beim nächsten Mal nicht wieder gutmachen können: Damals 2009 nicht auf einen Finanzminister von der FDP bestanden zu haben. Damals waren wir stark, sagt Haustein. Jetzt werden wir nicht mehr in der Position sein, dieses Amt einzufordern. Ein Trost bleibt - die CDU brauche die FPD:
"Die braucht uns, weil sie ein Korrektiv braucht. Was mal sagt, also, Merkel, mach mal nicht ganz so auf sozialistisch. da denke ich, deshalb ist es in dieser Konstellation ideal. Und sie will auch mit uns."
Obwohl auch der Liberale zugeben muss, dass das Wahlprogramm der Christdemokraten – theoretisch – auch ein Türchen offen lässt für Koalitionsgespräche mit der SPD oder den Grünen.
"Da ist Angie schon ein Fuchs. Die hat das so aufgebaut. Deshalb ist halt wichtig, dass wir mit denen reinkommen und weiterregieren. Damit wir die vom linken Rand wieder ein bissel in die Mitte holen."
Wahlforscher sagen jedoch, Merkels Modernisierungskurs könnte für die FDP noch zum Problem werden. Denn eine CDU, die weniger traditionell und christlich ist, könnte auch für eigentlich liberal denkende Wähler attraktiv sein. Eine Zweitstimmen-Kampagne zugunsten der FDP jedenfalls lehnt die CDU-Vorsitzende nach der im Januar auch deshalb verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen strikt ab. Trotzdem – Heinz-Peter Haustein glaubt an die schwarz-gelbe Koalition. Immerhin hätten Union und Liberale mit dem ausgeglichenen Haushalt, also einem Etat ohne neue Schulden, ein gemeinsames Ziel. Auch wenn man die CDU, besonders die Kanzlerin, gelegentlich daran erinnern muss, meint Haustein. Weil sie im Wahlkampf neue Ausgaben wie
Kindergelderhöhung oder Mütterrente versprochen hat.
"Also aus Sicht der FDP sind das zu viele Wahlversprechen. Weil, wir haben uns eindeutig bekannt, Haushalte ausgleichen, Schuldenabbau, keine neuen Schulden. Denn das ist wirklich unfair, die Schulden auf die Kinder zu verlegen. Das hat Priorität. Wenn es dann noch Spielraum gibt, dann kann man sagen, Kindergeld wird… oder Steuer vor allem ein bisschen gerechter machen."
War das nicht im Wahlkampf 2009 das große Thema der FDP? Hat nicht seine Partei damals vollmundig versprochen für Steuersenkung und eine umfassende Steuerreform zu sorgen? Haustein nickt, davon habe sich seine Partei leise verabschiedet. Die Realität schlägt durch bis ins Wahlprogramm. Dort heißt das Credo jetzt vor allem: Keine neuen Schulden.
Später im Auto sagt der Haushaltsexperte zum Thema Steuerentlastung:
"Natürlich kann man sich da immer mehr wünschen. Das Problem, das mich sehr ärgert: Dass Rot-Grün durch die Mehrheit im Bundesrat diese Kalte Progression blockiert. Und das nur aus niederen Beweggründen. Das ist wirklich eine Gemeinheit den Arbeitnehmern gegenüber."
Der Abbau der kalten Progression bei der Einkommensbesteuerung sollte die Arbeitnehmer um insgesamt sechs Milliarden Euro entlasten. Dass das nicht geklappt hat, ärgert den Arbeitgeber aus dem Erzgebirge bis heute. Aufgegeben hat er aber noch nicht – trotz rot-grüner Ländermehrheit im Bundesrat will er bei diesem Thema nicht kleinbeigeben. Falls Schwarz-Gelb nach dem 22. September erneut die Bundesregierung stellt, wird neu verhandeln:
"Der Bundesrat lässt sich alles abkaufen. Die Ländermehrheit. Das ist alles. Kostet halt Geld."
Mit Verhandlungen haben die Liberalen eigene, auch schlechte Erfahrungen gemacht. Von CDU und CSU haben sie sich in den vergangenen vier Jahren einige Zugeständnisse abverhandeln lassen. Bei der Finanztransaktionssteuer etwa. Oder zuletzt beim Betreuungsgeld. Dafür fiel immerhin die Praxisgebühr.
Haustein steuert mit seinem Geländewagen das nächste Ziel auf der Fahrt durch sein 1400-Seelen-Dorf an. Um den Kindergarten
haben sie in Deutschneudorf lange gekämpft. Rund 50 deutsche und tschechische Kinder werden hier gemeinsam betreut. Zweisprachig. Unter der Woche bis 18 Uhr, erzählt der Bundestagsabgeordnete stolz. Wie das zum Betreuungsgeld passt? Dass die CSU, aber nicht seine FDP wollte?
"Wir regieren ja nicht alleine. Wir haben ja keine absolute Mehrheit. Da musste also Kompromisse machen. Das ist ja gar nicht anders drinne. Und Betreuungsgeld gut, das haben die halt so gewünscht… ich halts…ist auch zweischneidig. Es gibt sicher viele Gegenden, da ist es hilfreich. Im ländlichen Raum. Es gibt aber auch Ecken, ich nenne mal wieder Neukölln, da ist es genau das verkehrte."
Wenig später geht es mit dem FDP-Politiker unter die Erde, ins Bergwerk. Haustein muss sich an manchen Stellen etwas bücken. Einige Gänge sind etwas niedrig für einen großen Mann. Die Stollen wurden vor ein paar Jahren entdeckt, bis heute ist nicht alles erkundet. Dennoch locken sie viele Touristen in den kleinen Ort. Der Grund: Heinz-Peter Haustein und ein paar seiner Freunde vermuten hier das einst von den Nazis versteckte, sagenumwobene Bernsteinzimmer. Bewiesen ist das bis heute noch nicht, aber der Bürgermeister mag diesen Platz. Auch hier kommt er gerne her. Zum Nachdenken. Über Griechenland zum Beispiel.
"Hätte man damals den Griechen gesagt. Ihr geht jetzt geordnet raus. Wäre besser gewesen. Aber ist vorbei. Brauche wir gar nicht diskutieren. Jetzt haben wir so viel Geld reingeblasen dort unten. Geht nimmer. Das ist so."
Da ist Haustein pragmatisch, auch wenn er schon mal bei einer namentlichen Abstimmung über ein weiteres Hilfspaket seine Stimme nicht abgegeben hat. Der Liberale wird ernst, sehr ernst, wenn es um mehr Geld für Griechenland geht. Dass Bundesfinanzminister Schäuble im Wahlkampf über ein drittes Hilfsprogramm plaudert, ärgert ihn. "Keine Blankozusagen" – da ist sich Haustein mit seinem Außenminister Guido Westerwelle einig. Und auch Rainer Brüderles Ansicht teilt er, wer zu früh über weitere Hilfen diskutiere, der vermindere den Reformdruck auf die Griechen.
Auch der Haushaltspolitiker will bei diesem Thema hart bleiben. Zumal er darin eine gute Gelegenheit für seine FDP sieht, sich von der CDU deutlich abzugrenzen. Auch der neuen Partei, der eurokritischen "Alternative für Deutschland", kurz AfD, will der Liberale die Euro-Skeptiker unter den Wählern nicht alleine überlassen. Aus gutem Grund, mit rund um fünf Prozent – wie zur Zeit in den Umfragen – sei die FDP noch nicht auf der hundertprozentig sicheren Seite, sagt der Abgeordnete. Geschlagen aber gibt er sich noch lange nicht. Ganz wie die Bergleute in früheren Zeiten:
"Mit dieser Art und Weise. Mit Eisen und Stegel, haben die das reingekloppt. Und deswegen ist auch das, was uns eigen ist. Diese Beharrlichkeit. Das ist eine Bergmannstugend."
Zur Beharrlichkeit kommt ein thematisches Geschenk, das die Kanzlerin ihrem kleinen Koalitionspartner für den Wahlkampf gemacht hat: Die Soli-Debatte. Merkel will auf die Milliardeneinnahmen nicht verzichten. Der Solidaritätszuschlag muss im Jahr 2019 auslaufen, fordern dagegen die Liberalen, auch der Abgeordnete aus Sachsen. Der hofft, bei den Diskussionen darüber in der nächsten Legislaturperiode dabei sein zu können. Wenn es die FDP am 22. September über die Fünf-Prozent-Hürde schafft, ist Heinz-Peter Haustein auf Platz zwei der sächsischen Landesliste ziemlich sicher im neuen Bundestag drin. Für ihn ist der Wahltag doppelt spannend: Er tritt auch wieder als Bürgermeister in Deutschneudorf an. Beim letzten Mal holte er sage und schreibe gut 99 Prozent der Stimmen.
"99,23 Prozent. Das werde ich dieses Mal nicht mehr erreichen. Weil es da auch schon durch die Bundespolitik so gewisse Sachen gibt, wo die sagen, den wählen wir nicht mehr. Aber egal – Hauptsache, er wird gewählt."