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Bürgermeister des Front National
Stimmungsmache aus dem Rathaus

Seit seinem Erfolg bei den französischen Kommunalwahlen im Frühjahr regiert der Front National knapp ein Dutzend Rathäuser. Welche Politik machen die rechtsnationalen Bürgermeister, die im Wahlkampf gegen Muslime und Einwanderer gewettert hatten? Ein Ortsbesuch im Städtchen Mantes-la-Ville.

Von Margit Hillmann |
    "Patriotische Politik" will er machen: Cyril Nauth, Bürgermeister des rechtsextrmen Front National in Mantes-la-Ville
    "Patriotische Politik" will er machen: Cyril Nauth, Bürgermeister des rechtsextrmen Front National in Mantes-la-Ville ( AFP / FRED DUFOUR)
    Einfache Einfamilienhäuser, graue Wohnblöcke und ein paar kleine Geschäfte säumen die schmale Hauptstraße von Mantes-la-Ville. Das Rathaus der Zwanzigtausend-Einwohner-Stadt steht in einer Seitenstraße: Ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert mit verschnörkelter Fassade, von der die französische Trikolore weht. Lange hing dort auch eine Europafahne. Doch die hat der Bürgermeister gleich nach seiner Wahl einholen lassen.
    Cyril Nauth, heißt der neue Bürgermeister – Front-National-Parteimitglied und bis vor kurzem Geschichtslehrer in der Nachbarstadt. Der schlanke 33-Jährige – schicker schwarzer Anzug, kahlrasierter Kopf – bittet in sein großes Büro. "Patriotische" Politik will er in Mantes-la-Ville umsetzen, die verschuldete Stadt mit einer Arbeitslosenquote von 15 Prozent auf Vordermann bringen: "Keine Steuererhöhung; ich will mehr Sicherheit, mehr Polizisten einstellen und ein Video-Überwachungssystem in der Stadt installieren. Ich will, dass die Stadt sauberer ist. Außerdem will ich die Zahl der Sozialwohnungen verringern. In Mantes-la-Ville gibt es über 40 Prozent Sozialwohnungen."
    Ein Thema auf der Agenda
    Doch bisher hat der rechtsextreme Lokalpolitiker vor allem eines im Sinn: verhindern, dass die muslimische Gemeinde ein leerstehendes Behördengebäude in Mantes-la-Ville erwirbt und es zur Moschee umbaut. Deswegen weigert sich der Bürgermeister, den Kaufvertrag zu unterschreiben, den seine sozialistische Vorgängerin mit der muslimischen Gemeinde ausgehandelt hat.
    "Dass ich die Wahlen gewonnen habe, liegt auch daran, dass die Bürger von Mantes-la-Ville gegen die Moschee waren. Also habe ich es nach meinem Amtsantritt abgelehnt, den Kaufvertrag zu unterschreiben. Ich konnte als Bürgermeister nicht zulassen, dass die Muslime eine Moschee in die Nähe des Friedhofs und des Konzert- und Theatersaals unserer Stadt hinsetzen, wo es für Moscheebesucher auch sicher zu wenige Parkplätze gibt."
    Boykott eines Moscheeprojekts
    Der Front-National-Politiker habe schon als Kandidat die Bevölkerung gezielt manipuliert, um eine anti-muslimische Stimmung anzuheizen, kommentiert Saïd Benmouffok, Sozialist und Stadtrat von Mantes-la-Ville.
    "Es ist heute sehr einfach, den Leuten mit dem Islam Angst zu machen. Man verschickt entsprechende Botschaften über SMS oder die sozialen Netzwerke. Unglaubliche Dinge wurden da behauptet: dass die Moschee mit großen Minaretten gebaut werde; dass sich die Muslime einen Teil der Stadt aneignen wollen; dass das Rathaus die Moschee bezahlen würde und so weiter. Alles erfunden und völlig abwegig. Aber es ist sehr schwierig, diese Art von Desinformation hinterher richtigzustellen."
    Der Bürgermeister, der selbst nie in Mantes-la-Ville gelebt hat, boykottiert nicht nur das bereits vor Jahren beschlossene Moscheeprojekt. Er verlangt außerdem, dass die Muslime ihren aktuellen Gebetsraum am Standrand von Mantes-la-Ville räumen. Der Mietvertrag für den kleinen Flachbau sei abgelaufen, die Stadt als Eigentümerin werde die Muslime dort nicht länger dulden, droht Cyril Nauth.
    "Der muslimische Verein besetzt seit mehreren Monaten illegal das Gebäude. Das kann nicht so weitergehen. Wo die Muslime künftig beten, ist ihr Problem. Wir sind hier in Frankreich, in einer laizistischen Republik. Als Bürgermeister habe ich die Muslime nicht zu begünstigen oder ihnen bei der Suche nach einer anderen Gebetsstätte behilflich zu sein."
    Bürgermeister verweigert Dialog
    Am anderen Ende der Stadt pflastern zwei ältere Männer den Eingang zum Gebetsraum neu. Die Gläubigen wollen das marode und zu kleine Gebäude, in dem sich freitags rund 400 Menschen zum Gebet drängen, weiter nutzen – bis die Justiz entscheidet. Der muslimische Verein hat inzwischen das Rathaus wegen Vertragsbruchs verklagt. Wir hatten keine Wahl, klagt ihr Sprecher, Imam Abdelaziz El Jaouhari. Der Bürgermeister habe jeden Dialog verweigert.
    "Der Bürgermeister antwortet nicht mal auf schriftliche Bitten um einen Gesprächstermin, er redet nicht mit uns. Und weil er sich weigert, die Vereinbarungen zu respektieren, riskiert die Stadt Schadensersatzzahlung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Für ein Projekt, das die Stadt ursprünglich nicht einen Cent gekostet hätte! Aber den Schaden zahlt nicht Cyril Nauth oder sein Front National. Das wird an den Steuerzahlern hängen bleiben."
    Schweinefleisch im Briefkasten
    Der rechtsextreme Bürgermeister hetze permanent gegen die muslimische Gemeinde. Nie zuvor sei das Klima in der Stadt so muslimfeindlich gewesen: Schweinefleisch im Briefkasten, rassistische Beschimpfungen und Drohbriefe; mehrere Male wurden Autos von Gläubigen vor dem Gebetsraum oder nachts vor ihren Privatwohnungen demoliert. Doch Imam El Jaouhari und seine Gemeinde wollen einen kühlen Kopf behalten:
    "Die Mehrheit der Menschen in Mantes-la-Ville ist nicht rassistisch, nicht muslimfeindlich. Wir haben viel Unterstützung auch von Nicht-Muslimen und Bürgerinitiativen, die ihre Solidarität bekunden und die Prinzipien des Rechtsstaates verteidigen wollen. Denn lässt man zu, dass so mit den Muslimen der Stadt umgegangen wird, dann sind morgen andere dran. Wie das mit den Rechtsextremen enden kann, haben wir ja im letzten Jahrhundert gesehen."
    Beschwerden über FN-Bürgermeister häufen sich
    Ob in Mantes-la-Ville, im nordfranzösischen Henin-Beaumont und Hayange oder im Süden, in Städten wie Fréjus oder Béziers – überall häufen sich die Beschwerden über Front-National-Bürgermeister, die systematisch Kriegsflüchtlinge, Roma-Familien und die muslimische Bevölkerung traktieren und lokalen Bürgerrechtsinitiativen die Subventionen streichen. Außer einer rechtsextremen Ideologie hätten die nichts zu bieten, konstatiert Stadtrat Saïd Benmouffok aus Mantes-la-Ville.
    "Gestern Abend hatten wir wieder eine Stadtratssitzung. Die sind von Mal zu Mal erschreckender: Es passiert nichts! Die Stadt ist an einem toten Punkt angelangt. Der Bürgermeister hat nicht ein einziges ernsthaftes Projekt. Absolut null! Dabei ist das erste Jahr nach der Wahl entscheidend. Da werden die wichtigen Projekte auf den Weg gebracht, um sie vor Ablauf des Mandats realisieren zu können."