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Bürgermeister von Lemberg
Einen echten Neuanfang wagen

Andrej Sadowyji ist seit der politischen Wende in der Ukraine ein äußerst gefragter Gesprächspartner. Journalisten geben sich bei dem Oberbürgermeister von Lviv die Klinke in die Hand. Kein Wunder, denn was der 46-jährige Kommunalpolitiker im Westen der Ukraine erreicht hat, davon können seine Kollegen im Zentrum des Landes nur träumen.

Von Henryk Jarczyk |
    Blick auf die Stadt Lviv, ehemals Lemberg, im Westen der Ukraine
    Blick auf die Stadt Lviv, ehemals Lemberg, im Westen der Ukraine (dpa / picture alliance / Lyseiko)
    "Als ich vor acht Jahren das Amt des Oberbürgermeisters übernahm, war die Situation hier sehr schlimm. Wasser gab es nur vier Stunden morgens und vier Stunden abends. Die Straßen waren in einem katastrophalen Zustand. Es gab viele Probleme. Wir lösen sie Schritt für Schritt. Wir reden nicht darüber, wir handeln. Wenn auch in anderen Städten nach diesem Muster gearbeitet würde, dann könnte sich die Ukraine insgesamt ändern."
    Hehre Ziele. Allein die Umsetzung gestaltet sich landesweit etwas schwierig. Was vor allem an einer weitverbreiteten Korruption liegen dürfte. Was wiederum unter anderem an dem besonders starken Gefälle zwischen Reichtum und Armut, in erster Linie im Osten der Ukraine sichtbar werde. Um dies nachhaltig zu ändern, davon ist Andrij Sadowyji, fest überzeugt, sollte die Ukraine mehr auf kommunale Selbstverwaltung setzen. So wie es in vielen europäischen Ländern eben der Fall sei.
    "Ich möchte, dass in der Ukraine eine Dezentralisierung durchgeführt wird. Dass die Macht bei den Städten und Kommunen liegt. Dass es nicht mehr diese zentrale Machtusurpation gibt, die Politiker wie Janukowitsch möglich macht. Wenn die Menschen vor Ort die Dinge nicht selbst anpacken, dann wird es auch keine positiven Ergebnisse geben. Selbstorganisation, Selbstdisziplin, Selbsthilfe. Das ist die Formel, an die ich glaube und die ich vorschlage. Unsere Errungenschaften in Lviv der letzten sieben, acht Jahre, basieren auf Selbstverwaltung."
    Beim Stichwort Selbstverwaltung – das unterstreicht der Oberbürgermeister ganz besonders - habe sich Lviv vor allem an Beispielen aus der Schweiz und Deutschland orientiert. Und damit an Staaten, meint Andrij Sadowyji, in denen das föderale System – seiner Ansicht nach - besonders gut funktionieren würde.
    "Um dieses System auch bei uns verwirklichen zu können, muss man einen Staat aufbauen, in dem die Menschen gerne leben wollen. Das ist auch mein Ziel. Vor einem Jahr habe ich mit Gleichgesinnten eine Partei gegründet. Die Partei der Selbsthilfe. Ich suche Menschen in der ganzen Ukraine, die bei uns mitmachen wollen. Ich bringe ihnen die neue Denkweise bei."
    Und noch etwas – sagt der Oberbürgermeister von Lviv - sei in diesem Zusammenhang äußerst wichtig: landesweiter Gedankenaustausch.
    "Deshalb empfangen wir in Lviv jede Woche Studenten aus dem ganzen Ukraine. Von der Krim, aus Odessa, aus Mariupol, aus Charkiw, Donezk, Dniepropetrowsk. Studenten, die bisher noch nie in Lviv waren. Wir fahren auch in den Osten der Ukraine und veranstalten dort Informationstage. Die Einheit der Ukrainer wird nicht im Kabinett in Kiew vollzogen. Man muss miteinander reden und daran arbeiten."
    Und damit diese Arbeit nicht um sonst gewesen sei, betont Andrij Sadowyji, sollten so schnell wie möglich Parlaments- und Kommunalwahlen stattfinden. Nur so könnte in der gesamten Ukraine Vertrauen in die Verwaltung aufgebaut werden. Das klinge ganz einfach, sagt der Oberbürgermeister von Lviv, doch dahinter würde jede Menge harter Arbeit stecken. Aber es lohne sich, auch um eine Spaltung des Landes zu verhindern.