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Bürgermeisterwahl in Istanbul
Hitziges TV-Duell ohne eindeutigen Sieger

Es war das erste TV-Duell in der Türkei seit 17 Jahren: Bei ihrem Aufeinandertreffen eine Woche vor der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul gerieten AKP-Kandidat Binali Yildirim und Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu ein ums andere Mal aneinander. Bei den Wählern punkteten offenbar beide.

Von Karin Senz |
In einem Café in Diyarbakir schauen Menschen sich das TV-Duell der Istanbuler Bürgermeisterkandidaten an
TV-Duell zur Bürgermeisterwahl in Istanbul: Ekrem Imamoglu (CHP/l.) wirkte emotionaler, Binali Yildirim (AKP) ruhiger (AFP/ Ilyas Akengin)
Weit nach Mitternacht stellen sich die beiden Kandidaten mit ihren Familien und dem Moderator noch zu einem Foto auf - der Abschluss eines historischen und vor allem langen TV-Duells. In den drei Stunden wirkt der CHP-Kandidat Ekrem Imamoglu ungewöhnlich offensiv. Er wirft Binali Yildirim vor, zu AKP-Zeiten seien Steuergelder verschwendet worden. Außerdem sei das Land gespalten:
"Wenn ich über Armut in Istanbul rede und von Sozialhilfe, dann unterscheide ich doch nicht zwischen Kurden und Türken. Ich werde Bürgermeister aller 16 Millionen Bürger dieser Stadt sein. Die Spaltung der Gesellschaft ist nach Terrorismus das größte Übel in diesem Land."
Einschätzungen gehen auseinander
Binaili Yildirim, der AKP-Kandidat scheint deutlich ruhiger. Bei diesem Mann, der das TV-Duell in einem Cafe verfolgt, kommt das an: "Ekrem Imamoglu drückt sich gut aus. Aber Yildirims Glaubwürdigkeit ist höher." - Diese Frau wertet es genau andersrum: "Binali Yildirim ist zu passiv. Als wäre er etwas angespannt. Als wäre er unsicher. Imamoglu wirkt sicherer."
Ob Yildirim und seine Partei denn das zweite Wahlergebnis am kommenden Sonntag akzeptieren werden, egal wie es ausfällt, will der Moderator wissen:
Yildirim: "Wir sind immer bereit, Wahlergebnisse anzuerkennen. Aber Einsprüche gehören ebenfalls zum Prozedere, genau wie die Stimmenabgabe, die Wahl selbst auch. Und vielleicht werden ja diesmal nicht wir, sondern Herr Imamoglu Einspruch erheben."
Beide sind gut vorbereitet
Yildirim scheint sich manchmal etwas schwer zu tun mit ungewohnt kritischen Fragen. Dann antwortet schmallippig. Den Vorwurf, er dürfe erst jetzt selbst Wahlkampf betreiben, nachdem Präsident Erdogan die erste Runde dominiert habe, weist er zurück: "Nein, bei mir hat sich gar nichts geändert. Was ich vorher getan habe tue ich auch jetzt. Mir geht es um Istanbul."
Beide Kandidaten halten immer wieder Tafeln mit Statistiken in die Kamera, haben sich vorbereitet. Imamoglu wirkt aber deutlich emotionaler, kann seine Hände kaum ruhig halten: "Das ist nicht nur eine Kommunalwahl, ich bin ein gewählter Oberbürgermeister. Ein Bürgermeister, der seine Urkunde bekommen hat und 18 Tage lang im Amt war. Die Neuwahl ist ein Kampf um die Demokratie."
Bei diesem verbalen Kampf im Fernsehen geraten die beiden immer wieder aneinander, werfen sich gegenseitig Lügen vor. - Yildirim verlangt von Imamoglu, er müsse sich dafür bei den Istanbulern entschuldigen.
Versöhnliches Ende
Eigentlich ist der CHP-Kandidat bekannt dafür, bei seinen Wahlkampfauftritten den Gegner nicht direkt anzugreifen. Aber jetzt scheint er seine Chance nützen zu wollen, wo er ihn vor sich hat. Und auch mit dem Moderator legt sich Imamoglu an, als es um das starre Zeitkorsett von drei Minuten pro Antwort geht. Die Uhr tickt immer sichtbar mit. Da zeigt Binali Yildirim seine humorige Seite - er schenkt ihm zwei Sekunden von seiner Zeit.
Die Spannung löst sich in diesem Moment bei beiden Kandidaten. Zum Schluss entschuldigen sich sie sich sogar noch beieinander für etwaige Beleidigungen.