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Bürgerschaftswahlen
Bremens CDU will sich neu erfinden

Die Bürgerschaftswahl in Bremen Ende Mai könnte historisch werden. Zum ersten Mal seit 73 Jahren SPD-Regierung hat die CDU eine Chance, den Bürgermeister zu stellen. CDU-Herausforderer Carsten Meyer-Heder ist Quereinsteiger und Politik-Neuling. In Bremen kennt ihn noch kaum jemand.

Von Felicitas Boeselager |
Carsten Meyer-Heder (r), Spitzenkandidat der CDU und Carsten Sieling (SPD, l), Bürgermeister von Bremen, stehen während einem TV-Duell zur Bremer Bürgerschaftswahl nebeneinander.
CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder (rechts) mit Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) (dpa / picture-alliance / Carmen Jaspersen)
"Aber das ist schon mal ein ganz anderes Sortiment als man sonst so kennt"
"Ja, aber Du findest hier auch normalen mittelscharfen Senf, oder Maggi."
Viel mehr als diese Bemerkung zum Sortiment des türkischen Supermarkts im Bremer Stadtteil Sebaldsbrück wird Carsten Meyer-Heder bei diesem Besuch nicht sagen. Der Spitzenkandidat der Bremer CDU hat die Daumen in die Hosentasche gesteckt und überlässt das Reden seinen Wahlkampfhelfern.
"Das ist doch mal ein Plakat, oder?"
Vor dem Supermarkt zeigt Meyer-Heder auf ein orangenes Plakat, darauf ist ein dickes, schwarzes Ausrufezeichen, darunter steht kleiner sein Name. Die Plakate der CDU fallen auf: Sie sind knallorange, sollen hipp wirken. Meyer-Heder ist stolz auf die Kampagne, die ein Berliner Werber für ihn gemacht hat:
"Der hat mich gelesen, als Mensch. Und dann bin ich mit den ersten Entwürfen aus Berlin gekommen und hab gesagt, so jetzt zeigst Dus mal der Partei, dem Landesvorstand, da hab ich gedacht: Das geht nie durch. Ja, denkste. Sind alle drauf gesprungen und haben gesagt: Ja! Diesmal wollen wir echt was anders machen."
Mit Carsten Meyer-Heder macht die Bremer CDU etwas anders: Bis vor einem Jahr war er ein erfolgreicher Unternehmer in der IT-Branche. Seine Firma gilt als Bremer Vorzeigeunternehmen, beschäftigt über 1000 Mitarbeiter.
"Verstand, Herz und links" - Meyer-Hede hat alles
Für die Politik hat er sich nun aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Eine typische CDU-Karriere hat er nicht hingelegt, früher hat er die Grünen gewählt:
"Ich war Hippie. Ich hab mit langen Haaren in einer Höhle gesessen und hab jongliert. Aber jetzt, ne, es gibt ja diesen Spruch, wer mit 18 nicht links ist hat kein Herz und wer mit 30 immer noch links ist hat keinen Verstand. Ich hab also beides."
Ein Plakat von Carsten Meyer-Heder, Bremer CDU-Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl in Bremen 
Ein Wahlplakat von Carsten Meyer-Heder, Bremer CDU-Spitzenkandidat, wirbt um Wählerstimmen (dpa / picture alliance / Carmen Jaspersen)
Mit diesem ungewöhnlichen Kandidaten hofft die Bremer CDU etwas Historisches erreichen zu können: Die SPD das erste Mal seit 73 Jahren aus dem Rathaus zu vertreiben. Und die Chancen dafür stehen besser denn je, die CDU liegt laut letzten Umfragen mit 26 Prozent ein Prozent vor der SPD.
Von dem Supermarkt in Sebaldsbrück geht es weiter ins Bremer Szeneviertel Ostertor/Steintor.
Hier zeigt die knallige Kampagne der CDU Wirkung, der vor einem Jahr noch unbekannte Mann wird inzwischen auf der Straße angesprochen:
"Sie sind der große Konkurrent."
"Ja! Ja, genau. Ich bin von der Konkurrenz."
Meyer-Heder fällt auf
Meyer-Heder fällt auf: Er ist fast zwei Meter groß, trägt inzwischen eine Glatze und passend zur Kampagne einen orangenen Pullover und orangene Socken. Eine Passantin stellt eine Frage, die Meyer-Heder häufig beantworten muss, meistens stellt er dann eine Gegenfrage:
"Sie trauen sich das zu, ja?"
"Joa, das glaube ich schon."
"Sie glauben, wer ein Unternehmen leitet, kann auch einen Stadtstaat regieren?"
"Ja, das glaube ich schon, dass ist schon eine Grundsatzfrage, die sich jeder stellen muss: Glauben Sie, dass jemand, der 34 Jahre nur Politik gemacht hat, eine Stadt regieren kann?"
Carsten Sieling, Bremer Bürgermeister
Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) (dpa/ Carmen Jaspersen)
In der neuen Welt der Politik ist er noch nicht ganz angekommen
Eine Anspielung auf den politischen Gegner und Bremer Bürgermeister Carsten Sieling. Der und die gesamte SPD habe, sagt Meyer-Heder, Bremen in den vergangenen Jahren vor die Wand gefahren:
"Ne, es gibt ja nun ein paar Zahlen, die können wir ja nun nicht weg diskutieren, also wenn wir über Armut reden, über Verschuldung, über Arbeitslosigkeit, über Bildung, da ist Bremen überall auf dem letzten Platz und das muss sich irgendwann auch mal rächen."
Wenn Meyer-Heder an diesem Tag mit möglichen Wählern und Wählerinnen in Kontakt kommt, dann meistens, weil sie ihn erkennen, nicht weil er sie angesprochen hat. Der große Mann wirkt häufig unsicher, als sei er noch nicht ganz in der neuen Welt der Politik angekommen:
"Wie? Ich soll jetzt Karten verteilen?"
"Ja, warum nicht?"
"Ja, aber nur für die jungen Leute, oder?"
Zögerlich nimmt Meyer-Heder seiner Pressesprecherin den Stapel Material ab, drückt dann den Passanten eher beiläufig eine Karte, oder eine Birne in die Hand.
"Für was ist das denn?"
"Du musst einfach wählen gehen."
"Alles klar, gebongt."
An sich aber ist dieses Viertel ein hartes Pflaster für die CDU, hier würde die Partei nicht mal die Fünf-Prozent-Hürde nehmen.
Kurz bevor Meyer-Heder den Stand verlässt und zum nächsten zieht, versucht er einen jungen Wähler von sich zu überzeugen:
"Wir können doch einen Deal machen, wählen Sie doch einfach mal CDU, geben mir mal eine Chance, dann können sie ja nach vier Jahren wieder SPD wählen, wenn ich es auch nicht hinkriege."
"Und was bekomme ich dann dafür?"
"Also Deal ist ja immer, sie bekommen meine Stimme."
"Also ich nehme erstmal die Birne."
"Auf jeden Fall erstmal überhaupt wählen."
"Auf jeden Fall."