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Bürokratie, Bachelor und Bologna

Im Zuge der Bologna-Reform müssen alle Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditiert werden. Bisher allerdings können erst knapp die Hälfte der neuen Studiengänge ein sogenanntes Akkreditierungssiegel vorweisen, denn die Studiengang-Zulassung ist mit viel Arbeitsaufwand verbunden.

Von Armin Himmelrath |
    Georg Rümker sitzt in seinem Büro. Der Dezernent für Planung und Entwicklung an der Uni Wuppertal blättert in einem prall gefüllten Aktenordner: der Akkreditierungsantrag für einen Bachelor-Master-Studiengang für Bauingenieure. Rund 500 Seiten Papier sind dafür in monatelanger Arbeit zusammengestellt worden.

    "Dann gibt es ein sogenanntes Modulhandbuch. Das ist sozusagen der Kernblock. Da sehen Sie auch: Das sind hier etwa anderthalb Zentimeter eng bedrucktes Papier. Da wird jedes Studiengangmodul beschrieben: wie es heißt, wie lange es dauert, wer verantwortlich ist, wie groß der Umfang ist, wie groß der Arbeitsaufwand für die Studierenden ist. Und dann steht drin, was an angestrebten Lernergebnissen erwartet wird, und dann einige weitere Beschreibungen. Das ist sozusagen der Kern."

    Alle wesentlichen Informationen zum Studiengang sind hier zusammengefasst, damit die Akkreditierungskommission aus externen Fachleuten beurteilen kann, ob das Fach - wie geplant - studierbar ist, und ob es den Anforderungen des Arbeitsmarkts entspricht. Ein solches Informationspaket muss die Uni Wuppertal über jeden einzelnen ihrer 84 Studiengänge zusammenstellen; und das nicht nur einmal, sondern alle fünf oder sechs Jahre erneut, weil dann die Re-Akkreditierung ansteht, also die erneute Überprüfung. Viel Arbeit also, die den Fachbereichen und der Hochschulleitung da durch die Bologna-Reform aufgebürdet wurde, sagt Georg Rümker.

    "Das Verfahren so ist ein sehr langwieriges Verfahren. Das dauert immer etwa ein Jahr. Einen Studiengang zu akkreditieren, dauert etwa ein Jahr. Und sozusagen auch neue Planungen werden dadurch, ich sag mal: etwas träge. Ob man diese Verfahren etwas verschlanken könnte, darüber muss man immer wieder nachdenken."

    Dabei hat die Uni in Wuppertal durchaus Vorbildcharakter. Sie kann schon für fast alle Studiengänge ein Akkreditierungssiegel vorweisen. Eine traumhaft gute Quote im Vergleich zu anderen Hochschulen und Bundesländern sei das, sagt Verena Kloeters, kaufmännische Geschäftsführerin der Akkreditierungsagentur AQAS in Bonn.
    "Nach den Zahlen sind zurzeit 47 Prozent der Bachelor- und Masterangebote, die es derzeit in Deutschland gibt, akkreditiert. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Vorgaben in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sind. Es gibt Bundesländer, in denen ein Studiengang akkreditiert sein muss, damit er überhaupt starten darf, also damit in den neuen Bachelor- oder Masterstudiengang eingeschrieben werden darf. Und es gibt Bundesländer, in denen die neuen Studiengänge starten dürfen und die Akkreditierung innerhalb einer gewissen Zeit - zum Beispiel innerhalb von drei Jahren - nachziehen."

    Für Studierende in diesen Fächern bleibt ein gewisses Risiko: Niemand kann ihnen garantieren, dass dann in drei Jahren auch tatsächlich eine Akkreditierung erfolgen wird. Doch letztlich haben sie kaum eine andere Wahl, als sich auf diese Unsicherheit einzulassen, da ja die Hälfte der bundesweit rund 12.000 Studiengänge noch gar nicht begutachtet wurde. Kritisch reagieren auch viele Professoren. Sie beklagen neben dem zusätzlichen Arbeitsaufwand eine unzumutbare Einmischung in ihre Dienstgeschäfte, so wie Volker Stein, Wirtschaftsprofessor in Siegen:

    "Wir müssen schauen, dass wir das Akkreditierungswesen abschaffen, was uns im Detail vorschreibt, was wir im Grunde dürfen oder nicht dürfen, und so die ganze Flexibilität und Autonomie nimmt."

    Ein weiterer Kritikpunkt: Externe Gutachter könnten gar nicht ernsthaft bewerten, wie gut ein Studiengang wirklich sei. Das Feedback sei also unbrauchbar und trotzdem teuer: Bis zu 12.000 Euro kostet die Akkreditierung eines kompletten Studiengangs. Im Grunde handele es sich also bei der Akkreditierung vor allem um eine Lizenz zum Gelddrucken für die beauftragten Agenturen. Vorwürfe, die Verena Kloeters von AQAS zurückweist.

    "Die Akkreditierungsagenturen dürfen gar nicht gewinnorientiert arbeiten. Das ist eine der Voraussetzungen, um überhaupt als Akkreditierungsagentur in Deutschland zugelassen zu werden, dass man eben gemeinnützig ist und sämtliche Gremienmitglieder von Vorständen, über Gutachter bis hin zu den Personen, die in den Akkreditierungskommissionen sitzen, sind ehrenamtlich für die Agenturen tätig. Und von daher kann ich das mit der Gelddruckmaschine nicht unterschreiben."

    Auch Unidezernent Georg Rümker aus Wuppertal war am Anfang skeptisch. Doch mittlerweile, sagt er, sei die Universität froh, die erste Akkreditierungsrunde weitgehend überstanden zu haben.

    "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Akkreditierungsverfahren uns als Hochschule dazu zwingen, verstärkt dazu zwingen, über das nachzudenken, was wir in Sachen Studium und Lehre tun. Und wir müssen ja wirklich, wenn wir diese Unterlagen erstellen, intern klar werden: Wie wollen wir unsere Studenten ausbilden? Was wollen wir ihnen beibringen? Und welche Studienziele haben wir? Über diese Sachen verstärkt nachzudenken, und auch Erfahrungen der Studierenden - die werden ja auch befragt - in das Studium zurückzukoppeln. Ich denke, das ist ein ganz wichtiges Ergebnis."