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Attentat von Buffalo
Der international vernetzte Rechtsterrorismus

In der US-Stadt Buffalo tötet ein 18-Jähriger zehn Menschen. Er überträgt die Tat live, begründet sie ideologisch im Internet – und orientiert sich damit an vorherigen Attentaten. Der rechtsextreme Terrorismus ist längst weltweit miteinander verbunden. Doch dessen Strategien zu durchblicken, fällt Medien noch immer schwer.

Text: Michael Borgers | Miro Dittrich im Gespräch mit Brigitte Baetz |
Einschusslöcher in der Scheibe eines Supermarktfensters in Buffalo nach einem rechtsextremen Attentat
In den USA kommt es regelmäßig zu rassistisch motivierter Gewalt - so wie hier in Buffalo, wo ein Rechtsextremer zehn Menschen getötet hat. (IMAGO/UPI Photo)
Zwei Minuten. So lange soll die Übertragung dieses Mal nur gedauert haben, dann sei sie schon beendet worden, erklärte ein Sprecher von Twitch gegenüber Medien. Twitch gehört zum Amazon-Konzern, eigentlich werden hier Videospiele live gestreamt. Doch immer wieder nutzen auch Rechtsextreme das Portal, um ihre mörderischen Taten zu zeigen. So wie jetzt auch im Fall von Buffalo.
Eine Tat, bei der am Ende zehn Menschen ermordet und drei weitere verletzt sind, insgesamt elf dieser 13 Opfer sind schwarz. Der Täter, ein 18-jähriger Weißer, bezieht sich auf den rassistischen Anschlag im deutschen Halle von 2019. Auch dort konnte die Welt live im Internet mit dabei sein, wieder auf Twitch, ganze 36 Minuten lang. Und auch damals nennt der Täter Vorbilder, beispielsweise den Angriff auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch wenige Monate zuvor, bei dem 51 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt wurden. Ebenfalls gestreamt in Echtzeit.

Rechtsextremismusforscher widerspricht Einzeltätertheorie

Christchurch, Halle, nun Buffalo. Jedes Mal ist von Behörden und in Medien die Rede von „Einzeltätern“. Und jedes Mal weisen Experten auf die rechtsextremen Strukturen hin, die es gibt. Experten wie Miro Dittrich. Der Rechtsextremismusforscher beschäftigt sich bei der gemeinnützigen Organisation CeMAS mit Propaganda, Vernetzung und Radikalisierung dieser Szene. Für ihn steht fest: Es handelt sich nicht um „Einzeltäter“, sondern eine „Community“, die in einer digitalen Welt lebt, in der Grenzen keine Rolle spielen, so Dittrich im Deutschlandfunk. „Ja, diese Menschen handeln alleine im Sinne, dass sie alleine losziehen und ihre Taten begehen.“ Eigentlich aber würden sie im Rudel jagen.  

Nach dem Anschlag von Christchurch:

Es sei kein Zufall, dass diese Leute nach den gleichen Plänen handeln würden und sich dabei der Livestream etabliert habe, so Dittrich. „Dass die Inhalte immer die gleichen sind, zeigt ja ganz klar, dass es sich hier nicht um einzelne Personen handelt, die agieren, sondern sie aus einer Gemeinschaft kommen, die gleich denkt.“
Seit 2018 erlebe die Welt die neueste rechtsextreme Terrorwelle, deren Akteure sich über Plattformen wie 4chan miteinander austauschen würden. Auch Telegram spiele eine große Rolle als Ort, an dem viele Menschen an verschwörungsideologische Inhalte gelangt seien. Große Plattformen wie Facebook oder auch Twitch seien zwar besser darin geworden, rechtsextreme Inhalte auszuschließen, stellt Dittrich fest. Doch zu finden seien sie zum Teil auch dort weiterhin.

Linguist: Medien müssen Begriff bei „Manifest“ abwägen

Eine weitere Parallele bei fast allen rechtsextremen Attentätern ist der Bezug auf die Anschläge in Norwegens Hauptstadt Oslo und auf der Insel Utøya 2011, bei denen ein Rechtsterrorist 77 Menschen ermordet. Damals hinterlässt der Täter einen Text, den Medien „Manifest“ nennen. Dieser Begriff taucht seitdem immer wieder in der Berichterstattung auf, wenn Rassisten ihre Verbrechen schriftlich begründen wollen.
Der Aachener Sprachwissenschaftler Thomas Niehr mahnt zu einem vorsichtigen journalistischen Umgang mit dem Begriff. Die entscheidende Frage sei, ob Rechtsextreme den Begriff für ihre Texte tatsächlich selbst verwendet hätten. „Wenn dem so ist, würde ich es in distanzierende Anführungszeichen setzen und mögliche Bedenken hinsichtlich des Begriffs vielleicht zusätzlich noch thematisieren“, sagte der Linguist dem Deutschlandfunk.

Mehr zur Berichterstattung über Rechtsextremismus:

Der Täter von Norwegen begründete seine Morde auf gut 1.500 Seiten unter anderem mit der Idee, Europa müsse sich gegen eine zunehmende „Islamisierung“ zur Wehr setzen. Er selbst nannte seinen Text aber nicht „Manifest“. Dass Medien den Begriff in diesem Fall geprägt haben, hält Niehr deshalb für problematisch. Bei „Manifest“ erwarte er eine Struktur, so der Wissenschaftler, „und wenn das nur wirres Zeug ist, verdient das den Namen nicht“. Allerdings sei das am Ende politische, nicht sprachliche Kritik. Es gebe auch Menschen, die Hitlers „Mein Kampf“ plausibel und schlüssig fänden.
„Meiner Meinung nach sollte man vorsichtig sein bei einer Verwendung des Begriffes, das klingt wie etwas wirklich Wichtiges“, findet auch der Duisburger Professor für Soziologie und Politikwissenschaft Stefan Piasecki. Medien liefen Gefahr, möglicherweise etwas aufzuwerten, „was man bei näherem Hinsehen gesellschaftlich nicht aufwerten sollte“, sagte Piasecki dem Deutschlandfunk.

Rechte Schlagworte: von „Umvolkung“ und „White Replacement“

Hitler führte in „Mein Kampf“ den Mythos einer „jüdischen Weltverschwörung“ aus und kündigte bereits die rassistische Vernichtungspolitik an, die unter seiner Regierung Jahre später folgen sollte. Inhaltliches Fundament des Textes des norwegischen Massenmörders von 2011 ist die Idee einer „Islamisierung Europas“, die auch seine Nachahmer seitdem in ihren eigenen Erklärversuchen aufgreifen. So nun auch in Buffalo, wo der Täter das Schlagwort des „White Replacement“ verwendete.
In den USA hätten Medienschaffende wie Tucker Carlson und Laura Ingraham - beide moderieren bei Fox News - die Vorstellung einer „Umvolkung“ in den „konservativen Mainstream gebracht“, kritisierte auf Twitter die Journalistin und Historikerin Annika Brockschmidt.

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Und der Hamburger Kolonialforscher Jürgen Zimmerer (ebenfalls auf Twitter) kritisiert, dass auch in Deutschland Medien „Beihilfe zu geistiger Brandstiftung“ leisten würden, wenn sie etwa Schriftsteller Uwe Tellkamp (so wie jüngst die "Süddeutsche Zeitung") von einem „Personalwechsel“ sprechen ließen.

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In den USA würde inzwische ein Drittel der Bevölkerung der Erzählung eines "großen Austauschs" Glauben schenken, stellt Rechtsextremismusforscher Miro Dittrich fest. Bei Anschlägen, so wie jetzt in Buffalo, seien Medien deshalb auch gefragt, nicht nur auf Namen und Bilder der Täter zu verzichten, sondern auch, deren Gedanken nicht zu zitieren und so weiter zu verbreiten.