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Bulgarien
Sofias Spagat

Fast hundertprozentig abhängig von Russlands Gas ist Bulgarien. Als Nato-Mitglied steht das Land im Ukraine-Konflikt hinter der Haltung der Europäischen Union. Auch deshalb befürchtet Sofia einen Lieferstopp. Es wäre nicht der erste.

Von Ralf Borchard |
    Russlands Präsident Putin im Jahr 2011 bei der Inbetriebnahme einer Pipeline in Wladiwostock.
    Russlands Präsident Wladimir Putin setzt Gasvorkommen seines Landes als Druckmittel ein (afp / Dimitry Astakhov)
    Die Verkäufer auf dem zentralen Markt von Sofia sind sauer. "Ich komme seit 45 Jahren hierher, jetzt kann ich mein Obst und Gemüse kaum noch verkaufen, schimpft der Landwirt Georgi Latschew. Grund ist der russische Importstopp für Lebensmittel aus der EU. Tomaten aus Polen oder Trauben aus Griechenland etwa überschwemmen den bulgarischen Markt, die Preise sind im Keller. Ein Kilo Import-Tomaten kostet gerade noch 50 Stotinki, umgerechnet 25 Cent. Viele Bulgaren sind arbeitslos, viele Rentner arm, also kaufen sie das Billiggemüse, die bulgarischen Bauern bleiben auf ihrer Ware sitzen.
    Die größte Angst der Bulgaren aber ist eine ganz andere: die vor einem Stopp der russischen Gas-Lieferungen. Im Regierungspalast von Sofia hat Premierminister Georgi Blisnaschki Sorgenfalten auf der Stirn:
    "Die Ukraine-Krise hat sehr negative Auswirkungen auf Bulgarien", so Blisnaschki im ARD-Interview. "Unsere besondere Befürchtung ist, dass der russische Gastransit in die EU-Staaten, darunter eben Bulgarien, gestoppt werden könnte. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass den aggressiven Tendenzen der russischen Führung entgegnet werden muss. Wir tragen die EU-Sanktionen mit. Bulgarien ist ein stabiler und vertrauenswürdiger Partner der Nato und der EU."
    Blsinaschkis Worte machen einen politische Spagat deutlich. Einerseits ist die Zustimmung zur EU in keinem anderen Land so hoch wie hier. Andererseits bleibt Bulgarien eng mit Russland verbunden: kyrillische Schrift, verwandte Sprachen - beim Gas beträgt die Abhängigkeit von Russland fast 100 Prozent. Einen Lieferstopp haben die Bulgaren schon im Krisenwinter 2009 erlebt. Die Heizungen in den Wohnblocks von Sofia blieben kalt, es gab Stromausfälle in Krankenhäusern:
    "Es ist eine sehr komplexe und schwierige Aufgabe", sagt Premier Blisnaschki. "Wir versuchen, unter Zeitdruck alles mögliche in Richtung Diversifizierung der Gaslieferungen zu erreichen, durch gemeinsame Projekte mit Griechenland und Rumänien etwa, damit wir dem Winter etwas beruhigter entgegen sehen können."
    Angst vor dem Winter
    Blisnaschki, eigentlich Professor für Verfassungsrecht, ist nur Premier einer Übergangsregierung. Nach monatelangen Bürgerprotesten gegen Korruption und Vetternwirtschaft hatte die von den Sozialisten geführte Regierung nach nur gut einem Jahr abgedankt. Am 5. Oktober sind Neuwahlen. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass der Konservative Bojko Borissow erneut an die Macht kommt, er war bereits bis 2013 Regierungschef.
    "Die Bürgerproteste waren eine Art moralische Revolution für Bulgarien", sagt Übergangspremier Blisnaschki. " Es ist ein neues geistiges Klima entstanden. Es ist aber eine ganz andere Sache, ob das in offizielles Handeln übergeht."
    Für die einfachen Leute bleibt die Hoffnung, dass sich schnell etwas ändert in Bulgarien, gering:
    "Warum kommt das Geld der Regierung nie zu den kleinen Leuten, uns armen Bauern etwa", fragt dieser Verkäufer auf dem Markt von Sofia. "Die Subventionen bekommen die Großen, die Banditen. Zu uns Kleinbauern kommt höchstens das, was übrig bleibt."