Ganz oben hat Nenad Pejic sein Büro in der Sendezentrale am Rand von Prag. Der Chefredakteur von "Radio Free Europe" pendelt zwischen Washington und Prag, aber gerade ist er vor allem hier in Europa - jetzt, kurz vor dem Neustart von "Radio Free Europe" in Bulgarien und Rumänien.
"Viele dachten, das Thema ist erledigt, der Kommunismus ist tot, die Demokratie kommt. Ich selbst komme aus Bosnien, und deshalb weiß ich, so schnell geht das nicht. Die Demokratisierung ist keine einfache Rolle vorwärts. Aber was in den vergangenen zehn Jahren in der Region passiert ist - ich würde nicht unbedingt sagen, es ist ein Desaster, aber es ist sehr, sehr schlecht."
"Die Tycoons kontrollieren die Medien"
In Rumänien und Bulgarien sei die Pressefreiheit in Gefahr, sagt Nenad Pejic, und deshalb habe sich "Radio Free Europe" entschieden, zu handeln.
"Wenn man auf die Zahl der Titel schaut, dann wurde die Medienlandschaft natürlich diversifiziert. Aber eine große Zahl der Zeitungen, wenn nicht sogar alle, wurden von Tycoons gekauft. Die Regierungen kontrollieren die Tycoons, die Tycoons kontrollieren die Medien. Oder aber man hat Tycoons, die über die Medien einen Kampf miteinander ausfechten. Was dort im Journalismus fehlt, ist ein Mittelweg."
Im Einsatz für Menschenrechte und Medienfreiheit
Die Entscheidung von "Radio Free Europe" ist ein Politikum. Bislang galt es vielen Beobachtern als ein Indikator für die Reife der Demokratie, wenn "Radio Free Europe" in einem der früheren Ostblock-Staaten seine Sendungen eingestellt hatte. Die Gleichung schien lange klar. Das Programm sendet in solche Regionen, in denen sich die Demokratie erst entwickeln muss.
In den vergangenen Jahren aber habe sich die Aufgabe von "Radio Free Europe geändert", sagt Chefredakteur Nenad Pejic: "Lange Zeit wurden wir als ein Sender wahrgenommen, der gegen den Kommunismus ist. Das war aber nicht unsere Aufgabe, wir sollten einfach informieren. Aber dadurch gerät man natürlich in gewisser Weise in Gegnerschaft zu den Diktatoren und autoritären Regimen. Aber jetzt stehen wir auf der gleichen Seite wie die Regierungen. Die sind schließlich auch für Menschenrechte, für die parlamentarische Demokratie und für die Medienfreiheit. 'Radio Free Europe' hilft diesen Ländern dabei, die Ziele umzusetzen, die sie sich selbst mit dem Beitritt zur Europäischen Union gesteckt haben."
Neues Multimedia-Angebot im Internet
Zu diesen Zielen, ergänzt Pejic, gehörten eben auch Demokratisierung und eine funktionierende pluralistische Medienlandschaft. Und weil es da Defizite gäbe will "Radio Free Europe" im Dezember sein Angebot in Bulgarien und Rumänien starten. Derzeit werden die Teams dafür zusammengestellt. Jeweils einen Redaktionsleiter mit Sitz in Prag soll es geben, dazu ein Team von etwa fünf Leuten in jedem Land plus Freiberufler.
Inhaltlich will "Radio Free Europe" in Bulgarien und Rumänien einen neuen Weg probieren - nicht mehr mit Radiosendungen, sondern mit einem Multimedia-Angebot im Internet sollen die Nutzer erreicht werden. Als Zielgruppe werden die jungen Rumänen und Bulgaren genannt - jene also, die "Radio Free Europe" in den kommunistischen Zeiten höchstens als Kinder kennengelernt hatten.
So soll es statt Nachrichten vor allem Analysen geben und gut recherchierte Hintergrund-Geschichten, die im bisherigen Medienangebot fehlten. Nenad Pejic: "Eine sehr hochgestellte Person in Rumänien sagte mir, das ist großartig, dass ihr kommt. Mit den Medien bei uns ist es schwierig, die Leute haben keine Ahnung, was wirklich passiert."
Der US-Kongress entscheidet
Warum aber konzentriert sich "Radio Free Europe" ausgerechnet auf Bulgarien und Rumänien, wo doch auch beispielsweise in Polen und Ungarn die Pressefreiheit als bedroht gilt? Nenad Pejic überlegt kurz. Das liege daran, dass "Radio Free Europe" selbst nur Länder vorschlagen könne, in die man senden wolle - die endgültige Entscheidung treffe dann der US-Kongress.
"Rumänien und Bulgarien sind nicht die einzigen Länder, in die wir angeregt haben zurückzukehren. Aber für die beiden bekamen wir die Zustimmung. Meine persönliche Meinung ist, wir sollten auch in einige andere Länder zurückkehren, ganz klar." Das letzte Wort darüber, gibt Nenad Pejic zu verstehen, sei noch nicht gesprochen.