Nach der Einigung ist vor dem Streit. So geht es den Ministerpräsidenten der Länder und dem Bund nach der grundsätzlichen Einigung Mitte Oktober über die künftigen Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Was damals noch eine Absichtserklärung war, muss in diesen Tagen in ganz konkrete Gesetzesvorhaben gefasst werden.
Die Bundesländer kritisieren den Entwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble und werfen ihm vor, die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes auf Kosten der Länder erweitern zu wollen. So sagte der Finanzminister von Nordrhein Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD), Schäuble wolle den Föderalismus beerdigen.
Grundsätzliche Einigung auf neues Finanzsystem
Die Einigung vom Oktober beinhaltet jährliche Finanzhilfen des Bundes von gut 9,5 Milliarden Euro ab 2020. Im Gegenzug soll der Bund mehr Kompetenzen erhalten - etwa bei den Fernstraßen, der Steuerverwaltung oder bei Investitionen in Schulen. Finanzminister Schäuble pocht darauf, dass es bei dem vereinbarten Gesamtpaket bleibt.
So sollen etwa die finanzschwachen Ländern Saarland und Bremen ab 2020 jeweils 400 Millionen Euro jährlich als zusätzliche Sanierungshilfen erhalten. Der Bund verlangt dafür im Gegenzug den konsequenten Schuldenabbau und Mitspracherechte bei der Überwachung der Länderhaushalte. Für Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ist nachvollziehbar, dass die Länder, die Hilfe vom Bund in Anspruch nehmen, sich auch gewisse Mitspracherechte des Bundes gefallen lassen müssen - so Bouffier gegenüber der "Rheinischen Post".
Sellering fordert mehr
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), forderte dagegen weitere Zugeständnisse des Bundes, etwa im Blick auf die umstrittene Fernstrassengesellschaft. Da dürfe es keine Nachteile für die bisher in den Straßenbauverwaltungen der Länder beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, sagte Sellering ebenfalls der "Rheinischen Post".
Außerdem lehnen die Länder auch die mögliche Teilprivatisierung der Bundesfernstrassengesellschaft ab. Das müsse sichergestellt sein und das werde man gegenüber dem Bund noch einmal deutlich machen. Aber auch Erwin Sellering geht davon aus, dass eine Einigung gelingt. Für Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bewegt sich der Streit im ganz normalen Rahmen und werde auch zu einem guten Ergebnis führen.
Streitthema Unterhaltsvorschuss
Nach einer ersten Runde der Ministerpräsidenten am Vormittag finden die abschließenden Gespräche am Nachmittag im Kanzleramt statt. Morgen schon soll der Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet werden. Allerdings wird die mögliche Einigung von einer weiteren Frage überlagert: der Finanzierung des Unterhaltsvorschusses. Wird hier keine Einigung erzielt, könnte das ganze Paket doch noch hängen bleiben.
Die Länder fordern, dass der Bund mindestens die Hälfte der absehbaren Mehrkosten der Reform von Familienministerin Manuela Schwesig übernimmt. Der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende soll künftig nicht mehr nur bis zum 12. sondern bis zum 18. Lebensjahr der Kinder gezahlt werden. Die Kommunen können sich das Geld zwar vom zahlungspflichtigen Elternteil zurückholen. Das gelingt in der Praxis jedoch selten.
Der Bund geht von 790 Millionen Euro Mehrkosten und 260.000 zusätzlichen Anträgen aus, wenn künftig auch ältere Kinder Unterhaltsvorschuss erhalten. Die Länder sehen mehr als 450.000 neue Anträge auf sich zukommen und fürchten unkalkulierbare Kosten und überforderte Ämter.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederum will für die Reform keine zusätzlichen Bundesmittel aufbringen. Er bietet bislang nur eine Revisionsklausel an, über die die finanziellen Auswirkungen der Reform zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden sollen.