"Guten Abend, meine Damen und Herren! Der Streit über die Hartz IV-Reform ist offenbar zu Ende. Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundesrat billigte heute den Kompromiss."
"Nach dem Nein des Bundesrates zu Teilen des Klimapakets sucht jetzt der Vermittlungsausschuss nach einem Kompromiss."
Schlichten, wenn Bund und Länder streiten
Die Hartz-Reformen, der Digitalpakt für Schulen, das Klimapaket. Es sind häufig die großen, gesellschaftlichen Themen, die auf dem Tisch des Vermittlungsausschusses landen. Er soll schlichten, wenn Bund und Länder streiten. Immer dann, wenn der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat, das im Bundesrat aber am Veto der Länder scheitert, kann er eingesetzt werden.
"Und dann ruft entweder der Bundesrat selber den Vermittlungsausschuss an oder die Bundesregierung oder der Deutsche Bundestag ruft den Vermittlungsausschuss an. Damit dieses Gesetz dann doch noch in Kraft treten kann und auch noch irgendwie verabschiedet wird."
Die Einigung im Vermittlungsausschuss ist die letzte Rettung für Gesetze, erklärt Georg Kleemann. Er ist der stellvertretende Direktor des Bundesrates – und leitet die Geschäfte des Vermittlungsausschusses. Er ist derjenige, der im Gebäude des Bundesrats alles für die Verhandlungen vorbereitet. Und die sind streng vertraulich.
"Der Raum wird leicht verdunkelt, und die Vorhänge werden zugezogen, weil es sonst möglich wäre, von gegenüber aus dem Haus heraus hier rein zu filmen. Und das wollen wir natürlich verhindern."
Ministerpräsidenten verhandeln für den Bundesrat
16 Abgeordnete des Bundestages verhandeln dann mit 16 Mitgliedern des Bundesrates, für den Bundesrat fast immer die Ministerpräsidenten. Die Bundestagsabgeordneten hingegen bilden das Parlament im Kleinen ab: Spiegelbildlich zur Fraktionsstärke schickt jede Partei ihre Politikerinnen und Politiker in den Ausschuss. Auch die Bundesregierung darf dabei sein. Alle anderen aber – Mitarbeiter von Abgeordneten, Referentinnen aus Ministerien und die Presse müssen draußen bleiben. Georg Kleemann:
"Ja, so um die 100, 150 Leute sind das dann schon, die hier manchmal warten. Manchmal, wenn es spät in der Nacht wird, werden es auch immer weniger. Dann warten die Journalisten halt nicht mehr. Ja, es kommt natürlich auch sehr darauf an, was hier gerade verhandelt wird, ob es wirklich um eine Frage geht, die auch medial schon lange behandelt wurde, wie zum Beispiel damals bei den Hartz-Gesetzen. Da war das hier natürlich auch sehr voll."
Anfang Dezember 2003. Noch vor Weihnachten will die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder die Gesetze Hartz III und IV beschließen. Außerdem will sie massiv staatliche Subventionen abbauen. Die Regierung hat zwei große Probleme: Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als elf Prozent. Und: Der Staat verschuldet sich immer mehr, weil die Sozialausgaben mit jedem neuen Arbeitslosen steigen, während die Steuereinnahmen wegen der schlechten Wirtschaftslage sinken. Im Bundestag liefern sich SPD- und Unionspolitiker eine hitzige Debatte.
Mit der Agenda 2010 plant die rot-grüne Koalition den bis dahin größten arbeits- und sozialpolitischen Umbau in der Geschichte der Bundesrepublik. Kanzler Gerhard Schröder macht sogar seine politische Zukunft davon abhängig.
"Ich weiß, wie schwer das ist. Aber ich sage Ihnen eins: Mein politisches Schicksal will ich ganz bewusst verbinden mit der Durchsetzung dieser Reformforderung."
Agenda 2010 - schwarz-gelb regierte Länder legen Veto ein
Doch im Bundesrat legen die mehrheitlich schwarz-gelb regierten Länder ihr Veto ein – und schalten den Vermittlungsausschuss ein. Ein typischer Fall für ein Vermittlungsverfahren: Denn mit Protest aus den Bundesländern muss die Bundesregierung vor allem dann rechnen, wenn sie selbst im Bundesrat keine Mehrheit hat. Angela Merkel, zu diesem Zeitpunkt CDU-Chefin, Fraktionsvorsitzende der Union und damit Oppositionsführerin, weiß um die Macht der Union:
"Zwölf Monate nach der Bundestagswahl wäre es für die Union ein Leichtes, das Land vor die Wand fahren zu lassen. Mit unserer Mehrheit im Bundesrat, in Zahlen: neun von 16 Ministerpräsidenten stellt die Union. Es wäre ein Leichtes, das Land vor die Wand fahren zu lassen. Aber das wird es mit mir nicht geben."
Denn der Vermittlungsausschuss birgt für die Union eine Chance: Aus der Opposition heraus kann sie, gemeinsam mit den Unions-Ministerpräsidenten, die Hartz-Reformen noch verschärfen. An vorderster Front versucht das damals der hessische Ministerpräsident Roland Koch.
"Es war ja bei dieser Fragestellung auch so, dass die Grundsatzüberzeugungen, dass sich etwas ändern musste, eine durchaus gemeinsame war und ja auch das, was Herr Hartz und seine Kommission damals erarbeitet hatten, von der Unionsseite nicht prinzipiell abgelehnt, sondern nur in einigen sehr wesentlichen Fragen ergänzt und modifiziert werden sollte."
Koch, der in der eigenen Partei als rechtskonservativ gilt, nimmt die Verhandlungen in die Hand: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen künftig einfacher unter Tarif beschäftigt werden können. Arbeitslose sollen Jobangebote kaum noch ablehnen dürfen. Den Kündigungsschutz für kleine und mittlere Betriebe will die Union lockern. Schwierige Forderungen für die rot-grüne Koalition:
"Also, diese Lockerungen, die wollten wir gar nicht. Wir haben gesagt, man kann es ein bisschen flexibler gestalten."
"Also, diese Lockerungen, die wollten wir gar nicht. Wir haben gesagt, man kann es ein bisschen flexibler gestalten."
Gudrun Schaich-Walch führt die Verhandlungen für die SPD
Gudrun Schaich-Walch, zu jener Zeit stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, führt die Verhandlungen für die SPD. Die Sozialpolitikerin erzählt, dass sie in diesen Wochen vor allem zwei Dinge lernt: Schnell zu entscheiden, welche Zugeständnisse sie macht - und dabei die Schmerzgrenze der eigenen Fraktion genau zu kennen.
"Ich muss mit dem Ergebnis aus diesem Vermittlungsausschuss des Bundesrates zurück in den Bundestag. Und bevor ich natürlich in den Bundestag gehe und es dort im Plenum vorlege, muss ich damit zurück in meine Fraktion. Und in meiner Fraktion muss ich dann dafür kämpfen und es den Kolleginnen und Kollegen erklären, warum, wieso, weshalb das jetzt das Ergebnis ist."
Denn die Politikerin darf im Vermittlungsausschuss nur versprechen, was die eigene Fraktion mittragen wird. Doch das ist gar nicht so einfach: Denn es geht um hunderte Seiten von Vorschlägen und am Ende mitunter um Detailfragen.
"Es waren viele Wochen, es waren sehr, sehr lange Nächte, die wir auch hatten, weil man natürlich immer möglichst lange verhandeln möchte, solange man es irgendwie auch noch gut kann. Weil aus den ganzen Bundesländern kommen ja alle nach Berlin angereist und geflogen und übernachten in ihren Landesvertretungen. Also man reizt die Zeit voll aus."
Es herrscht striktes Alkoholverbot. Der Vorsitzende Henning Scherf, SPD, trinkt heißes Wasser pur, um durchzuhalten. Bei der Kompromissfindung geht es am Ende aber nicht nur um politische Kämpfe, auch Sympathie hilft, erinnert sich Roland Koch:
"Dass das Formale abbricht und Menschen miteinander reden, Menschen sich auch kennen, auch gut kennengelernt haben, und entgegen aller politischer Auseinandersetzungen. Ich habe das an dem Beispiel meines, immer einen roten Pullover tragenden, linken SPD-Kollegen Ludwig Stiegler versucht zu beschreiben, dass sich Menschen einfach auch persönlich mochten miteinander zu arbeiten. Und die Tatsache, dass man dieses gute Verhältnis nicht stören will einen dann auch dazu brachte Kompromisse einzugehen, die man, wenn die andere Seite einen ärgern würde, möglicherweise nie eingegangen wäre."
Koch und Steinbrück auf einer Wellenlänge
Auch mit einem anderen SPD-Mann versteht sich der CDU-Politiker Roland Koch damals gut – mit dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück. Der Fall dieser Politikerfreundschaft zeigt zwei Dinge: Erstens, wie Landeschefs Bundespolitik gestalten. Zweitens: Die Grenze dessen, was der Vermittlungsausschuss darf. Diese Grenze nämlich testen Koch und Steinbrück ganz bewusst aus.
"Dass wir ein Grenzgang hatten, wussten wir aus den Gründen, die mit dem Initiativverbot für den Vermittlungsausschuss ja zusammenhing."
Initiativverbot heißt: Der Vermittlungsausschuss darf keine eigenen Gesetzesvorschläge machen, sondern nur über Gesetze verhandeln, die der Bundestag schon beschlossen hat. Die Regel ist gewissermaßen die Kehrseite des Privilegs, dass der Vermittlungsausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt: Jedes Gesetz über das der Vermittlungsausschuss geheim verhandelt, muss der Bundestag vorher öffentlich debattiert haben. Schließlich steht der Vermittlungsausschuss am Ende eines Gesetzgebungsverfahrens – er soll Gesetze durch Kompromisse retten und keine neuen vorschlagen.
Roland Koch und Peer Steinbrück aber umgehen diese Regel. In ihrem Koch-Steinbrück-Papier planen sie – so sagen sie es – den größten Subventionsabbau in der Geschichte. Nach dem "Rasenmäherprinzip" sollen alle staatlichen Hilfen für zwei Jahre um jährlich vier Prozent gekürzt werden. Doch anstatt den regulären, aber langwierigen Weg zu gehen, das Papier über den Bundesrat im Bundestag einzubringen, verhandeln sie es nur im Vermittlungsausschuss.
"Hessen und NRW waren an der Stelle auch ehrlich gesagt Peer Steinbrück und Roland Koch, also Ministerpräsidenten, die an der nationalen Politik mitgewirkt haben. Das Wesen des Vermittlungsausschusses zeigt es am Ende, Deutschland wird eben nicht aus der nationalen Hauptstadt regiert, sondern Deutschland wird aus der nationalen Hauptstadt und den 16 Hauptstädten der Länder regiert. So ist unsere Verfassung."
Das Bundesverfassungsgericht stellt in mehreren Entscheidungen Jahre später fest: Die beiden Ministerpräsidenten hätten es erkennbar darauf angelegt, die öffentliche Debatte im Bundestag zu vermeiden. So geht es nicht.
Mit der Kritik, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu tagen, sieht sich der Vermittlungsausschuss immer wieder konfrontiert. Sollte das Gremium also überhaupt geheim verhandeln?
"Wenn ich in der Presse auf irgendwas festgenagelt bin, dann kann ich davon viel, viel schwerer einen Rückwärtsgang einlegen als zu sagen: 'Okay, jetzt nochmal, ich rede nochmal mit meinen Leuten, vielleicht hat da ja noch einer eine andere Idee'. Und das würde alles nicht funktionieren, wenn dieser Bereich öffentlich tagen würde. Mit Öffentlichkeit kann man auch Personen verbrennen."
Einsicht in die Verhandlungsprotokolle
Zwei Legislaturperioden später dürfen die Verhandlungsprotokolle eingesehen werden. Die Protokolle der letzten Verhandlungstage im Dezember 2003 dokumentieren: Alles sieht danach aus, dass es erst zum letztmöglichen Zeitpunkt zu einer Einigung kommen wird. Schließlich lassen sich die beiden Fraktionsvorsitzenden von SPD und Union, Franz Müntefering und Angela Merkel, von ihren Parteien selbst in den Vermittlungsausschuss wählen. Ein ungewöhnlicher Vorgang, denn ein Mitglied darf nur vier Mal in einer Legislatur gewechselt werden.
"Ja, mal ganz offen gesagt, an einer solchen Stelle erspart das Zeit und Telefongespräche, weil es selbstverständlich war in Diskussionen dort so, dass keiner im Vermittlungsausschuss ohne Absprache mit den Parteivorsitzenden irgendetwas entschieden hätte. Nur so sind wirklich große politische Reformen, die man über die Grenzen der Parteien hinweg organisieren muss, möglich gewesen."
Am Morgen des 15. Dezember 2003 steht schließlich der Kompromiss. Subventionen wie die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale werden gekürzt, allerdings nicht so pauschal wie Koch und Steinbrück es wollten. Die Union setzt sich mit ihrer Forderung durch, den Kündigungsschutz für Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern aufzuheben. Auf der anderen Seite verbucht die Koalition, dass die Tarifautonomie unangetastet bleibt. Und Kanzler Gerhard Schröder besteht die Machtprobe.
Falsches Bild der ständigen Blockade des Bundesrats
In der Öffentlichkeit aber entstehe häufig das Bild der ständigen Blockade des Bundesrats, beobachtet der Politikwissenschaftler Klaus Stüwe von der Universität Eichstätt-Ingolstadt: Der Professor wollte es deshalb ganz genau wissen.
"Ich habe dann einfach mal nachgezählt und habe die Statistiken angeschaut und gesehen: Es ist ja gar nicht so. Zwar gibt es die Blockademöglichkeiten, aber die Vermittlung, der Konsens, die Suche nach dem Kompromiss, die setzen sich viel stärker durch. Am Ende sind es nur ganz wenige Prozentpunkte von Gesetzen, bei denen sich Bundestag und Bundesrat überhaupt nicht einigen können."
Insgesamt 902 Mal wurde der Vermittlungssauschuss seit der ersten Verhandlung im Jahr 1950 bis 2017 angerufen. In fast 90 Prozent verlief die Einigung erfolgreich. Nur zwölf Prozent der Gesetze scheiterten endgültig. Warum es meist zur Einigung kommt, erklärt der Politikwissenschaftler Stüwe so: im Vermittlungsausschuss mache Opposition Spaß.
"Durch Einrichtung des Vermittlungsausschusses gibt auch für die Minderheiten eine Möglichkeit mitzuwirken, Kompromisse vorzuschlagen, um am Ende auch einen Konsens zu finden. Und diese Situation hat eine ungemein befriedende Lösung, weil sie die ewige Frustration, die es in anderen Demokratiemodellen gibt, bei uns eher vermeidet."
Den Kompromiss zu ermöglichen, war auch das Ziel des Parlamentarischen Rates, als er 1948/49 zur politischen Neuausrichtung der Bundesrepublik beriet – und sich den Vermittlungsausschuss ausdachte: Die Bundesrepublik brauchte starke Bundesländer, damit sich eine Machtübernahme wie durch die NSDAP und die jüngst gemachten Erfahrungen mit einer Diktatur nicht wiederholen würden, so die Grundidee.
Vetorecht - eine große Macht
Den Bundesrat statteten die Verfassungsgebenden deshalb mit einem Vetorecht aus: Alle Bundesgesetze, die Länderinteressen berühren, können die Länder mehrheitlich überstimmen. Und das ist eine große Macht: Denn fast 40 Prozent aller Gesetze sind solche Zustimmungsgesetze. Damit eine Blockade des Bundesrats aber nicht automatisch zum Scheitern eines Gesetzes führt, erschufen die Verfassungsgebenden den Vermittlungsausschuss.
"Ich halte diese Konzensorientierung, die das Grundgesetz in der Form des Vermittlungsausschusses in das Verfassungsrecht hineingeschrieben hat, für äußerst wichtig. Es ist ein Signal, dass Demokratie eben nicht nur von Sieg und Niederlage geprägt ist, nicht nur von Mehrheit und Minderheit, sondern dass am Ende auch die Verständigung und der Kompromiss von hoher Bedeutung sind. Und dass ist gewissermaßen institutionalisiert durch die Einrichtung des Vermittlungsausschusses."
Der Nachteil: Reformen können verwässern, weil am Ende immer der Kompromiss steht. Seit der Bundestagswahl 2013 aber zeichnet sich noch eine ganz andere Entwicklung ab: In der Legislaturperiode von 2013 bis 2017 wurde der Vermittlungsausschuss insgesamt nur zwei Mal eingeschaltet. Im Vergleich zu durchschnittlich 50 Vermittlungsversuchen in den Legislaturperioden davor. Ein Trend, der auch aktuell anhält. Warum?
Heute kann sich der Bundesrat kaum noch darauf einigen, ihn einzuschalten denn mindestens 35 von 69 Stimmen im Bundesrat braucht es dazu, wobei jedes Bundesland einheitlich abstimmen muss, damit seine Stimmen gültig sind. Das aber ist zu einer großen Hürde geworden: Denn in acht von sechzehn Ländern regieren inzwischen Dreierkoalitionen. Für sie ist schon die Einigung untereinander schwierig, sodass diese Länder sich häufig enthalten.
"Und deswegen sucht man nach anderen Wegen. Und diese anderen Wege sind vielfach informeller Art. Sie sind nicht vorgesehen in der Verfassung oder in irgendwelchen Geschäftsordnungen sondern man trifft sich informell in anderen Gremien und bespricht parteipolitisch oder aber auch im Hinblick auf den Föderalismus die Gesetze vor, bevor sie dann in den formalen Gesetzgebungsprozess kommen."
Die Bundespolitikerinnen und –politiker gehen also auf Länder zu, bevor sie ein Gesetz in den Bundestag einbringen und versuchen so, die Länderinteressen schon im Voraus einzupreisen. Zum Beispiel auf Konferenzen, bei denen Bundes- auf Landesminister treffen oder im Austausch der Ministerien untereinander.
Klimapaket landet im Vermittlungsausschuss
Allerdings: Immerhin ein großes Vermittlungsverfahren hat es auch in dieser Legislatur schon gegeben, erinnert sich der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses und CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe: Das Klimapaket der schwarz-roten Bundesregierung landet im Vermittlungs-ausschuss.
"Das kann man vielleicht insofern durchaus als ein klassisches Vermittlungsverfahren empfinden, weil es hier eine gemeinsame Überzeugung gab: Deutschland will Klimaschutz vorantreiben, mehr tun."
Bahnfahren soll durch eine Mehrwertsteuersenkung attraktiver werden, die Gebäudesanierung steuerlich gefördert und ein CO2-Preis eingeführt werden. So sieht es das Klimapaket der schwarz-roten Bundesregierung im Herbst 2019 vor. Die Länder aber wollen im Vermittlungsausschuss nachverhandeln – und zwar einstimmig. Dafür kommen in diesem Fall zwei Dinge zusammen: Die Grünen wollen die Klimagesetze verschärfen. Hinzu kommt:
"Am Ende ging es auch um die Frage, wenn Klimaschutz Geld kostet, wie werden diese Lasten fair zwischen den unterschiedlichen staatlichen Ebenen verteilt?"
Der Faktor Geld macht auch die übrigen Länder über parteipolitische Grenzen hinweg zu Verbündeten. Ein im Bundesrat häufig zu beobachtendes Phänomen: Geschlossen stehen die Länder dem Bund meist dann gegenüber, wenn sie sich vom Bund finanziell benachteiligt sehen. In diesem Fall befürchten die Länder, dass die Steuererleichterungen im Klimapaket vor allem die Landeshaushalte belasten werden und erreichten so am Ende, dass der Bund ihnen 1,5 Milliarden Euro als Ausgleich zahlt. Insgesamt aber sind die Hürden für ein Vermittlungsverfahren deutlich gestiegen:
"Die Parteienlandschaft ist bunter geworden, damit ist unterschiedliche Länderkonstellationen, die sozusagen den Aufwand des Aufeinanderzugehens größer und notwendiger und insofern ist die Aufgabe komplexer geworden und gleichzeitig gesellschaftlich vielleicht besonders notwendig."
Solange es viele Dreierkoalitionen in den Bundesländern geben wird, werden Vermittlungsverfahren deshalb seltener zustande kommen. Die Bereitschaft zum Kompromiss aber ist in diesen Zeiten notwendiger als je zuvor.
Die Sendung ist eine Wiederholung vom 3.10.2020.