Christoph Heinemann: Wenn ich jetzt ankündige, dass wir über die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern sprechen, dann schalten Sie bitte nicht gleich aus, denn erstens ist es wichtig und zweitens, man kann es ja auch romantischer ausdrücken. Wir beschäftigen uns gleich mit einem Kamingespräch - klingt doch schon ganz anders. Am Kamin schmieden die Bundesbildungs- und die Landeskulturministerinnen und Minister am Vorabend der eigentlichen Konferenz traditionell heiße Eisen, und da liegen zurzeit einige im Feuer: der Hochschulpakt, also Geld für zusätzliche Studienplätze, die Studienförderung, seit Generationen bekannt unter dem Kürzel BAFÖG, schließlich die Anerkennung von Lehrerdiplomen in allen Bundesländern. Da setzt der Bund den Ländern die Pistole auf die Brust und sagt, 50 Millionen Euro pro Jahr zahlt der Bund nur, wenn die Länder die Abschlüsse gegenseitig rechtsverbindlich anerkennen.
Die Deutsche Presseagentur hat die Verhältnisse der Lehrerausbildung einmal so zusammengefasst: In Bayern ist nach wie vor das erste Staatsexamen als Abschluss des Hochschulstudiums der Regelfall, in Baden-Württemberg werden Grund- und Hauptschullehrer immer noch an eigenständigen pädagogischen Hochschulen ausgebildet, die - die pädagogischen Hochschulen - in Hamburg bereits nach der (jetzt kommt's) "Reichsschulkonferenz" von 1920 abgeschafft wurden. In den anderen Bundesländern wurden die pädagogischen Hochschulen spätestens Ende der 70er-Jahre in die Universitäten integriert. Also Kraut und Rüben? - Gestern Abend das Kamingespräch mit der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka von der CDU. Guten Morgen!
Johanna Wanka: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Gab es weißen Rauch, was die Lehrerbildung betrifft und die Anerkennung am Kamin?
Wanka: Also, wir beschließen natürlich jetzt erst in der Sitzung, die heute Vormittag stattfindet, und wir haben im Moment positive Signale, dass der Entwurf, der Beschlussentwurf, der auf dem Tisch liegt, für die Qualifizierungsoffensive Lehrerbildung, dass der von allen mitgetragen wird. Aber definitiv wissen wir es erst nach der Sitzung.
Heinemann: Rechtsverbindlich?
Wanka: Ja, rechtsverbindlich. Das ist ja entscheidend. Also nicht, dass jemand, der von Berlin nach Bayern wechseln will oder woanders hin, nur Bestimmung hat, sein Abschluss kann anerkannt werden, sondern dass wirklich rechtsverbindlich und auch mit Fristen, bis wann das alle Länder in ihre Gesetze umgesetzt haben müssen, sodass es wirklich definitiv rechtsverbindlich ist, weil das ist entscheidend.
Heinemann: Frau Wanka, der Bund hatte ja gesagt, Geld gibt es nur bei Einigung. Hat sich die Erpressung gelohnt?
Wanka: Oh, das ist keine Erpressung, sondern ich denke, wenn Sie mal in die Bevölkerung schauen, dann gibt es da viele Vorbehalte gegen den Föderalismus, die immer daher resultieren, dass man die Hemmnisse sieht, was Sie eben gerade erzählten: Wechsel von einem Land in ein anderes. Deswegen ist es schon im Interesse der Eltern, der Studierenden, dass man, egal wo man studiert, wenn man die entsprechenden Standards erfüllt, dann seinen Abschluss anerkannt bekommt.
Heinemann: Wenn nicht Erpressung, dann nennen wir es mit Druck gefügig machen.
Wanka: Es ist eigentlich ein gutes Ziel anstreben und ich glaube, die Diskussion und die Haltung des Bundes hat sich ausgezahlt.
Heinemann: Frau Wanka, in zehn Jahren will der Bund rund 500 Millionen für die Lehrerbildung zahlen. Wofür genau?
Wanka: Da haben wir uns relativ schnell geeinigt schon vor Längerem, Bund und Länder. Es ist eine breite Palette von innovativen Projekten, die gefördert werden können. Es ist nicht eine Eliteförderung nur für einige wenige, sondern in der Breite der Lehramtsausbildung - die Hauptlast tragen da ja die Länder - gibt der Bund zu 100 Prozent zusätzliches Geld, damit zum Beispiel über Inklusion in der Lehramtsausbildung oder über anderes, Heterogenität, wie geht man damit um, wie verbessert man die Mathematiklehrer-Ausbildung, die unterschiedlichsten Projekte können gefördert werden. Und die Entscheidung, die Auswahl erfolgt in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren.
Heinemann: Ein weiteres Thema der Hochschulpakt, also Geld für die zusätzlichen Studienplätze. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um 2,2 Milliarden Euro mehr bis 2015. Werden die Länder die Hälfte zahlen?
Wanka: Wir haben uns, glaube ich, Bund und Länder, wirklich aufeinander zubewegt. Beide haben Abstriche gemacht. Und das, was jetzt, wenn wir das beschließen, was jetzt auf dem Tisch liegt, dann ist es erstmals seit 2007, scheint es dann gelungen, dass sich alle Länder wirklich zur Mitfinanzierungspflicht bekennen und dass das auch sehr transparent dargelegt wird, in welchen Jahresscheiben, in welchen Zeiträumen, und dass es nicht nebulös ist, wo man dann das eine oder andere hinterher versucht, als Gegenfinanzierung abzurechnen.
Heinemann: Was heißt, wir haben Abstriche gemacht?
Wanka: Na ja, zum Beispiel die Solidarleistung, die der Bund zahlt für die neuen Länder oder für die Stadtstaaten. Das trägt der Bund weiterhin in entscheidendem Maße alleine. Das sind Punkte. Aber eben, dass Länder, die bisher nicht co-finanziert haben, sich zur Mitfinanzierung verpflichtet haben und dass es sozusagen transparent ist, dass ganz klar ist, was hat ein Land wie Nordrhein-Westfalen in welchem Jahr an Summe hinzubringen, und dass das dann auch von den Finanzministern oder Ministerpräsidenten so bekräftigt wird. Damit haben wir etwas ganz Klares, Konkretes an Eurosummen vorliegen, was wir bisher nicht hatten. Da stand nur die nebulöse Formulierung, Gesamtfinanzierung wird sichergestellt, und das ist jetzt eine Konkretheit und ein Bekenntnis zur Mitfinanzierung, und da haben sich die Länder schon entscheidend bewegt.
Heinemann: Und wie wollen Sie überprüfen, dass die Länder wirklich das zahlen, was sie angekündigt haben?
Wanka: Wir haben ja die Modalitäten, wie wir überprüfen, auch besprochen und das muss sich jetzt in der Praxis bewähren. Aber auf jeden Fall ist es einfacher zu überprüfen. Bisher - Sie haben es ja gerade eingespielt - ist es außerordentlich schwierig, in Länderhaushalte einfach hineinzusehen, und deswegen haben wir jetzt konkrete Vorgaben und die kann man leichter überprüfen. Ich will gar nicht sagen, dass das nicht trotzdem noch schwierig ist, aber es ist eine Situation, die sehr, sehr viel besser ist, was die Transparenz anbetrifft, und die hat der Bund erwartet. Ich meine, bei den vielen Milliarden, da muss wirklich klar sein, im Interesse der Studierenden und der Hochschulen, dass wirklich nicht die Hälfte des Geldes ankommt, das was der Bund gibt, sondern dass die Länder die andere Hälfte drauflegen, weil dann haben wir qualitativ einen guten Studienplatz oder gute Studienplätze. Also im Interesse der Studierenden war der Bund an der Stelle ziemlich stur und wollte Mitfinanzierung und nicht nur hälftige.
Heinemann: Frau Wanka, Sie können also in Zukunft in Berlin auf Heller und Pfennig nachrechnen, was in Bayern, was in München ausgegeben wird jetzt für den Hochschulpakt?
Wanka: Ich hoffe es.
Heinemann: Das klingt aber noch so, da ist noch Luft nach oben, oder?
Wanka: Nein. Ich glaube, das, was wir jetzt als Verhandlungsergebnis haben, da ist nicht Luft nach oben, sondern das ist schon sehr konkret. Und die Mechanismen, wie man es überprüft, sind auch besprochen. Aber man kann nie sagen, dass es einfach ist.
Heinemann: Noch mal ganz kurz: Stimmt die Zahl? 2,2 Milliarden mehr bis 2015? Darum ging es?
Wanka: Ja. Auf jeden Fall wird der Bund seine Mittel für diesen Zeitraum um rund 2,2 Milliarden, also das sind rund 7 Milliarden Euro(*), erhöhen. Und weil Sie es vorhin sagten: Wir haben erfreulicherweise - das hat keiner vermutet, dass das in den Jahren so schnell gelingt - einen großen Ansturm auf die Universitäten, und sicher: doppelte Abiturjahrgänge, Wehrpflichtaussetzung. Aber 2007 war es so, dass 37 Prozent der jungen Leute von 100 eines Altersjahrgangs studiert haben, jetzt sind wir bei 50 Prozent. Das heißt, die Studierfreudigkeit hat sich so erhöht, dass wir sehr viel bessere Zahlen haben, Studienanfängerzahlen, als wir vermuteten, und es ist jetzt eine einmalige Chance und die müssen wir auch ergreifen - das ist im Interesse der Länder und des Bundes -, dass wir diese jungen Leute gut ausbilden, weil in zehn, 15 Jahren sind die Anfängerzahlen viel geringer, demografische Entwicklung, und dann brauchen wir die gut ausgebildeten jungen Leute, die jetzt in die Hochschulen kommen und dort eben ordentlich mit Geld von Bund und Ländern, mit doppeltem Geld ausgebildet werden sollen.
Heinemann: Frau Wanka, war es besonders intelligent, die Gymnasialzeit zu verkürzen und gleichzeitig dann auch noch die Wehrpflicht auszusetzen?
Wanka: Das in der Kombination hat insbesondere die Länder, die gerade den doppelten Abiturjahrgang haben, ganz schön ins Schwitzen gebracht, weil die Hochschulen sehr schnell reagieren mussten. Es musste sehr schnell neu aufgebaut werden, das war eine Situation, die nicht einfach zu bewältigen war.
Heinemann: Drittes Thema: Wer sollte künftig und wie lange durch BAföG finanziell unterstützt werden?
Wanka: Wir haben gestern Abend - und das war das Thema, was wirklich am Kamin vertraulich besprochen werden sollte - die Vorschläge vorgelegt, wo ich glaube, dass wir im BAföG-Bereich auf jeden Fall (es gibt noch mehrere Dinge) Veränderungen, Lebenswirklichkeit anpassen müssen, und da gab es eine hohe Akzeptanz vonseiten der Länder. Und ich freue mich, dass wir uns verabredet haben und gesagt haben, wir sagen jetzt nichts, wir warten bis nach der Bundestagswahl, wir nehmen die Wahlzeiten aus, sondern dass wir jetzt konsequent gemeinsam verhandeln, was wollen wir genau: Wollen wir jetzt die Bedarfssätze so viel erhöhen und dafür Teilzeitstudium zulassen in einem Maße, wie wollen wir den Verwaltungsvollzug bei BAföG vereinfachen. Es liegen Änderungsvorschläge konkret von uns vor und man muss jetzt politisch auch abschichten und entscheiden, was hat Priorität: Will man eher höhere Freibeträge und dafür vielleicht weniger stark bei Teilzeitstudien-Stipendien, also BAföG einsteigen. Das ist jetzt der Diskussionsprozess, auf den haben wir uns verabredet, und mein Interesse ist es, dass dort möglichst zügig gehandelt wird, damit man dann einen Gesetzentwurf in Angriff nehmen kann und damit man dann auch vonseiten des Bundes - und das ist wichtig für die Koalitionsverhandlungen - konkrete Summen hat. Und je eher wir uns jetzt bewegen, umso eher kann das in Kraft treten.
Heinemann: Bei der letzten BAföG-Reform haben sich die Länder am Schluss dann doch verweigert. Wieso sollte das diesmal anders sein?
Wanka: Ja, das hing etwas mit dem Spiel zusammen, dass uns damals, den Ländern - ich war ja damals auch Länderministerin -, eine Novelle, eine Gesetzesnovelle präsentiert wurde und man schlecht sich verweigern konnte. Das hat dann dazu geführt, dass es in den Vermittlungsausschuss kam und dass der Bund zum Schluss doppelt draufgelegt hat. Und deswegen mein Vorgehen, mit den Ländern erst vertraulich sprechen und dann, wenn eine große Akzeptanz besteht, wir wollen das gemeinsam, weil die Länder müssen ja über 30 Prozent zahlen und der Bund zwei Drittel, und deswegen dieser Weg: nicht was präsentieren und die anderen versuchen unter Druck zu setzen und es funktioniert nicht, sondern gemeinsam jetzt beraten, was sind die wichtigsten Punkte, wie wollen wir es mit der Altersgrenze halten, wie wollen wir das machen, wollen wir es überhaupt in Angriff nehmen. Und diese Frage, wollen wir es überhaupt in Angriff nehmen, die ist gestern Abend positiv beantwortet worden von den Ländern.
Heinemann: Unterm Strich hat man doch den Eindruck, dass in der Bildungspolitik das Verhältnis zwischen Bund und Ländern von tiefem Misstrauen gekennzeichnet ist.
Wanka: Ja, es geht um immer viel Geld und da muss man schon aufpassen und ich denke, dieses Aufpassen wie beim Hochschulpakt bedeutet nicht Misstrauen, sondern bedeutet immer daran denken, dass das Geld gut eingesetzt werden muss für die Schüler, für die Studenten, und dass wir da eine Menge Geld brauchen, und deswegen müssen dort Bund und Länder finanzieren. Und sicher gibt es auch, gab es auch Dinge, die nicht das Vertrauen befördert haben, aber ich glaube, gerade die Gespräche jetzt, die Kompromissbereitschaft, das hat sich jetzt doch, glaube ich, in den letzten Wochen gut entwickelt.
Heinemann: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vor der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Wanka: Auf Wiederhören!
(*) Anm. d. Red.: Im Interview ist an dieser Stelle irrtümlich von "700 Milliarden Euro" die Rede.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Deutsche Presseagentur hat die Verhältnisse der Lehrerausbildung einmal so zusammengefasst: In Bayern ist nach wie vor das erste Staatsexamen als Abschluss des Hochschulstudiums der Regelfall, in Baden-Württemberg werden Grund- und Hauptschullehrer immer noch an eigenständigen pädagogischen Hochschulen ausgebildet, die - die pädagogischen Hochschulen - in Hamburg bereits nach der (jetzt kommt's) "Reichsschulkonferenz" von 1920 abgeschafft wurden. In den anderen Bundesländern wurden die pädagogischen Hochschulen spätestens Ende der 70er-Jahre in die Universitäten integriert. Also Kraut und Rüben? - Gestern Abend das Kamingespräch mit der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka von der CDU. Guten Morgen!
Johanna Wanka: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Gab es weißen Rauch, was die Lehrerbildung betrifft und die Anerkennung am Kamin?
Wanka: Also, wir beschließen natürlich jetzt erst in der Sitzung, die heute Vormittag stattfindet, und wir haben im Moment positive Signale, dass der Entwurf, der Beschlussentwurf, der auf dem Tisch liegt, für die Qualifizierungsoffensive Lehrerbildung, dass der von allen mitgetragen wird. Aber definitiv wissen wir es erst nach der Sitzung.
Heinemann: Rechtsverbindlich?
Wanka: Ja, rechtsverbindlich. Das ist ja entscheidend. Also nicht, dass jemand, der von Berlin nach Bayern wechseln will oder woanders hin, nur Bestimmung hat, sein Abschluss kann anerkannt werden, sondern dass wirklich rechtsverbindlich und auch mit Fristen, bis wann das alle Länder in ihre Gesetze umgesetzt haben müssen, sodass es wirklich definitiv rechtsverbindlich ist, weil das ist entscheidend.
Heinemann: Frau Wanka, der Bund hatte ja gesagt, Geld gibt es nur bei Einigung. Hat sich die Erpressung gelohnt?
Wanka: Oh, das ist keine Erpressung, sondern ich denke, wenn Sie mal in die Bevölkerung schauen, dann gibt es da viele Vorbehalte gegen den Föderalismus, die immer daher resultieren, dass man die Hemmnisse sieht, was Sie eben gerade erzählten: Wechsel von einem Land in ein anderes. Deswegen ist es schon im Interesse der Eltern, der Studierenden, dass man, egal wo man studiert, wenn man die entsprechenden Standards erfüllt, dann seinen Abschluss anerkannt bekommt.
Heinemann: Wenn nicht Erpressung, dann nennen wir es mit Druck gefügig machen.
Wanka: Es ist eigentlich ein gutes Ziel anstreben und ich glaube, die Diskussion und die Haltung des Bundes hat sich ausgezahlt.
Heinemann: Frau Wanka, in zehn Jahren will der Bund rund 500 Millionen für die Lehrerbildung zahlen. Wofür genau?
Wanka: Da haben wir uns relativ schnell geeinigt schon vor Längerem, Bund und Länder. Es ist eine breite Palette von innovativen Projekten, die gefördert werden können. Es ist nicht eine Eliteförderung nur für einige wenige, sondern in der Breite der Lehramtsausbildung - die Hauptlast tragen da ja die Länder - gibt der Bund zu 100 Prozent zusätzliches Geld, damit zum Beispiel über Inklusion in der Lehramtsausbildung oder über anderes, Heterogenität, wie geht man damit um, wie verbessert man die Mathematiklehrer-Ausbildung, die unterschiedlichsten Projekte können gefördert werden. Und die Entscheidung, die Auswahl erfolgt in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren.
Heinemann: Ein weiteres Thema der Hochschulpakt, also Geld für die zusätzlichen Studienplätze. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um 2,2 Milliarden Euro mehr bis 2015. Werden die Länder die Hälfte zahlen?
Wanka: Wir haben uns, glaube ich, Bund und Länder, wirklich aufeinander zubewegt. Beide haben Abstriche gemacht. Und das, was jetzt, wenn wir das beschließen, was jetzt auf dem Tisch liegt, dann ist es erstmals seit 2007, scheint es dann gelungen, dass sich alle Länder wirklich zur Mitfinanzierungspflicht bekennen und dass das auch sehr transparent dargelegt wird, in welchen Jahresscheiben, in welchen Zeiträumen, und dass es nicht nebulös ist, wo man dann das eine oder andere hinterher versucht, als Gegenfinanzierung abzurechnen.
Heinemann: Was heißt, wir haben Abstriche gemacht?
Wanka: Na ja, zum Beispiel die Solidarleistung, die der Bund zahlt für die neuen Länder oder für die Stadtstaaten. Das trägt der Bund weiterhin in entscheidendem Maße alleine. Das sind Punkte. Aber eben, dass Länder, die bisher nicht co-finanziert haben, sich zur Mitfinanzierung verpflichtet haben und dass es sozusagen transparent ist, dass ganz klar ist, was hat ein Land wie Nordrhein-Westfalen in welchem Jahr an Summe hinzubringen, und dass das dann auch von den Finanzministern oder Ministerpräsidenten so bekräftigt wird. Damit haben wir etwas ganz Klares, Konkretes an Eurosummen vorliegen, was wir bisher nicht hatten. Da stand nur die nebulöse Formulierung, Gesamtfinanzierung wird sichergestellt, und das ist jetzt eine Konkretheit und ein Bekenntnis zur Mitfinanzierung, und da haben sich die Länder schon entscheidend bewegt.
Heinemann: Und wie wollen Sie überprüfen, dass die Länder wirklich das zahlen, was sie angekündigt haben?
Wanka: Wir haben ja die Modalitäten, wie wir überprüfen, auch besprochen und das muss sich jetzt in der Praxis bewähren. Aber auf jeden Fall ist es einfacher zu überprüfen. Bisher - Sie haben es ja gerade eingespielt - ist es außerordentlich schwierig, in Länderhaushalte einfach hineinzusehen, und deswegen haben wir jetzt konkrete Vorgaben und die kann man leichter überprüfen. Ich will gar nicht sagen, dass das nicht trotzdem noch schwierig ist, aber es ist eine Situation, die sehr, sehr viel besser ist, was die Transparenz anbetrifft, und die hat der Bund erwartet. Ich meine, bei den vielen Milliarden, da muss wirklich klar sein, im Interesse der Studierenden und der Hochschulen, dass wirklich nicht die Hälfte des Geldes ankommt, das was der Bund gibt, sondern dass die Länder die andere Hälfte drauflegen, weil dann haben wir qualitativ einen guten Studienplatz oder gute Studienplätze. Also im Interesse der Studierenden war der Bund an der Stelle ziemlich stur und wollte Mitfinanzierung und nicht nur hälftige.
Heinemann: Frau Wanka, Sie können also in Zukunft in Berlin auf Heller und Pfennig nachrechnen, was in Bayern, was in München ausgegeben wird jetzt für den Hochschulpakt?
Wanka: Ich hoffe es.
Heinemann: Das klingt aber noch so, da ist noch Luft nach oben, oder?
Wanka: Nein. Ich glaube, das, was wir jetzt als Verhandlungsergebnis haben, da ist nicht Luft nach oben, sondern das ist schon sehr konkret. Und die Mechanismen, wie man es überprüft, sind auch besprochen. Aber man kann nie sagen, dass es einfach ist.
Heinemann: Noch mal ganz kurz: Stimmt die Zahl? 2,2 Milliarden mehr bis 2015? Darum ging es?
Wanka: Ja. Auf jeden Fall wird der Bund seine Mittel für diesen Zeitraum um rund 2,2 Milliarden, also das sind rund 7 Milliarden Euro(*), erhöhen. Und weil Sie es vorhin sagten: Wir haben erfreulicherweise - das hat keiner vermutet, dass das in den Jahren so schnell gelingt - einen großen Ansturm auf die Universitäten, und sicher: doppelte Abiturjahrgänge, Wehrpflichtaussetzung. Aber 2007 war es so, dass 37 Prozent der jungen Leute von 100 eines Altersjahrgangs studiert haben, jetzt sind wir bei 50 Prozent. Das heißt, die Studierfreudigkeit hat sich so erhöht, dass wir sehr viel bessere Zahlen haben, Studienanfängerzahlen, als wir vermuteten, und es ist jetzt eine einmalige Chance und die müssen wir auch ergreifen - das ist im Interesse der Länder und des Bundes -, dass wir diese jungen Leute gut ausbilden, weil in zehn, 15 Jahren sind die Anfängerzahlen viel geringer, demografische Entwicklung, und dann brauchen wir die gut ausgebildeten jungen Leute, die jetzt in die Hochschulen kommen und dort eben ordentlich mit Geld von Bund und Ländern, mit doppeltem Geld ausgebildet werden sollen.
Heinemann: Frau Wanka, war es besonders intelligent, die Gymnasialzeit zu verkürzen und gleichzeitig dann auch noch die Wehrpflicht auszusetzen?
Wanka: Das in der Kombination hat insbesondere die Länder, die gerade den doppelten Abiturjahrgang haben, ganz schön ins Schwitzen gebracht, weil die Hochschulen sehr schnell reagieren mussten. Es musste sehr schnell neu aufgebaut werden, das war eine Situation, die nicht einfach zu bewältigen war.
Heinemann: Drittes Thema: Wer sollte künftig und wie lange durch BAföG finanziell unterstützt werden?
Wanka: Wir haben gestern Abend - und das war das Thema, was wirklich am Kamin vertraulich besprochen werden sollte - die Vorschläge vorgelegt, wo ich glaube, dass wir im BAföG-Bereich auf jeden Fall (es gibt noch mehrere Dinge) Veränderungen, Lebenswirklichkeit anpassen müssen, und da gab es eine hohe Akzeptanz vonseiten der Länder. Und ich freue mich, dass wir uns verabredet haben und gesagt haben, wir sagen jetzt nichts, wir warten bis nach der Bundestagswahl, wir nehmen die Wahlzeiten aus, sondern dass wir jetzt konsequent gemeinsam verhandeln, was wollen wir genau: Wollen wir jetzt die Bedarfssätze so viel erhöhen und dafür Teilzeitstudium zulassen in einem Maße, wie wollen wir den Verwaltungsvollzug bei BAföG vereinfachen. Es liegen Änderungsvorschläge konkret von uns vor und man muss jetzt politisch auch abschichten und entscheiden, was hat Priorität: Will man eher höhere Freibeträge und dafür vielleicht weniger stark bei Teilzeitstudien-Stipendien, also BAföG einsteigen. Das ist jetzt der Diskussionsprozess, auf den haben wir uns verabredet, und mein Interesse ist es, dass dort möglichst zügig gehandelt wird, damit man dann einen Gesetzentwurf in Angriff nehmen kann und damit man dann auch vonseiten des Bundes - und das ist wichtig für die Koalitionsverhandlungen - konkrete Summen hat. Und je eher wir uns jetzt bewegen, umso eher kann das in Kraft treten.
Heinemann: Bei der letzten BAföG-Reform haben sich die Länder am Schluss dann doch verweigert. Wieso sollte das diesmal anders sein?
Wanka: Ja, das hing etwas mit dem Spiel zusammen, dass uns damals, den Ländern - ich war ja damals auch Länderministerin -, eine Novelle, eine Gesetzesnovelle präsentiert wurde und man schlecht sich verweigern konnte. Das hat dann dazu geführt, dass es in den Vermittlungsausschuss kam und dass der Bund zum Schluss doppelt draufgelegt hat. Und deswegen mein Vorgehen, mit den Ländern erst vertraulich sprechen und dann, wenn eine große Akzeptanz besteht, wir wollen das gemeinsam, weil die Länder müssen ja über 30 Prozent zahlen und der Bund zwei Drittel, und deswegen dieser Weg: nicht was präsentieren und die anderen versuchen unter Druck zu setzen und es funktioniert nicht, sondern gemeinsam jetzt beraten, was sind die wichtigsten Punkte, wie wollen wir es mit der Altersgrenze halten, wie wollen wir das machen, wollen wir es überhaupt in Angriff nehmen. Und diese Frage, wollen wir es überhaupt in Angriff nehmen, die ist gestern Abend positiv beantwortet worden von den Ländern.
Heinemann: Unterm Strich hat man doch den Eindruck, dass in der Bildungspolitik das Verhältnis zwischen Bund und Ländern von tiefem Misstrauen gekennzeichnet ist.
Wanka: Ja, es geht um immer viel Geld und da muss man schon aufpassen und ich denke, dieses Aufpassen wie beim Hochschulpakt bedeutet nicht Misstrauen, sondern bedeutet immer daran denken, dass das Geld gut eingesetzt werden muss für die Schüler, für die Studenten, und dass wir da eine Menge Geld brauchen, und deswegen müssen dort Bund und Länder finanzieren. Und sicher gibt es auch, gab es auch Dinge, die nicht das Vertrauen befördert haben, aber ich glaube, gerade die Gespräche jetzt, die Kompromissbereitschaft, das hat sich jetzt doch, glaube ich, in den letzten Wochen gut entwickelt.
Heinemann: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vor der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Wanka: Auf Wiederhören!
(*) Anm. d. Red.: Im Interview ist an dieser Stelle irrtümlich von "700 Milliarden Euro" die Rede.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.