Friedbert Meurer: Der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch hat einer 79-jährigen Rentnerin geholfen zu sterben, weil sie Angst vor dem Pflegeheim hatte. Kusch leitet den Verein "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe e. V." und er wirbt dabei auch unter anderem für einen Injektionsautomaten, mit dem sich ein sterbewilliger Mensch selbst auf Knopfdruck töten kann. Dieser Automat kam bei der 79jährigen Frau allerdings nicht zum Einsatz, wohl weil sie nicht unheilbar krank war. Kusch wird nun massiv angegriffen. Einige Bundesländer wollen heute über den Bundesrat organisierte Sterbehilfe unter Strafe stellen. Kusch dagegen hat sich gestern hier im Deutschlandfunk verteidigt. Er als Jurist habe der Würzburgerin geholfen, weil das Standesrecht der Bundesärztekammer Ärzten eine solche Hilfe verbiete.
Roger Kusch: Es ist ein unhaltbarer, wirklich ein geradezu unmenschlicher Zustand, dass nach den Standesregeln des deutschen Standesrechts Ärzte nicht beim Suizid helfen dürfen. Und so bleibt überhaupt nichts anderes übrig, als dass jemand wie ich, der kein Arzt ist, diesen Part übernimmt. Ich habe mich bemüht, Frau Schardt auch mit Ärzten in Kontakt zu bringen, und deshalb war die Rolle, die ich dann übernommen hatte, mit den Fähigkeiten, nämlich zunächst mal einem juristischen Staatsexamen und leider keinem medizinischen, für mich schwierig. Aber ich habe mich bemüht, diese Schwierigkeiten zu meistern.
Meurer: Roger Kusch. - Am Telefon begrüße ich jetzt den Präsidenten der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe. Guten Morgen Herr Hoppe.
Jörg-Dietrich Hoppe: Guten Morgen Herr Meurer.
Meurer: Ist ihr Standesrecht dort tatsächlich unhaltbar und unmenschlich?
Hoppe: Das Standesrecht, das formalisierte Standesrecht enthält einen solchen Passus überhaupt nicht. Es ist eine Tradition seit dem von Ihnen erwähnten Hippokrates, dass Ärzte Menschen nicht töten - und zwar aus dem Grunde, weil das eine vertrauensstörende Wirkung hätte. Die Menschen, die sich in ärztliche Hand begeben oder mit Ärzten Vertragsbeziehungen aufnehmen, um das formal zu sagen, müssen darauf vertrauen können, dass diese Ärzte auf ihr Leben hinwirken und nicht möglicherweise im Hinterkopf auch den Tod für diesen Patienten ins Auge fassen. Dieses Vertrauensverhältnis würde gestört, wenn es zum ärztlichen Handwerkszeug gehörte, auch zu töten. Das steht nirgendwo kodifiziert. Es ist also nicht etwa Standesrecht, wie Herr Kusch meint, sondern es ist eine Tradition und eine Verhaltensweise. Wir haben in unseren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung geschrieben, eine Beihilfe zum Suizid ist für Ärzte von ihrer Berufsauffassung her nicht vertretbar. Sie ist unärztlich. Ein Arzt wird genauso behandelt wie andere Leute.
Meurer: Die Beihilfe zum Suizid, Herr Hoppe, ist strafrechtlich keine Straftat. Sie sagen, es ist zwar nicht Standesrecht, aber trotzdem sagen Sie, das darf ein Arzt nicht tun.
Hoppe: Ja. Das ist sozusagen ein nicht aufgeschriebener Kodex, der eine Tradition über Jahrtausende hat - aus den Gründen die ich eben genannt habe -, weil eine vertrauensstörende Wirkung eintreten kann.
Meurer: Dann frage ich ist diese Tradition, Herr Hoppe, vielleicht inhuman?
Hoppe: Nein, die ist nicht inhuman. Ärzte machen Palliativmedizin und wollen, dass Menschen, die eine schwere Krankheit haben, die Schmerzen haben, die Angst haben, davon befreit werden und mit ihrem Leiden fertig werden, bis ihr Leben zu Ende gegangen ist, denn das Sterben ist ja ein Anteil des Lebens. Das alles traf ja für die Dame aus Würzburg, die hier bei Herrn Dr. Kusch in Rede steht, nicht zu. Das war ja eine ganz andere Situation. Aber es geht hier ja um ärztliche Hilfe und ärztliche Hilfe, ärztlicher Beistand beim Suizid gesunder Leute, die nur Sorgen vor etwas haben, das ist völlig undenkbar.
Meurer: Herr Hoppe, wie häufig kommt es in der Praxis in Krankenhäusern vor, oder auch zu Hause, wenn jemand zu Hause im Sterben liegt, dass Ärzte doch ich sage mal ein Medikament verschreiben, eine Schmerzmedizin verschreiben, von der sie wissen, wenn die in der Dosis eingenommen wird führt das zum Tod, und dann gehen sie eben aus dem Haus oder aus dem Zimmer und dann ist das letztlich auch Beihilfe?
Hoppe: Das weiß niemand. Es mag sein, dass das vorkommt, aber wir bekommen keine Anzeigen in diese Richtung. Wir haben einen einzigen rechtlichen Fall gehabt, der sich in Krefeld ereignet hat, der dann vor Gericht gegangen ist. Als ein Arzt merkte, dass seine Patientin sich mit Medikamenten so sehr versorgt hatte, dass sie daran sterben müsste, hat er keine Hilfeleistung mehr geleistet, sondern er hat die Dame sterben lassen. Das Gericht hat ihm dann später zugebilligt, dass sein Verhalten richtig war. In dem konkreten Fall mag das so sein, aber in der Regel ist es nicht so, dass Ärzte dort nicht helfend eingreifen müssen, denn das Töten oder die Beihilfe zum Suizid ist eine Angelegenheit, die einfach von Ärzten nicht gemacht werden soll, weil die Vertrauensbeziehung dann für viele zerstört wird. Wir erleben es ja in unserem Nachbarland Holland, dass ältere Leute aus diesem Land nach Deutschland umziehen, weil sie die Sorge haben, dass sie auch ungefragt vom Leben zum Tode befördert werden, weil man davon ausgeht, dass sie sich das wünschen würden, falls sie geschäftsunfähig sind, dass sie sich das sogar wünschen würden, weil sie sich dann, wenn sie geschäftsunfähig sind, so benehmen würden, wie geschäftsfähige Leute das tun würden. So nimmt man das wenigstens an.
Meurer: Haben Sie eben gesagt "in der Regel und das soll so sein"? Das heißt in extremen Ausnahmefällen, Herr Hoppe, akzeptieren Sie Ausnahmen?
Hoppe: Nein. Wir machen das so: Es wird eine Palliativmedizin gemacht. Dabei kann es eine so genannte terminale Sedierung geben. Das bedeutet, dass ein Mensch Medikamente bekommt, die ihn befreien von Angst und Schmerz und möglicherweise auch sein Bewusstsein eintrüben oder das Bewusstsein sogar ganz entfernen. Es ist umstritten, ob durch eine solche Medikation das Restleben verkürzt wird oder nicht. Manche sagen, das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Frist bis der Tod eintritt kann sich sogar noch verlängern. Andere sagen: Das wird verkürzt werden, weil zum Beispiel die Atmung eine schwächere wird. Das kann niemand genau ermitteln, weil man ja nicht weiß, wann dieser Patient verstorben wäre, wenn man überhaupt nichts gemacht hätte. Früher sagte man dazu "indirekte Sterbehilfe"; heute sagen wir Palliativmedizin und diese Palliativmedizin muss halt unterschiedlich ausgeübt werden, je nachdem angepasst für den Zustand des Patienten.
Meurer: Es gibt ja nun - kurz gefragt, Herr Hoppe - das Bedürfnis von alten Menschen, dass ihnen jemand im Extremfall beim Sterben hilft. Was sagen Sie zu der Initiative im Bundesrat, dass organisierte Sterbehilfe unter Strafe gestellt werden soll?
Hoppe: Ich finde diese Initiative löblich und auch richtig. Ob sie mit der Verfassung in Einklang steht, kann ich nicht beurteilen. Manche Juristen sagen, dass das schwierig wäre. Aber ich finde es im Prinzip richtig, denn wenn man daraus ein richtiges Geschäft macht, ein Gewerbe macht, dann bedeutet das ja nichts anderes - und das ist ja auch das Signal, was von der Tat von Herrn Kusch ausgeht -, an sich sind Menschen, die sich in dem Zustand befinden, in einer Situation, in der sie eigentlich nicht mehr leben sollten. Die Gesellschaft wird dann auch zunehmend die Meinung entwickeln, diese Menschen, die da in den Pflegeheimen betreut werden und viel Geld kosten, die sind für unsere Gesellschaft eher eine Bürde als ein Positivfaktor und man sollte sie doch besser dem Tode entgegengehen lassen, als dass man sie gut versorgt. Das kann ganz schnell eine Meinungsänderung in der Öffentlichkeit und eine Stimmungsänderung bringen und Unsicherheit und Angst bei denjenigen, die betroffen sind und die eben nicht sterben wollen.
Meurer: Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke Herr Hoppe und auf Wiederhören!
Roger Kusch: Es ist ein unhaltbarer, wirklich ein geradezu unmenschlicher Zustand, dass nach den Standesregeln des deutschen Standesrechts Ärzte nicht beim Suizid helfen dürfen. Und so bleibt überhaupt nichts anderes übrig, als dass jemand wie ich, der kein Arzt ist, diesen Part übernimmt. Ich habe mich bemüht, Frau Schardt auch mit Ärzten in Kontakt zu bringen, und deshalb war die Rolle, die ich dann übernommen hatte, mit den Fähigkeiten, nämlich zunächst mal einem juristischen Staatsexamen und leider keinem medizinischen, für mich schwierig. Aber ich habe mich bemüht, diese Schwierigkeiten zu meistern.
Meurer: Roger Kusch. - Am Telefon begrüße ich jetzt den Präsidenten der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe. Guten Morgen Herr Hoppe.
Jörg-Dietrich Hoppe: Guten Morgen Herr Meurer.
Meurer: Ist ihr Standesrecht dort tatsächlich unhaltbar und unmenschlich?
Hoppe: Das Standesrecht, das formalisierte Standesrecht enthält einen solchen Passus überhaupt nicht. Es ist eine Tradition seit dem von Ihnen erwähnten Hippokrates, dass Ärzte Menschen nicht töten - und zwar aus dem Grunde, weil das eine vertrauensstörende Wirkung hätte. Die Menschen, die sich in ärztliche Hand begeben oder mit Ärzten Vertragsbeziehungen aufnehmen, um das formal zu sagen, müssen darauf vertrauen können, dass diese Ärzte auf ihr Leben hinwirken und nicht möglicherweise im Hinterkopf auch den Tod für diesen Patienten ins Auge fassen. Dieses Vertrauensverhältnis würde gestört, wenn es zum ärztlichen Handwerkszeug gehörte, auch zu töten. Das steht nirgendwo kodifiziert. Es ist also nicht etwa Standesrecht, wie Herr Kusch meint, sondern es ist eine Tradition und eine Verhaltensweise. Wir haben in unseren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung geschrieben, eine Beihilfe zum Suizid ist für Ärzte von ihrer Berufsauffassung her nicht vertretbar. Sie ist unärztlich. Ein Arzt wird genauso behandelt wie andere Leute.
Meurer: Die Beihilfe zum Suizid, Herr Hoppe, ist strafrechtlich keine Straftat. Sie sagen, es ist zwar nicht Standesrecht, aber trotzdem sagen Sie, das darf ein Arzt nicht tun.
Hoppe: Ja. Das ist sozusagen ein nicht aufgeschriebener Kodex, der eine Tradition über Jahrtausende hat - aus den Gründen die ich eben genannt habe -, weil eine vertrauensstörende Wirkung eintreten kann.
Meurer: Dann frage ich ist diese Tradition, Herr Hoppe, vielleicht inhuman?
Hoppe: Nein, die ist nicht inhuman. Ärzte machen Palliativmedizin und wollen, dass Menschen, die eine schwere Krankheit haben, die Schmerzen haben, die Angst haben, davon befreit werden und mit ihrem Leiden fertig werden, bis ihr Leben zu Ende gegangen ist, denn das Sterben ist ja ein Anteil des Lebens. Das alles traf ja für die Dame aus Würzburg, die hier bei Herrn Dr. Kusch in Rede steht, nicht zu. Das war ja eine ganz andere Situation. Aber es geht hier ja um ärztliche Hilfe und ärztliche Hilfe, ärztlicher Beistand beim Suizid gesunder Leute, die nur Sorgen vor etwas haben, das ist völlig undenkbar.
Meurer: Herr Hoppe, wie häufig kommt es in der Praxis in Krankenhäusern vor, oder auch zu Hause, wenn jemand zu Hause im Sterben liegt, dass Ärzte doch ich sage mal ein Medikament verschreiben, eine Schmerzmedizin verschreiben, von der sie wissen, wenn die in der Dosis eingenommen wird führt das zum Tod, und dann gehen sie eben aus dem Haus oder aus dem Zimmer und dann ist das letztlich auch Beihilfe?
Hoppe: Das weiß niemand. Es mag sein, dass das vorkommt, aber wir bekommen keine Anzeigen in diese Richtung. Wir haben einen einzigen rechtlichen Fall gehabt, der sich in Krefeld ereignet hat, der dann vor Gericht gegangen ist. Als ein Arzt merkte, dass seine Patientin sich mit Medikamenten so sehr versorgt hatte, dass sie daran sterben müsste, hat er keine Hilfeleistung mehr geleistet, sondern er hat die Dame sterben lassen. Das Gericht hat ihm dann später zugebilligt, dass sein Verhalten richtig war. In dem konkreten Fall mag das so sein, aber in der Regel ist es nicht so, dass Ärzte dort nicht helfend eingreifen müssen, denn das Töten oder die Beihilfe zum Suizid ist eine Angelegenheit, die einfach von Ärzten nicht gemacht werden soll, weil die Vertrauensbeziehung dann für viele zerstört wird. Wir erleben es ja in unserem Nachbarland Holland, dass ältere Leute aus diesem Land nach Deutschland umziehen, weil sie die Sorge haben, dass sie auch ungefragt vom Leben zum Tode befördert werden, weil man davon ausgeht, dass sie sich das wünschen würden, falls sie geschäftsunfähig sind, dass sie sich das sogar wünschen würden, weil sie sich dann, wenn sie geschäftsunfähig sind, so benehmen würden, wie geschäftsfähige Leute das tun würden. So nimmt man das wenigstens an.
Meurer: Haben Sie eben gesagt "in der Regel und das soll so sein"? Das heißt in extremen Ausnahmefällen, Herr Hoppe, akzeptieren Sie Ausnahmen?
Hoppe: Nein. Wir machen das so: Es wird eine Palliativmedizin gemacht. Dabei kann es eine so genannte terminale Sedierung geben. Das bedeutet, dass ein Mensch Medikamente bekommt, die ihn befreien von Angst und Schmerz und möglicherweise auch sein Bewusstsein eintrüben oder das Bewusstsein sogar ganz entfernen. Es ist umstritten, ob durch eine solche Medikation das Restleben verkürzt wird oder nicht. Manche sagen, das ist nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Frist bis der Tod eintritt kann sich sogar noch verlängern. Andere sagen: Das wird verkürzt werden, weil zum Beispiel die Atmung eine schwächere wird. Das kann niemand genau ermitteln, weil man ja nicht weiß, wann dieser Patient verstorben wäre, wenn man überhaupt nichts gemacht hätte. Früher sagte man dazu "indirekte Sterbehilfe"; heute sagen wir Palliativmedizin und diese Palliativmedizin muss halt unterschiedlich ausgeübt werden, je nachdem angepasst für den Zustand des Patienten.
Meurer: Es gibt ja nun - kurz gefragt, Herr Hoppe - das Bedürfnis von alten Menschen, dass ihnen jemand im Extremfall beim Sterben hilft. Was sagen Sie zu der Initiative im Bundesrat, dass organisierte Sterbehilfe unter Strafe gestellt werden soll?
Hoppe: Ich finde diese Initiative löblich und auch richtig. Ob sie mit der Verfassung in Einklang steht, kann ich nicht beurteilen. Manche Juristen sagen, dass das schwierig wäre. Aber ich finde es im Prinzip richtig, denn wenn man daraus ein richtiges Geschäft macht, ein Gewerbe macht, dann bedeutet das ja nichts anderes - und das ist ja auch das Signal, was von der Tat von Herrn Kusch ausgeht -, an sich sind Menschen, die sich in dem Zustand befinden, in einer Situation, in der sie eigentlich nicht mehr leben sollten. Die Gesellschaft wird dann auch zunehmend die Meinung entwickeln, diese Menschen, die da in den Pflegeheimen betreut werden und viel Geld kosten, die sind für unsere Gesellschaft eher eine Bürde als ein Positivfaktor und man sollte sie doch besser dem Tode entgegengehen lassen, als dass man sie gut versorgt. Das kann ganz schnell eine Meinungsänderung in der Öffentlichkeit und eine Stimmungsänderung bringen und Unsicherheit und Angst bei denjenigen, die betroffen sind und die eben nicht sterben wollen.
Meurer: Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke Herr Hoppe und auf Wiederhören!