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Ärztepräsident Klaus Reinhardt
Krankenhausreform ist "notwendig"

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt spricht sich für die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach aus. Medienberichte über einen drohenden Kahlschlag mit der Schließung zahlreicher Krankenhäuser bezeichnet er als Panikmache.

Klaus Reinhardt im Gespräch mit Volker Finthammer |
Klaus Reinhardt, Bundesärztekammerpräsident, spricht bei einer Pressekonferenz zur Gesundheitsbedrohung durch fossile Energieträger.
Der Gesetzentwurf zur Cannabis-Legalisierung gehöre in die Tonne, meint der Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt. Die Krankenhausreform sei dagegen dringend notwendig. (picture alliance / dpa / Christoph Soeder)
Mit der geplanten Cannabis-Legalisierung werde der illegale Handel laut wissenschaftlichen Studien nicht gestoppt, warnt der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, im Deutschlandfunk. Deshalb plädiert er für eine Abkehr von der Reform. Die Ampelregierung hat sich vorgenommen, die kontrollierte Abgabe von Cannabis neu zu regeln – auch, um den illegalen Handel und die damit verbundene Kriminalität zu bekämpfen.
So würden etwa in Kanada, wo die Abgabe von Cannabis bereits in gewissem Rahmen legalisiert ist, immer noch 40 Prozent auf dem Schwarzmarkt gehandelt, sagt Reinhardt im Interview der Woche des Deutschlandfunks. „Das heißt, ein hochrelevanter Anteil findet weiterhin in einem Milieu statt, das illegal ist und bei dem nicht klar ist, was erworben wird, und zwar deshalb, weil dort THC-Konzentrationen angeboten werden, die im legalen Markt nicht erwerbbar sind.“
Reinhardt zeigt sich auch skeptisch in der Frage, ob der Konsum sich gerade bei Jugendlichen nach einem zu erwartenden Anstieg durch eine Freigabe wieder zurückentwickeln wird. Der Gesetzentwurf gehöre für ihn in die Tonne.

Krankenhausreform muss kommen

Reinhardt stellt sich hinter die geplante – und bei den Bundesländern umstrittene – Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Das ist eine notwendige Reform“, sagt Reinhardt. Der Teufel stecke aber im Detail. Es gehe bei dem Streit zwischen Bund und Ländern nicht um das Ob, sondern um das Wie. Reinhardt kritisiert Versäumnisse bei den Ländern. Die Folge sei ein Verdrängungswettbewerb im Kliniksektor.
Medienberichte über einen drohenden Kahlschlag mit der Schließung von Hunderten Krankenhäusern bezeichnet Reinhardt als Panikmache. Der ein oder andere Standort werde aber wohl im Zuge der Reform aufgegeben.

Schwindende Gesundheitskompetenz

Zu einer Entlastung des Gesundheitswesens gehört für Reinhardt auch eine größere Gesundheitskompetenz der Bürger. Diese ist Studien zufolge seit Jahren rückläufig und führt zu häufigeren Arztbesuchen, als dies vielleicht notwendig sei: „Es wäre klug und gut, wenn man sich vielleicht schon im Bildungswesen hinsetzen und gucken würde, ob nicht Kinder und Jugendliche im Rahmen der ganz normalen schulischen Bildung auch zusätzlich in dieser Hinsicht unterrichtet werden.“

Das Interview im Wortlaut

Finthammer: Fangen wir mal mit einer ganz praktischen Frage an, Herr Reinhardt. Wann waren Sie das letzte Mal beim Arzt und wie lange haben Sie warten müssen?
Reinhardt: Das ist eine gute Frage. Das kann ich gar nicht aus dem Stehgreif so schnell beantworten. Also, wenn, dann regelmäßig beim Zahnarzt, zweimal im Jahr. Und da musste ich nicht warten oder drei Minuten. Das läuft wunderbar. Und das letzte Mal, dass ich bei einem Humanmediziner war, daran kann ich mich definitiv tatsächlich nicht erinnern, glücklicherweise.
Finthammer: Also, Sie gehören zu den Menschen, denen es gut geht. Ich gehe auch mal davon aus, dass Sie im Fall des Falles einen befreundeten Arzt anrufen könnten oder einen bekannten Arzt anrufen könnten. Aber viele Menschen, ohne ärztliche Bekannte, warten doch tatsächlich lange, oftmals mehr als drei Wochen auf einen Facharzttermin - und das ist noch gut gerechnet. Dazu kommen lange Wartezeiten in den Praxen und das, obwohl die Zahl der Fachärzte in den vergangenen Jahren ja wirklich deutlich gestiegen ist.
Gehen wir in Deutschland zu häufig zum Arzt? Oder sind wir zu krank? Oder woran liegt es, dass oftmals besonders gesetzlich Versicherte, und das ist ja die große Mehrheit, wirklich lange warten müssen auf Termine?

Wenig Gesundheitskompetenz, viele Arztbesuche

Reinhardt: Das liegt an unterschiedlichen Dingen. Es liegt einmal daran, dass wir tatsächlich relativ häufig zum Arzt gehen, wahrscheinlich mit Dingen auch, bei denen man vielleicht auch das eine oder andere Mal sagen kann, vielleicht kann man sich da auch mal selbst helfen. Das gibt es. Ich würde sagen, die Gesundheitskompetenz der Menschen in unserem Land ist eher rückläufig. Dazu gibt es auch Studien. Das ist aber nur ein Punkt von vielen.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir es strukturell so angelegt haben, dass wir zum Beispiel – ich nehme mal ein Beispiel eines Menschen, der einen Bluthochdruck hat. Der kriegt von mir ein Medikament verordnet gegen seinen Bluthochdruck, ist gut eingestellt. Die Packung enthält 100 Tabletten. Damit kommt er, wenn er eine am Tag nehmen muss, etwa drei Monate hin. Dann muss er wieder in die Praxis kommen und muss sich das nächste Rezept abholen, weil unser ganzes Vergütungssystem auf Quartale ausgerichtet ist. Das ist eigentlich nicht unbedingt notwendig. Wenn jemand gut eingestellt ist und sich selbst kontrolliert und dann sich meldet, wenn es unter Umständen nicht gut sein sollte, dann ist es nicht notwendigerweise erforderlich, dass er jedes Quartal kommt. Dann würde es ausreichen, wenn er einmal im Jahr kommt. Er kriegt eine große Packung mit 300 Tabletten oder 350 und meldet sich dann, wenn er etwas hat.

Wenig Bereitschaft zu grundsätzlichen Reformen

Finthammer: Das hört sich ein bisschen wie so eine grundsätzliche Reform an. Denkt da jemand ernsthaft drüber nach? Denn man erfährt es ja selbst: Es würde vieles vereinfachen, wenn man nicht jedes Quartal ein neues Rezept holen müsste, für viele Menschen.
Reinhardt: Vor dieser Reform haben diejenigen, die sie tatsächlich umsetzen könnten, nämlich die Kassenärztlichen Vereinigungen, durchaus ein wenig Angst, weil sie den Reflex der Krankenkassen fürchten, die dann sagen würden, wenn er ja nur noch einmal im Jahr kommt, braucht man nur noch einmal sozusagen Geld dafür zu bekommen. Insofern, glaube ich, ist im Moment die Bereitschaft, so eine grundsätzliche Reform zu machen, eher niedrig ausgeprägt. Trotzdem würde ich sie anmahnen.
Finthammer: Einen Punkt würde ich noch mal aufgreifen, den Sie angesprochen haben. Die Gesundheitskompetenz der Menschen in Deutschland hat nachgelassen. Wie kommen Sie darauf?
Reinhardt: Gesundheitskompetenz heißt ja, dass ich in der Lage bin, mich mit Informationen zu versorgen rund um das Thema Gesundheit oder auch Erkrankungen oder Wohlbefinden und nicht Wohlbefinden und auch die Einschätzung dieser Dinge richtig vorzunehmen, wenn ich mich selbst betrachte oder selbst beobachte. Darüber gibt es wissenschaftliche Erhebungen, dass diese Gesundheitskompetenz nachgelassen hat.
Finthammer:  Was könnte man machen, damit das besser wird?
Reinhardt: Das ist ja ein Punkt gewesen, den wir auf diesem Deutschen Ärztetag besprochen haben, weil wir gesagt haben, es wäre klug und gut, wenn man in Anerkennung dieser Tatsache sich vielleicht zum Beispiel im Bildungswesen hinsetzen würde und gucken würde, ob nicht Kinder, Jugendliche, Heranwachsende im Rahmen der ganz normalen schulischen Bildung auch zusätzlich in dieser Hinsicht unterrichtet oder auch informiert würden, und man auf diese Weise etwas daran täte, dass sich das ändert.

Ärztedichte hat sich erhöht

Finthammer: Betrachten wir es noch mal von der anderen Seite. Die Arztdichte in Deutschland hat sich ja in den vergangenen Jahren immer weiter erhöht und belief sich im Jahr 2022 auf durchschnittlich 198 Einwohner pro Arzt. Damit hat sich die Arztdichte seit den 80er-Jahren geradezu verdoppelt in Deutschland. Im internationalen Vergleich ist die ärztliche Versorgung: Deutschland belegt einen Spitzenplatz. Also sollte es doch eigentlich überhaupt keine Versorgungsengpässe geben, oder?
Reinhardt: Im Grundsatz haben Sie nicht ganz unrecht, wenn man die Zahlen so betrachtet. Man muss aber eins feststellen: Erstens haben wir eine Bevölkerung, die natürlich deutlich älter geworden ist seit den 80er-Jahren und mit einer deutlich höheren Krankheitslast und mit einem höheren Grad von Mobilität versorgt werden muss.
Zweitens, muss man sagen, ist die Arbeitszeit, die sich unter der Zahl der Köpfe der Ärztinnen und Ärzte verbirgt, etwas zurückgegangen, weil die jüngere Generation nicht mehr bereit ist, 50, 60, 65 Wochenstunden zu arbeiten, sondern – und das finde ich richtig und gerechtfertigt – üblicherweise um die 40, 45 Wochenstunden durchschnittlich arbeitet.
Das Zweite ist, wir haben sehr viele Ärztinnen zunehmend. In den jetzigen Jahrgängen, die das Examen ablegen, sind zum Teil 75 Prozent eines Jahrgangs junge Frauen. Die haben natürlich schon, aufgrund der Tatsache, dass sie Familien gründen möchten, auch Kinder haben möchten, eine etwas andere Erwerbsbiografie. Jedenfalls vorübergehend sind sie dadurch – in Anführungszeichen – beeinträchtigt. Das ist etwas, wo man schauen muss, dass es in der Summe etwas ausmacht. Darum ist die Betrachtung der reinen Kopfzahl vielleicht nicht ausreichend. Und dann, würde ich sagen, sind wir in Deutschland schon auch ein Gesundheitswesen, im Gegensatz zu England, Skandinavien, mit einem sehr freien Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, die der Patient im Wesentlichen selbst bestimmt.
Finthammer: Wir geben aber auch mehr aus als jedes andere Land in Europa. Wir liegen bei fast 500 Milliarden Euro, einem Bruttoinlandsproduktanteil von 13,2 Prozent. Damit sind wir Spitzenreiter in Europa. Aber dennoch haben wir nicht das effizienteste System.

Zugang zum Gesundheitswesen ist "leicht"

Reinhardt: Ja, wir geben mit der Schweiz zusammen den höchsten Betrag pro Kopf aus in Europa und liegen mit der Schweiz zusammen nach den Vereinigten Staaten von Amerika an höchster Stelle auch weltweit. Das ist überhaupt gar keine Frage.
Die Frage, wie man Effizienz an der Stelle messen möchte, kann ja unterschiedlich betrachtet werden. Wenn ich jetzt gucke, was gebe ich aus und wie lange leben die Menschen bei uns in Deutschland, dann würde man sagen, ja, wir haben nicht die höchste Lebenserwartung in Europa, obwohl wir so viel Geld ausgeben. Dann ist die Frage: Ist das ein Versagen des Gesundheitswesens oder hat es etwas zu tun mit anderen Lebensbedingungen in unserer Bevölkerung oder in unserer Gesellschaft? Das ist ja so schnell nicht und einfach nicht zu beantworten.
Eins kann man sicher feststellen, dass der Komfort, die Möglichkeit, sich zu informieren, die Möglichkeit, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, in Deutschland so leicht ist, trotz der eben von Ihnen beschriebenen Wartezeiten. Die sind nämlich in anderen Ländern noch wesentlich länger, in denen weniger Ärztinnen und Ärzte sind. Ob Sie jetzt nach England gehen oder nach Schweden gehen oder nach Dänemark oder auch nach Frankreich, da sind die Wartezeiten, die Sie haben und der Zugang für Patientinnen und Patienten zum Gesundheitswesen deutlich stärker eingeschränkt und deutlich reduzierter.
Finthammer: Herr Reinhardt, jetzt will der Gesundheitsminister mit der Krankenhausreform die Versorgung wieder effizienter gestalten. Frei nach dem Motto „weniger ist mehr“, weil damit ja auch eine Konzentration der Leistungsbereiche einhergehen soll. Nicht mehr jedes Krankenhaus soll künftig alles machen können, um mit den Fallpauschalen Geld zu verdienen. Ist das, was der Gesundheitsminister da plant, mit den verschiedenen Leistungsstufen, aus medizinischer Sicht ein guter Vorschlag?
Reinhardt: Grundsätzlich ja, das ist eine notwendige Reform, unbedingt, und ich glaube, dass das jeder, der im System tätig ist und dort Verantwortung trägt, auch grundsätzlich zunächst mal bejahen würde. Der Teufel steckt im Detail, und die Auseinandersetzungen, die jetzt aktuell stattfinden zwischen Bund und Ländern, bestehen sozusagen im Wesentlichen nicht um die Tatsache, ob grundsätzlich eine solche Reform mit auch diesen grundsätzlichen Zielen angemessen ist, ja oder nein, sondern sie finden statt, wie sie im Detail umgesetzt werden.
Das große Problem ist: Das Konstrukt, was der Bund sich ausgedacht hat, was die Reformkommission erarbeitet hat, ist ein zunächst mal logisches und schlüssiges. Wenn man auf der grünen Wiese eine Krankenhauslandschaft aufsetzen würde und aufbauen würde, würde man das wahrscheinlich so oder ähnlich gestalten. Wenn man jetzt aber ein Krankenhauswesen vorfindet in einem Bundesland, in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder wo auch immer, dann muss man ja aus dem, was man dort hat, etwas Sinnvolles machen und Techniken finden, mit denen man das in eine Struktur überführt, die eben subsidiär aufeinander aufsetzend organisiert ist.
Finthammer: Also, wo werden welche Leistungen angeboten beispielsweise?
Reinhardt: So ist es, ja. Wo werden welche Leistungen angeboten? Und müssen – wie gesagt – alle Leistungen überall angeboten werden? Oder würde man nicht sagen, Hochspezialisiertes, was nicht so häufig gemacht wird, konzentriert man in Ballungszentren. Da muss der Patient in bestimmten Fragestellungen tatsächlich etwas mehr Distanz überwinden, wird aber sicher an einem Ort versorgt, an dem dort Expertise herrscht und wo dieser vielleicht eher seltene Eingriff dann trotzdem mit einer relativen Häufigkeit und Routine auch durchgeführt wird. Das, glaube ich, ist im Sinne von Patientinnen und Patienten. Wenn man dann tatsächlich auf so etwas angewiesen wäre, wäre man vielleicht auch froh, in einer solchen Einrichtung dann versorgt zu werden.

"Panikmache" bei Gesundheitsreform

Finthammer: Aber da hat dieser Tage ein Papier des Gesundheitsministers bereits für eine mediale Panikmache gesorgt, weil ja beispielsweise die "Bild"-Zeitung behauptet hatte, Lauterbach plane einen Klinikkahlschlag, weil knapp 700 Krankenhäuser auf der Kippe stehen würden, von derzeit noch 1.719 Krankenhäusern in Deutschland. Der Gesundheitsminister hat das ja prompt dementiert und gesagt, es geht ja da im Wesentlichen um die neuen Qualitätskriterien der Häuser. Fürchten Sie auch, dass es da mit der Reform dann doch zum Kahlschlag kommen würde?
Reinhardt: Nein, das fürchte ich nicht und halte das auch für tatsächlich Panikmache, wenn man solche Äußerungen und solche Feststellungen trifft. Feststellen kann man, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Kliniksektor ein großer Verdrängungswettbewerb stattfindet, der im Wesentlichen dadurch zustande kommt, dass bei der dualen Krankenhausfinanzierung, die sich ja zusammensetzt aus erstens den Erlösen aus der Behandlung von den Kranken. Das sind die sogenannten Fallpauschalen, die da abgerechnet werden. Und zweitens aus der Investitionskostenunterstützung, die vom Land vorgenommen werden muss, damit die Krankenhäuser neu investieren können, wenn Geräte oder andere Dinge oder bauliche Maßnahmen getroffen werden müssen. Diese sogenannte duale Krankenhausfinanzierung ist seit Jahrzehnten im Krankenhausfinanzierungsgesetz festgelegt. Die findet aber in der Realität nicht tatsächlich so statt, wie sie sollte, weil die Investitionskostenunterstützung seitens der Länder nicht in vollem Umfang erfolgt.
Finthammer: Das würden Sie auch laut und deutlich sagen, dass die Länder da aber etwas versäumt haben?
Reinhardt: Ja, definitiv. Die haben etwas versäumt. Aufgrund der grundsätzlich angespannten Finanzsituation in vielen öffentlichen Haushalten hat man das nicht in vollem Umfang umgesetzt, mit der Folge, dass Krankenhäuser aus den Betriebserlösen versuchen, auch die Mittel zu gewinnen, die sie brauchen, um zu investieren. Und dieser Produktivitätsdruck – in Anführungszeichen – der in Krankenhäusern herrscht, kann nicht in vollem Umfang oder in jedem Krankenhaus gleich gut sozusagen bewältigt werden.

"Die Länder müssen ihre Hausaufgaben machen"

Finthammer: Aber welche Rolle spielen dann die Länder, die gleichzeitig mit Gutachten kommen, juristischen Gutachten, dass der Bund in diesen Fragen ihnen bitteschön nicht reinzureden habe?
Reinhardt: Ja, die Länder hätten und müssten dann ihre Hausaufgaben machen, und ich sage mal, Nordrhein-Westfalen macht sie ja. Der Karl-Josef Laumann als Landesgesundheitsminister hat ja eine Strukturreform angestoßen und erarbeitet, übrigens erarbeitet gemeinsam mit den Kostenträgern des Landes, also mit den Krankenkassen, mit den kommunalen Verbänden, mit den Ärztekammern, mit der Landeskrankenhausgesellschaft. Er hat die Beteiligten an eine lange Tafel gesetzt und hat in vielen kleinteiligen Gesprächen eine Systematik entwickelt, mit der man jetzt versuchen wird und sich auf den Weg macht, dafür zu sorgen, dass zum Beispiel in einer Stadt wie Bielefeld – da, wo ich zu Hause bin – die Krankenhäuser eben ihre Schwerpunkte ein wenig untereinander verteilen.
Finthammer: Das soll ja jetzt auch die Basis wohl für die bundesweiten Reformpläne des Gesundheitsministers sein. Das sagen zumindest die Eckpunkte, wo es die vorläufige Verständigung mit den Ländern gibt. Würden Sie sagen, das ist dann auch ein richtiger Ansatz?
Reinhardt: Ja, das, finde ich, ist ein richtiger Ansatz. Habe ich ja auch am Ärztetag noch einmal betont, weil es eben ein Ansatz ist, der es mit einem rationalen Herangehen möglich macht, aus den bestehenden Strukturen etwas fortzuentwickeln, was dann von Bestand sein kann und was sich sozusagen an die Erfordernisse unserer Zeit anpasst. Das führt dann eben nicht zu einer Schließung von 700 Krankenhäusern, aber dazu, dass natürlich der eine oder andere Standort unter Umständen auch mal aufgegeben wird, zugunsten eines Standortes, der in der Nähe liegt und dessen grundsätzliche Struktur vielleicht moderner ist oder wo die Voraussetzungen einfach günstiger und besser sind.
Das hat in der Vergangenheit aus Kraft der Länder und Kommunen – und die Kommunen sind ja häufig Träger der Krankenhäuser – nicht stattgefunden, weil bei zwei Städten, die aneinander liegen im Ruhrgebiet, wenn dann der eine Bürgermeister bereit gewesen wäre, sein Krankenhaus aufzugeben zugunsten des anderen, das Personal und alles, was man hätte gebrauchen können, wird überführt sozusagen an den anderen Standort, der nicht weit weg liegt, dann hätte man im ersten Moment gesagt, ja, ein vernünftiger Mensch, der sozusagen an dieser Stelle umsichtig denkt und effizient arbeitet und handelt. Trotzdem wäre ihm beim nächsten Kommunalwahlkampf die Tatsache um die Ohren gehauen worden, dass er das eine Krankenhaus dieser Stadt nun aufgegeben hat.
Finthammer: Das ist ja die große Angst, mit der die Politik immer leben muss in solchen Situationen, weil die Bürger schauen: Wie weit ist mein Weg bis zum nächsten Krankenhaus und wer ist schuld, wenn es nicht mehr da ist?
Reinhardt: Genau so. Insofern ist eine Feststellung, wie die "Bild"-Zeitung sie gemacht hat mit „700 Krankenhäuser werden dann schließen müssen“ eben Panikmache und hilft nicht in dieser Diskussion, sondern in dieser Diskussion muss man tatsächlich sagen, man muss vernünftig und rational bleiben.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Krankenhäusern

Finthammer: Drehen wir es mal um. Gesundheitsminister Karl Lauterbach betont ja immer wieder, wenn man nichts täte, stünden aktuell ein Viertel bis ein Drittel aller Krankenhäuser vor der Pleite, weil eben das aktuelle System der Fallpauschalen ausgereizt ist und seine Wirkung verloren hat. Ist das auch übertrieben, um die Reform politisch durchsetzen zu können?
Reinhardt: Nein, das ist zutreffend – ohne jetzt im Detail zu wissen, wie viele Krankenhäuser nun wirklich genau in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, aber sie tun es in einem relevanten Umfang, und richtig ist vor allen Dingen, dass dann unter Umständen Krankenhäuser vom Netz gehen, die man hätte bei einem geordneten und vernünftigen, strukturierten Prozesse behalten wollen. Deshalb ist es wichtig, dass es diese Reform gibt. Wenn man das dem Markt und dem freien Spiel der Kräfte überlässt, dann führt das nicht zu einer vernünftigen und sinnvollen Anpassung an die Erfordernisse.
Finthammer: Sie selbst haben im Blick auf die Reformpläne eine stärkere Verknüpfung zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich gefordert. Was meinen Sie damit? Was muss ich mir darunter vorstellen?
Reinhardt: Die Reformkommission, die sich darüber Gedanken gemacht hat, wie die Krankenhausstruktur aussehen könnte, hat ja unter anderem schon vor einigen Monaten festgestellt, dass es klug und vernünftig wäre, dass vielleicht ein Teil von Leistungen, die heute stationär erbracht werden, da, wenn es machbar ist und die medizinische Situation es möglich macht, auch ambulant durchs Krankenhaus behandelt werden können sollen. Das ist, glaube ich, durchaus richtig, entspricht auch internationalen Standards und, ich glaube, auch Patientenwunsch und -wille, auch in der Vorstellung, dass man dann Menschen unter Umständen pflegerisch nicht so intensiv betreuen muss, dass Personal entlastet wird durch die nicht stattfindenden Übernachtungen in Krankenhäusern und solche Dinge.
Das hat auch zur Folge oder das kann nur gehen, wenn man die Versorgungsstrukturen, die dann ja trotzdem da sein müssen in der häuslichen Umgebung, so darauf einrichtet, dass sie das bewerkstelligen können. Das hat ja was mit Pflege dann im häuslichen Kontext zu tun. Das hat auch was mit weiterer ärztlicher Betreuung zu tun. Insofern, glaube ich, kann man das nicht einseitig nur aus dem Sektor des Krankenhauses …
Finthammer: Eine bessere Einbindung der Hausärzte?    
Reinhardt: Der Hausärzte oder auch der Fachärzte, je nachdem.
Finthammer: Das funktioniert ja in Teilen heute auch noch nicht richtig. Wenn ich an die 116 117 denke, auch da hat man nicht das Gefühl, dass man schnell und bevorzugt behandelt wird. Deswegen gehen ja gerade viele Menschen lieber in die Notaufnahme beispielsweise.
Reinhardt: Da ist was dran. Wobei die 116117 aktuell – zumindest im Land NRW, da kenne ich mich in den Zusammenhängen aus – aktuell neu organisiert wird und jetzt deutlich besser funktioniert, denn die Kassenärztlichen Vereinigungen es wieder selbst in die Hand genommen haben. Die hatten das vorher outgesourct an andere Unternehmen. Das wird besser. Da gibt es inzwischen auch eine bessere Vernetzung zur Leitstelle der Feuerwehr und zum Rettungsdienst und Rettungswesen. Aber ich gebe Ihnen recht, dass an dieser Stelle noch Luft nach oben ist in der Integration dieser Elemente.

Wiederwahl zum Präsidenten der Bundesärztekammer

Finthammer: Schauen wir mal auf den Ärztetag. Ihre Wiederwahl zum Präsidenten der Bundesärztekammer liegt gerade mal zwei Wochen zurück. Sie hatten drei Stimmen mehr als Ihre Mitbewerberin Susanne Johna vom Marburger Bund. Fehlt Ihnen – muss ich ja als Beobachter sagen – da der Rückhalt der Ärzteschaft? Oder steht das für einen Konflikt zwischen den niedergelassenen und den angestellten Ärzten, die ja der Marburger Bund repräsentiert?
Reinhardt: Für einen Konflikt steht das sicher nicht. Frau Johna ist ja Vizepräsidentin jetzt, gemeinsam mit Frau Lundershausen. Wir werden da zu dritt die Bundesärztekammer, glaube ich, gut führen können. In der Vergangenheit der letzten vier Jahre, in denen ich ja schon Präsident war, hatte ich übrigens nur zwei Stimmen Vorsprung - und ich habe nicht das Gefühl, dass die letzten vier Jahre, die wir da gearbeitet haben, als ein Prozess empfunden worden ist, bei dem es mir an Unterstützung gemangelt hätte oder es zu höhergradigen Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Arztgruppen gekommen wäre.
Finthammer: Aber wie würden Sie den Konflikt zwischen den selbstständigen und den angestellten Ärzten beschreiben?
Reinhardt: Ich würde das nicht als Konflikt beschreiben. Ich würde sagen, dass der Wunsch und Wille von einem großen Verband, wie dem Marburger Bund oder auch einer Person wie Frau Johna, die Präsidentschaft zu erringen, ja legitim und nichts Verwerfliches ist und insofern ein starker Verband auch natürlich stark mobilisiert. Insofern konnte das nur knapp ausgehen.

Selbständigkeit mit eigener Praxis nicht im Trend

Finthammer: Sie haben vorhin schon von den anderen Lebensentwürfen jüngerer Ärzte und Ärztinnen gesprochen. Der Trend zu medizinischen Versorgungszentren mit angestellten Ärzten nimmt ja auch in den letzten Jahren deutlich zu. Wenn man sich die Statistik anschaut, geht das wirklich steil nach oben. Da kommen ja wahrscheinlich viele Faktoren zusammen. Die Lebensentwürfe haben Sie schon erwähnt. Fehlendes Eigenkapital auch, um eine eigene Praxis aufzubauen. Ist das ein Trend, von dem wir eigentlich stärker ausgehen müssen, der eigentlich auch viel stärker in die moderne Lebenswelt passt als der selbstständige Arzt, den Sie noch vertreten?
Reinhardt: Das ist eine gute Frage und eine Frage, die nicht nur die Medizin betrifft, sondern die hat eine gesellschaftspolitische Dimension. Ich glaube, dieser Trend, den wir da beobachten können, den Sie beschrieben haben, der bleibt natürlich bestehen. Das ist ja gar keine Frage. Aber das wird nicht … und das ist ja auch in anderen Branchen und in anderen Bereichen erkennbar – in Industrie, im Handwerk, in anderen freien Berufen ist die Bereitschaft von jungen Menschen, wirtschaftliche Verantwortung und organisatorische Verantwortung zu übernehmen, rückläufig. Und ich frage mich: Wo landet eine Gesellschaft, die von dem Wohlstand, der in dieser Republik erarbeitet wird, ja lebt, auch mit allen, sage ich mal, sozialen Netzwerken, die wir haben und allen sozialen Absicherungssystemen, wo landet sie, wenn wir uns alle darauf zurückziehen und sagen, wir wollen keine wirtschaftliche Verantwortung übernehmen?
Finthammer: Aber heißt das im Umkehrschluss, die 60- bis 70-Stunden-Woche, die Sie vorhin erwähnt haben, des selbstständigen Arztes sollte die Regel sein?
Reinhardt: Nein. Die muss nicht so aussehen, dass es eine 60-, 70-Stunden-Woche ist. Es kann ja auch mit einer 45-Stunden-Woche in eine Selbstständigkeit gehen. Auch das ist möglich. Ich glaube, wir haben vielleicht, jedenfalls ärztlicherseits, diese wirtschaftliche Selbstständigkeit ein bisschen an manchen Stellen schlechtgeredet. Wenn ich mir vorstelle, dass ich eine junge Ärztin wäre und hätte zwei Kinder im Alter von vier und sechs oder sechs und acht, wie auch immer, und müsste mich selbst organisieren, dann gibt es doch keine Situation, in der ich mich so frei, was Arbeitszeiten oder die Gestaltung meines Arbeitsalltages angeht, organisieren kann wie dann, wenn ich wirtschaftlich selbstständig bin.
Finthammer: Aber es gibt viele Menschen, die hätten das gerne von Dritten geregelt und sind gerne deshalb im Angestelltenverhältnis. Da ist es dann klar definiert.
Reinhardt: Wer es gern von Dritten geregelt hat, darf und kann das ja gerne tun. Aber am Schluss erlebe ich aber schon auch häufig, dass diejenigen, bei denen es von Dritten geregelt wird, früher oder später an den Punkt kommen, wo sie sich darüber ärgern, dass es von Dritten geregelt wird.
Finthammer: Sie würden aber schon sagen, der Trend wird sich fortsetzen und da entsteht auch eine neue Ärztekultur?
Reinhardt: Ich glaube, der Trend wird sich fortsetzen, ob das eine neue Ärztekultur ist, das ist hochgegriffen. Das glaube ich nicht unbedingt. Ich glaube, dass die Kultur des ärztlichen Handelns in der Angestelltensituation nicht wesentlich anders sein muss als in der wirtschaftlich selbstständigen. Trotzdem glaube ich, dass das Selbstverständnis des Einzelnen natürlich davon auch in irgendeiner Form geprägt wird. Ich finde, dass wirtschaftliche Selbstständigkeit etwas ist, was förderungswürdig ist und was man in einer Gesellschaft aufrechterhalten sollte. Insofern setze ich mich dafür ein.
Bleibt der Schwarzmarkt nach der Cannabis-Legalisierung bestehen?
Finthammer: Dann wechseln wir noch mal auf ein politisches Thema. Der Gesundheitsminister, Karl Lauterbach, tritt ja für eine regulierte Cannabis-Legalisierung ein, um dem illegalen Handel ein Stück weit das Wasser abzugraben und zumindest für nicht verunreinigte Ware auf dem Markt zu sorgen. Sie haben das schon in mehrfachen Stellungnahmen abgelehnt. Warum?
Reinhardt: Weil diese Annahme eine Annahme ist, die sich durch wissenschaftliche Studien, Beobachtungen auch in anderen Ländern, in denen das schon stattgefunden hat, so in diesem Umfang nicht bestätigen lässt. Wir nehmen jetzt mal Kanada. Dort ist Cannabis legalisiert, in ähnlicher Form, wie Herr Lauterbach das jetzt oder die Eckpunkte des Gesetzesentwurfes vorsehen, und in Kanada wird etwa 40 Prozent des Marktes noch bedient durch den Schwarzmarkt. Das heißt, ein relevanter, hochrelevanter Anteil findet weiterhin in einem Milieu statt, das illegal ist und bei dem nicht klar ist, was erworben wird. Und zwar deshalb, weil dort THC-Konstellationen angeboten werden, die eben im legalen Markt legal nicht erwerbbar sind. Insofern ist die Vorstellung, dass wir durch eine Legalisierung das austrocknen und im Sinne von Vermeidung von, ja, Kollateralschäden, die sich an der Stelle entwickeln, mehr Gutes tun als Negatives anrichten, ich halte die für falsch, die Vorstellung. Ich finde, die ist durch weder wissenschaftliche Beobachtungen der – wie gesagt – Länder, in denen das schon stattgefunden hat oder auch die Realität nicht belegt.
Finthammer: Studien zeigen ja, dass der Konsum wohl erst mal zunimmt bei einer Legalisierung. Das ist bekannt. Aber bei Alkohol war es ja beispielsweise gerade bei Jugendlichen auch vor einigen Jahren so, da war das Komasaufen total in. Aber auch das hat sich mit der Zeit wieder gegeben. Also dürfte sich doch das bei Cannabis auch wieder geben nach einer ersten Welle, wenn das quasi sich etabliert hat. Oder gehen Sie nicht davon aus?

Cannabis-Konsum bei Jugendlichen - psychische Schäden

Reinhardt: Auch das bestätigt sich nicht unbedingt. Es ist richtig, dass der Konsum nach einem gewissen Anstieg sich dann wieder ein bisschen zurückentwickelt, trotzdem auf einem höheren Niveau bleibt, erstens.
Zweitens halte ich es für insofern riskant, als dass wir ja kaum abgrenzen können, ob jetzt ein 18-Jähriger oder 20- oder 21-Jähriger Cannabis erwirbt und was damit geschieht. Ob der jüngere Bruder, der 15, 16 ist oder die Schwester nicht sozusagen versorgt wird durch den älteren in der Familie, ist uns … also, wir haben doch gar keine Möglichkeiten, im Detail, im Kleinen zu schauen und zu verhindern, dass Menschen, für die Cannabis nachgewiesen ernsthaft ein Problem und schädlich ist, nämlich im adoleszenten Alter, dann konsumiert wird. Und sprechen Sie mal mit Kinder- und Jugendpsychiatern, die sich mit Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, die an der holländischen Grenze oder im Niederrhein wohnen und die dann beobachten können, dass da, wo dann relativ leicht, weil es naheliegt und räumlich gut erreichbar ist, Jugendliche das in relevantem Umfang konsumieren, was mit denen geschieht. Ich finde, das kann man als Gesundheitsminister eigentlich nicht fordern.
Finthammer: Sie würden sagen, ab in die Tonne mit dem Gesetzentwurf?
Reinhardt: Ja, das würde ich sagen.

Corona-Boosterimpfung erst ab 60

Finthammer: Dann noch einen Punkt, über den wir lange nicht mehr gesprochen haben, Herr Reinhardt. Das ist das Thema Corona und die Corona-Pandemie. Vor zwei Tagen hat nämlich die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut die aktuellen Impfempfehlungen herausgegeben. Danach werden gesunden Erwachsenen bis 59 Jahren und Schwangeren überhaupt keine Auffrischungsimpfungen mehr empfohlen, sofern sie diese Basisimmunität erreicht haben. Nur Menschen ab 60 sollten einen jährlichen Booster bekommen. Halten Sie das für angemessen, wo bislang ja überhaupt keine neuen Varianten bekannt geworden sind und Corona endemisch geworden ist?
Reinhardt: Das ist eine Entscheidung, die die Ständige Impfkommission gefällt hat, auf der Basis ja von wissenschaftlichen Daten und Fakten, und das, was die Ständige Impfkommission in den vergangenen Jahren zu dieser oder anderen Impfungen geäußert hat, ist aus meiner Sicht angemessen. Ich stelle die wissenschaftliche Expertise der dort Tätigen absolut nicht infrage.
Finthammer: Und haben wir als Gesellschaft insgesamt genügend Lehren aus Corona gezogen? Oder werden wir beim nächsten Mal wieder überrascht, wenn eine neue Variante um die Ecke kommt, wie immer sie denn auch heißen mag?
Reinhardt: Meine Befürchtung ist, dass wir – und wenn ich das beobachte – eigentlich so im Alltag wieder in unseren Trott gefallen sind und uns wenig Gedanken darüber machen, was wir denn täten, wenn eine Pandemie vergleichbaren Ausmaßes mit einem anderen Erreger stattfinden würde. Ich habe nicht den Eindruck, als wenn die Strukturen im öffentlichen Gesundheitsdienst tatsächlich mit der Verve und mit der auch wirtschaftlichen Unterfütterung und Finanzierung ausgestattet würde und modernisiert würden, dass wir im Hinblick auf Übersicht von Erkrankungsfällen und Meldewesen und all diesen Dingen, dass das sozusagen jetzt im Sinne einer wirklich, ja, generalstabsmäßigen Planung und Struktur nachbearbeitet würde, das ist nicht mein Eindruck. Wobei, ich möchte niemandem zu nahe treten, der vielleicht dann doch weiter ist, als ich es jetzt weiß. Aber ich habe nicht den Eindruck.
Finthammer: Also, Politik und Behörden neigen auch zum Vergessen?
Reinhardt: Wie wir Menschen sowieso.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.