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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Personalrat klagt gegen Amtsleitung

Schneller, mehr, effektiver: Der Druck aus Politik und Öffentlichkeit lastet schwer auf dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Doch nun muss sich die Amtsleitung unter Frank-Jürgen Weise zudem noch vor dem Verwaltungsgericht verantworten. Der Personalrat hatte unter anderem gegen die seit Monaten gängige beschleunigte Einstellungspraxis geklagt.

Von Judith Dauwalter |
    Der Eingang vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
    Um den Stau bei den Asylanträgen abzuarbeiten, setzt der neue Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, auf die beschleunigte Einstellung neuer Mitarbeiter. (picture alliance / dpa Armin Weigel)
    Nürnberg, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF. Ein monumentaler Backsteinbau in Nazi-Architektur, früher war das Gebäude eine SS-Kaserne. Nun ist hier eine Behörde mit humanitären Aufgaben untergebracht – das BAMF ist zuständig für Asylanträge und die Integration von Flüchtlingen. Doch hinter den dicken Mauern rumort es ganz gewaltig.
    Der Personalrat hat Klage eingereicht und wehrt sich gegen die seit einigen Monaten gängige Einstellungspraxis. Rudolf Scheinost, der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, sitzt in seinem schmalen Büro am Besprechungstisch. Er spricht über die Konflikte mit der Leitung des Hauses – und wird sehr deutlich:
    "Und um Meinungen auszudiskutieren, bedarf es Zeit. Und ich hab den Eindruck, unsere Amtsleitung wollte oder konnte sich diese Zeit nicht nehmen. Und wir waren deswegen gezwungen, vor Gericht zu gehen."
    Kritik an der beschleunigten Einstellung neuer Mitarbeiter
    Um den Stau bei den Asylanträgen abzuarbeiten, setzt Amtschef Frank-Jürgen Weise auf die beschleunigte Einstellung neuer Mitarbeiter. Doch die Methoden sind umstritten, weshalb die Arbeitnehmervertreter gegen die BAMF-Leitung klagen. Scheinost und seine Kollegen werfen ihren Chefs vor, neue Mitarbeiter ohne Zustimmung des Personalrats eingestellt zu haben.
    Außerdem sollten die neuen Kollegen vertraglich zu Überstunden und zu Schichtarbeit verpflichtet werden – was ein Verstoß gegen Dienstvereinbarungen sei. Amtschef Frank-Jürgen Weise hingegen kritisiert den Personalrat, der aus seiner Sicht auf Verfahrensfragen beharrt – während es um bedeutende Probleme und ihre schnelle Lösung gehe:
    "Ich persönlich bin enttäuscht, dass ich hier erlebt habe, dass ein Personalrat in dieser Routine vorgeht, wie es unbestritten in einer geordneten Behörde immer üblich ist. Nur war das im Jahr 2015 nicht so, nachdem Unordnung im Land entstanden ist."
    Unordnung im Land – damit meint Weise hunderttausende von Asylanträgen, über die das Amt noch entscheiden muss. Doch dürfe das kein Argument sein, um Gesetze zu umgehen – sagt Ralf Brinktrine, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Würzburg. Er räumt den Klagen gute Erfolgschancen ein:
    "Die Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes sehen keine Ausnahmen für besondere Dringlichkeit vor. Aus gutem Grund: Denn die entsprechenden Verfahrensvorschriften sollen gerade sicherstellen, dass die Arbeitnehmerrechte gewahrt bleiben."
    Verzicht auf Vorstellungsgespräche, um Zeit zu sparen
    Regelmäßig wird Weise auf den Konflikt mit seinem Personalrat angesprochen. Er ist dann genervt, das sieht man ihm an: Er legt seine Stirn in Falten, die Stimme wird lauter und er gestikuliert wilder mit den Händen als sonst. Andererseits ärgert es die Personalräte, dass ihr Chef sie als pingelige Paragrafenreiter hinstellt - die sich beleidigt zeigten, weil sie übergangen wurden.
    Nein, das gesamte Verfahren sei rechtswidrig, sagen die Personalvertreter: Um Zeit zu sparen bei den Neueinstellungen, wurden geeignete Kandidaten aus den Karteien der Arbeitsagentur direkt angesprochen. Aber Stellen im Öffentlichen Dienst müssen öffentlich ausgeschrieben werden. Rudolf Scheinost sieht weitere Nachteile der Schnellverfahren:
    "Dass man verzichtet hat auf Vorstellungsgespräche. Wie kann ich die persönliche Eignung für die Tätigkeit beurteilen, wenn ich nicht mal mit Ihnen ein Interview geführt habe? Folge ist natürlich, dass bei einem großen Prozentsatz der Mitarbeiter, die dann eingestellt wurden, sich tatsächlich herausgestellt hat, sie waren für die Tätigkeit nicht geeignet."
    Bereits im März kritisierte der Personalrat, dass vielen der neuen Mitarbeiter schon wieder gekündigt worden war. Zum Beispiel wegen Vorstrafen, mangelhafter Deutschkenntnisse oder schlechten Verhaltens gegenüber Asylbewerbern. Schneller, mehr, effektiver: Der Druck aus Politik und Öffentlichkeit lastet schwer auf dem BAMF.
    Amtsleitung verbietet Pressekontakt
    Mit seinem Amtsantritt vor neun Monaten hat Weise sich verpflichtet, die Probleme zu lösen. Bis Ende des Jahres sollen alle alten Asylanträge abgearbeitet sein. Doch ganz so zuversichtlich wie noch vor ein paar Monaten ist Weise nicht mehr, wenn man ihn auf die Klagen anspricht:
    "Würde das Gericht dem Recht geben, was passieren kann, müssten wir die Einstellung dieser Leute, die bei uns sind und arbeiten, heilen, indem wir sie noch mal ins Verfahren reinnehmen. Dann würde ich davon ausgehen, würde der Personalrat sagen: Ok, wir gucken uns das noch mal an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dann sagt: Die Leute müssen gehen."
    Das knappe Jahr im Bundesamt hat ihn Kraft gekostet, das gibt Weise offen zu. Deswegen will er sich zum Jahresende zurückziehen aus dem BAMF. Worüber so mancher Mitarbeiter froh sein dürfte, das Aufatmen hinter den Bürotüren in der Nürnberger Behörde ist förmlich hörbar. Offenbar schaut das Bundesinnenministerium jetzt auch genauer auf die Vorgänge im BAMF, zuletzt wurde eine zusätzliche Vizepräsidentenstelle geschaffen – und mit Uta Dauke besetzt, die bisher Referatsleiterin im Innenministerium war. Sie muss künftig laut Dienstanweisung über alle Pläne der Leitung informiert werden. Auch der Personalrat gibt sich vorsichtig optimistisch:
    "Wir haben in letzter Zeit schon sehr viele Veränderungen gesehen und ich hoffe dieser Prozess wird mit Frau Dauke fortgesetzt."
    Dass Rudolf Scheinost in seinem Büro im Ostflügel der BAMF-Zentrale überhaupt ein Radio-Interview gibt, ist bereits eine kleine Überraschung. Denn in einer dritten Klage richten sich die Arbeitnehmervertreter gegen ein Verbot der Amtsleitung, mit Journalisten zu sprechen. Auch über diese Angelegenheit wird nächste Woche verhandelt. Doch in der Praxis wurde dieser Maulkorb bereits wieder gelockert. Am Besprechungstisch in Rudolf Scheinosts Büro saß während des Interviews, ganz offiziell, auch die Pressesprecherin der Behörde.