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Bundesamt für Naturschutz
Kabeljau, Seelachs und Makrele sind überfischt

Nord- und Ostsee gehören zu den Meeren, die der Mensch besonders stark in Mitleidenschaft zieht - durch Fischfang, aber auch durch Überdüngung. In der Ostsee haben sich regelrechte Todeszonen gebildet, dort kann kein Wasserleben mehr gedeihen. Welche Tiere und Pflanzen unter den Verhältnissen besonders leiden, das geht aus "Roten Listen" der bedrohten Arten hervor.

Von Susanne Kuhlmann |
    Schellfisch und Seepocke, Hummer und Sandflohkrebs, Braunalge und Europäische Auster: Fast ein Drittel der mehr als 1700 Meeresorganismen, die Forscher für die aktuelle Rote Liste untersucht haben, sind entweder in ihrem Bestand gefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben oder verschollen. Das sind in etwa so viele Arten wie als ungefährdet eingestuft werden. Über den Rest, immerhin rund 40 Prozent, weiß man noch nicht genug. Sandra Balzer ist beim Bundesamt für Naturschutz für den zoologischen Artenschutz zuständig.
    "Besonders Sorgen machen uns die marinen Wirbellosen, insbesondere solche Arten, die keine Massenvermehrer sind. Das Gleiche gilt für die marinen Fischarten, für die Knorpelfische unter diesen, nämlich die Haie und die Rochen. Die sind auch keine Massenvermehrer und können sich also weniger schnell erholen, und hier sind die Zahlen durchaus besorgniserregend, was den Rückgang anbelangt."
    Spezialisten von Forschungsinstituten und Universitäten, von Museen und Behörden haben sich an der Inventur der Lebewesen in Nord- und Ostsee beteiligt und herausgefunden, wie häufig oder rar einzelne Arten sind. Was die Wissenschaftler vor allem interessiert, ist der Vergleich mit der jüngeren oder weiter zurückliegenden Vergangenheit.
    "Wir vergleichen vor allem den kurzfristigen und den langfristigen Bestandstrend für alle in dieser Roten Liste betrachteten Arten. Da gibt es sehr wohl auch Arten, wo sich der Rückgang, der im 150-Jahres-Zeitraum sehr stark war, verlangsamt hat."
    Kabeljau, Seelachs und Makrele sind überfischt
    Das gilt zum Teil für den Dorsch in der Ostsee. Arten wie die Sardelle oder Streifenbarbe wandern seit einiger Zeit sogar zu, was Forscher darauf zurückführen, dass das Wasser beider Meere sich erwärmt hat. Viele Speisefische sind allerdings überfischt - Kabeljau, Seelachs und Makrele zum Beispiel. Die Fischerei gefährdet aber nicht nur deren Bestände, erläutert Sandra Balzer vom Bundesamt für Naturschutz.
    "Durch die Art und Weise der Fischerei, gerade die Grundschleppnetzfischerei, wird der Meeresboden stark aufgewirbelt, und hier gibt es Schädigungen auch an marinen Wirbellosen. Das andere ist, dass die Eutrophierung der Meere weiter zunimmt, was zu einer Mikroalgenblüte führt, die wiederum dazu führt, dass die Beleuchtung in größeren Seetiefen geringer wird und wir hier Schwierigkeiten haben für die Organismen, dass sie wachsen können ..."
    ... denn die Eutrophierung, also der Nährstoffeintrag über Dünger aus der Landwirtschaft und Schadstoffe aus dem Straßenverkehr lässt manche Wasserpflanzen regelrecht wuchern. Dünger und Schadstoffe gelangen über die Flüsse in Nord- und Ostsee. Drittes Problem für Meeresorganismen sind Bagger- und Abbauarbeiten auf dem Grund, auf dem zum Beispiel Austern oder Miesmuscheln wachsen. In der Ostsee ist die Lage für die Meereslebewesen zusätzlich problematisch, weil weniger Frischwasser einströmt und der Austausch erheblich geringer ist als in der Nordsee.
    Seehunde haben sich erholt
    Dass rund 40 Prozent von Nord- und Ostsee mittlerweile als Meeresschutzgebiete ausgewiesen sind, ist im Moment nicht mehr als ein erster Schritt in eine bessere Zukunft. Denn die einzelnen Anrainerstaaten haben sich noch nicht geeinigt, wie sie die Fischerei limitieren wollen. Bei Arten, die sich eigentlich massenhaft vermehren, hilft es, Bestände eine Weile zu schonen, aber nur wenn die Altersstruktur stimmt.
    "Wenn wir genügend alte Exemplare haben, die sich reproduzieren können, dann kann sich durchaus so eine Art wieder erholen im Bestand. Schwieriger ist es, wenn es eine Art ist, die an ganz sauberes Wasser gebunden ist. Aber wir sehen schon einige Arten, wo wir durch Reduktion von Fischerei in bestimmten Bereichen zu einer Erholung kommen können."
    Erholt haben sich auch Seehunde; nicht aber Schweinswale - die einzige Walart, die regelmäßig in Deutschland vorkommt. Um Meeressäugetiere ging es allerdings schon in der vorherigen Roten Liste aus dem Jahr 2009.