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Bundesgerichtshof
Entscheidung über Brustimplantate vertagt

Im Prozess um die Schmerzensgeldklage gegen den TÜV gibt es vorerst keine endgültige Entscheidung. Der Bundesgerichtshof bittet den Europäischen Gerichtshof um die Auslegung von europäischem Recht. Es geht darum, welche Pflichten der TÜV hatte, als er fehlerhafte Brustimplantate zertifizierte.

    Ein durchsichtiges Silikonkissen liegt auf einem Briefumschlag der Firma PIP.
    Der französische Hersteller PIP hat Brustimplantate mit billigem Industriesilikon gefüllt. (picture alliance / dpa / Alexandre Marchi)
    Die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) hatte jahrelang Brustimplantate mit billigem Industriesilikon gefüllt, das nicht für medizinische Zwecke zugelassen war. Das war 2010 bekanntgeworden. Experten gehen davon aus, dass die Produkte gesundheitlich riskant sind und schneller reißen als hochwertige Silikonimplantate.
    Der TÜV Rheinland hatte die Brustimplantate überprüft und für unbedenklich gehalten. Eine 65-jährige Klägerin wirft dem TÜV vor, PIP nicht ausreichend überprüft zu haben. Sie hatte sich 2008 nach einer Brustoperation PIP-Silikonkissen in beide Brüste einsetzen lassen. Auf ärztlichen Rat ließ sie sich 2012 ihre Silikonpolster wieder entfernen. Die Frau verlangt vom TÜV 40.000 Euro Schmerzensgeld.
    Der Prozess hat Signalcharakter für zahlreiche anhängige Verfahren. In Vorinstanzen waren mehrere Frauen gescheitert. So argumentierte das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken, der TÜV habe nur das Qualitätssicherungssystem des Herstellers überprüfen müssen, nicht aber die Beschaffenheit und Qualität der hergestellten Brustimplantate selbst.
    Mehr als 5.000 Frauen in Deutschland betroffen
    Der Bundesgerichtshof will über die Klage der 65-jährigen Frau nicht entscheiden, ohne sich Rat des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Es geht dabei um den "Umfang der Überwachungspflichten" des TÜV, also um den Kern der Klage. Diese Kontrollpflichten muss der EuGH nun auf Grundlage der EU-Richtlinie für Medizinprodukte bestimmen, bevor der BGH abschließend über den Fall entscheidet.
    Produkte der inzwischen insolventen Firma PIP waren weltweit hunderttausenden Frauen eingesetzt worden. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sind allein in Deutschland mehr als 5.000 Frauen betroffen.
    Vor zwei Jahren war PIP-Gründer Jean-Claude Mas zu vier Jahren Haft, 75.000 Euro Strafe und einem Berufsverbot im Medizin- und Gesundheitsbereich verurteilt worden - wegen schwerer Täuschung und Betrug. Er hatte zwar eingeräumt, das Industriesilikon verwendet zu haben. Er bestreitet aber bis heute, dass das Gel minderwertig und gefährlich war, berichtet Anne-Christine Heckmann aus Frankreich. Das Urteil wurde bis heute nicht vollstreckt, weil Mas in Berufung gegangen ist.