Schulsport
Bundesjugendspiele: Ist die Kritik an der Reform gerechtfertigt?

Seit ihrer Reform 2023 gibt es immer wieder Kritik an den Bundesjugendspielen. Im Zentrum steht dabei der Vorwurf, es ginge nicht mehr um Leistung. Dabei wurde das Leistungsprinzip nie abgeschafft. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Von Olivia Gerstenberger |
    Das Bild zeigt die Beine und Schatten von Kindern, die an der Startlinie einer roten Tartanbahn auf den Beginn eines Rennens warten.
    Die Bundesjugendspiele sind seit 1951 Teil des Schulsports. Seit 1979 sind sie für alle Schüler und Schülerinnen bis zur 10. Klasse verpflichtend. (imago / Panthermedia / df.schoenen)
    Angesichts der deutschen Medaillenbilanz in Paris sind auch die Bundesjugendspiele und ihre Reform wieder in die Diskussion geraten. Seit dem Schuljahr 2023/24 finden sie in Grundschulen als Wettbewerb und nicht mehr als Wettkampf statt. Was bedeutet das genau und was hat sich eigentlich konkret geändert?

    Inhalt

    Wie lautet die Kritik an der Reform der Bundesjugendspiele?

    Kritiker argumentieren, dass durch die Reform Leistung immer weniger wertgeschätzt werde. Sie befürchten, dass der Fokus auf Spaß und Miteinander zulasten der Anerkennung von individueller Leistung gehe.
    „Die Grundidee, nicht zu scheitern oder nur nicht zu verlieren, nützt gar nichts hinsichtlich einer zwingend erforderlichen Lebenstüchtigkeit, die durch Schule oder durch den Sport zu unterstützen ist", sagte etwa der hessische Kultusminister Armin Schwarz (CDU) im Dlf.
    "Ich halte das für falsch, die Bundesjugendspiele sollen den Anreiz geben, sich anzustrengen, an die eigenen Grenzen zu gehen und das Beste aus sich herauszuholen. Das ist eine Haltung, die sich dann auch auf das ganze Leben abstrahlt." Schwarz ist Mitglied der Kommission Sport der Kultusministerkonferenz. Diese hatte sich dafür ausgesprochen, die Reform nach gut einem Jahr wieder rückgängig zu machen.

    Welche Änderungen gibt es bei den Bundesjugendspielen und warum gab es die Reform?

    Seit 2001 können die Bundesjugendspiele in drei Formen (Wettkampf, Wettbewerb, Mehrkampf) und drei Sportarten (Leichtathletik, Schwimmen, Turnen) durchgeführt werden. Den klassischen Wettkampf kennen viele noch aus der Schulzeit. Der Wettbewerb ist besonders für Grundschüler geeignet und bietet viele motorische Übungen. Der Mehrkampf kombiniert alle drei Sportarten mit Übungen aus dem Wettbewerb.
    Bis vor einem Jahr konnten die Schulen aussuchen, ob sie in der 3. und 4. Klasse in der Leichtathletik einen Wettkampf oder einen Wettbewerb durchführen. Seit dem Schuljahr 2023/24 soll nur noch der Wettbewerb durchgeführt werden, genauso wie schon der 1. und 2. Klasse.
    Diese Änderung soll die Bundesjugendspiele für Grundschulkinder kinderfreundlicher und motivierender machen. Sie sollen mehr Spaß bringen und die Kinder zum Sport anregen, ohne ganz auf Vergleiche zu verzichten: "Wettbewerb im Gegensatz zum Wettkampf bedeutet nicht, dass es sich um ein rein spielerisches Angebot handelt", heißt es vom zuständigen Ausschuss für die Bundesjugendspiele.

    Was bedeutet Wettbewerb im Vergleich zu Wettkampf für die einzelnen Disziplinen?

    Kurz gesagt: Die Schulen können ihr Sportprogramm nun eigenständiger gestalten und sind nicht mehr an die Regeln internationaler Verbände gebunden. Auch die Sportflächen müssen nicht mehr bestimmten Normen entsprechen.
    Der Leichtathletik-Wettbewerb umfasst laut dem BSJ-Handbuch vier Aufgabenbereiche: 1) schnelles Laufen, 2) Weitsprung oder Hochsprung, 3) Weitwurf oder Stoßen und 4) Ausdauerlauf.
    Beim Weitsprung werden die Weiten nun zum Beispiel nicht weiter in Zentimetern, sondern in festgelegten Zonen gemessen: Je weiter ein Kind springt oder wirft und damit in eine höhere Zone gelangt, desto mehr Punkte erhält es.
    Das Bild zeigt eine grafische Darstellung und Anweisungen zu der Übung "Weitsprung in die Zone" (Screenshot)
    Übungsauswahl "Weitsprung in die Zone" aus dem Übungsheft Bundesjugendspiele (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
    Beim 15-Minuten-Ausdauerlauf bekommt etwa ein Kind 3 Punkte, wenn es die 15 Minuten schafft, 2 Punkte, wenn es über 12 Minuten schafft und 1 Punkt bei über 9 Minuten.
    Beim Schwimmen müssen drei Aufgaben absolviert werden. Zum Beispiel sollen die Kinder einen Ring vom Beckenboden holen, eine Delfinbewegung zeigen und nach einem Kopfsprung 25 Meter in einer beliebigen Schwimmart bis zur anderen Seite des Beckens schwimmen und dort eine Rolle um die Breitenachse zeigen. Die Übungen müssen möglichst genau ausgeführt werden, damit sie als „gekonnt“ gelten und bewertet werden können.

    Sind Ehren- und Siegerurkunden abgeschafft und damit auch das Punktesystem für die Leistung?

    Keineswegs! Es gibt weiterhin Ehren-, Sieger- und Teilnehmerurkunden. Die Ergebnisse werden getrennt nach Geschlecht und Klassenstufe ausgewertet. Der jeweilige Wettbewerb besteht aus mehreren verschiedenen Übungen, die für jede Klassenstufe passend ausgewählt werden.
    Bei den Leichtathletikwettbewerben erhalten die Kinder Urkunden basierend auf ihrer Gesamtpunktzahl aus den Übungen: Die besten 20 Prozent bekommen eine Ehrenurkunde, die mittleren 50 Prozent eine Siegerurkunde und die verbleibenden 30 Prozent eine Teilnahmeurkunde. Auf jeder Urkunde soll die Punktzahl sowie die Platzierung in der Gesamtgruppe angegeben werden (zum Beispiel Platz 10 von 26 Kindern).
    Beim Schwimmen erhält ein Dritt- oder Viertklässler eine Ehrenurkunde, der alle drei zu absolvierenden Übungen als "gekonnt" ausgeführt hat. Eine Siegerurkunde gibt es bei zwei "gekonnten" Übungen, eine Teilnahmeurkunde bei einer "gekonnten" Übung.

    Wer entscheidet darüber, wie die Bundesjugendspiele abgehalten werden?

    Die Bundesjugendspiele werden von der Kultusministerkonferenz (KMK), dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) getragen. Die Regeln für die Spiele basieren auf einem Beschluss von 1979, der 2013 aktualisiert wurde.
    Für die Weiterentwicklung und Änderungen der Spiele ist der Ausschuss für die Bundesjugendspiele verantwortlich. Dieser Ausschuss setzt sich aus Vertretern der KMK, des BMFSFJ, des DOSB sowie der beteiligten Sportverbände zusammen. Änderungen werden in der jährlichen Ausschreibung für die Bundesjugendspiele veröffentlicht und müssen von den zuständigen Gremien, einschließlich der Kommission Sport der KMK, abgestimmt werden.
    Die Kommission Sport besteht wiederum aus Vertretern der 16 Länderbildungsressorts. Sie kann keine eigenen Entscheidungen treffen; der Ausschuss entscheidet über die Ausrichtungsformen, nachdem das Kuratorium zugestimmt hat.
    Die Kommission hatte zuletzt in einer Abstimmung dafür votiert, die Reform wieder zurückzudrehen: Schulen sollten die Flexibilität haben, selbst zu entscheiden, ob sie die Bundesjugendspiele als Wettbewerb oder Wettkampf ausrichten - abhängig von pädagogischen und örtlichen Gegebenheiten. Der Ausschuss für die Bundesjugendspiele entschied jedoch mehrheitlich, dieser Empfehlung nicht zu folgen.