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Bundesjustizministerin: Kein Vorstoß für "Designer-Baby"

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzt sich für eine begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ein. Eltern müssten das Recht zur eingeschränkten Untersuchung von befruchteten Eizellen auf schwerste Erbkrankheiten erhalten, sagt sie.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Gerwald Herter |
    Gerwald Herter: Nun bin ich mit der Bundesjustizministerin, mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) telefonisch verbunden. Guten Morgen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger.

    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Menschliches Leben soll einem Qualitätstest unterzogen werden. Ist nicht allein dieser Gedanke so erschreckend, dass Sie sich damit am liebsten gar nicht befassen würden?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Nein. So ist ja auch nicht die Ausgangslage. Natürlich erschrickt man, wenn diese These so zutreffen würde. Aber dann dürfte es generell auch keinerlei Abtreibungsmöglichkeit geben, und von daher ist es hier schon eine sehr viel schwierigere Ausgangslage.

    Herter: Die Ausgangslage ist sehr, sehr schwierig. Fehlt uns da aber nicht ein bisschen die Demut vor der Natur, Frau Leutheusser-Schnarrenberger?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich haben wir Demut vor der Natur, aber wir haben doch auch Demut davor, dass Eltern, Frauen in ganz, ganz schwierigen Konfliktsituationen sind, dass sie zum Beispiel aufgrund von Todgeburten schon in einem ganz schwierigen Martyrium gewesen sind und dass es deshalb doch auch gerechtfertigt werden müsste zu sagen, wir erlauben euch noch nicht mal, in einem ganz, ganz frühen Stadium überhaupt eine Untersuchung nur mit engen Grenzen vornehmen zu dürfen, eben diese Präimplantationsdiagnostik. Und von daher denke ich, in dieser schwierigen Konfliktlage hat der Gesetzgeber schon auch die schwierige Antwort zu treffen, ob wir jegliche Untersuchung hier Eltern oder Müttern vorenthalten wollen, und das halte ich nicht für geboten.

    Herter: Dieses Beispiel, das Sie gebracht haben, dass Eltern wissen, sie sind erblich belastet, Todgeburten könnten die Folge sein, das wird immer wieder ins Feld geführt. Aber fürchten Sie keinen Dammbruch?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist ja eines der Argumente der Gegner der begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik, und natürlich ist das ein ernstes, ein gewichtiges Argument. Aber alle diejenigen, die sich damit und zwar intensiv auseinandersetzen zu sagen, wir lassen begrenzt zu, die wollen doch nicht, dass jetzt befruchtete Eizellen zu frei handelbaren Gütern wären, so nach dem Motto, ich suche mir mal aus, was wirklich dann als Elternteil am schönsten für mich und vielleicht für dann das entstehende Leben ist, sondern es sind wirklich eng begrenzte Voraussetzungen, die immer schon eine ganz schwierige Konfliktlage voraussetzen, die dann im Verlauf einer Schwangerschaft ja noch zu einer viel schwierigeren Situation führen würde, und von daher, denke ich, können wir widerspruchsfrei eigentlich nur eine begrenzte Zulassung der PID vertreten, wenn wir es hinterher auch beim geltenden Recht der Abtreibung und der spät vorzunehmenden Abtreibung auch nach drei Monaten zulassen, in solchen Situationen, wenn es eben zu einem schwerstbehinderten Kind kommen kann und damit auch die Gesundheit der Mutter gefährdet ist.

    Herter: Aber da wir in einer Demokratie leben, der Bundestag jederzeit Gesetze ändern kann, kann man in solch ein Gesetz keine Sicherheitssperre einlassen und diese beschließen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Sicherheitssperren können Gesetzgeber nicht beschließen, aber wir sollten doch sehen, das ist für mich ein entscheidendes Argument, dass wir bei der Argumentation in diesen schwierigen Fragen, wo es immer natürlich auch um ethische und moralische Maßstäbe geht, konsistent bleiben. Und wenn - und diese Entscheidung habe ich unterstützt vor vielen, vielen Jahren - eben eine Abtreibung zugelassen ist in einer schwierigen Abwägung, auch noch dann, wenn es nur wenige Zeit vor einer Geburt ist, weil ein schwerstbehindertes Kind geboren werden könnte und dies eben zu einer ganz großen Gefahr auch für die Gesundheit der Mutter führen kann, dann können wir doch nicht in einem viel früheren Stadium, wo es um eine befruchtete Eizelle geht, wenige Tage alt, sagen, da verbieten wir auch eine ganz eingeschränkte Untersuchung auf schwerste Erbkrankheiten.

    Herter: Also die Verhältnismäßigkeit, ganz nüchtern ausgedrückt, muss hier gewahrt bleiben. - Allerdings ist die PID nicht so genau und so zuverlässig, das sagen Fachleute, wie das oftmals dargestellt wird. Das ändert für Sie nichts an dem Sachverhalt?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, das ändert für mich letztendlich nichts an dem Sachverhalt. Wenn man sich einmal überlegt, in anderen Ländern haben wir diese Präimplantationsdiagnostik, das ist kein Massenphänomen, das bezieht sich auf wirklich eng begrenzte Fälle auch in schwersten seelischen Konfliktlagen von Eltern, und wie gesagt, ich sehe nicht, wie wir begründen sollten, dann den Eltern diese Untersuchung ganz grundsätzlich zu versagen.

    Herter: Ist diese Argumentation mit dem Ausland aber nicht gefährlich? In anderen Ländern ist nämlich ein Mehr an Selektion machbar, als dies in Deutschland Wirklichkeit werden könnte.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir wollen ja gerade auch all denen, die sich für eine begrenzte Zulassung der PID einsetzen, natürlich hier nicht die Tür aufmachen, um das immer so genannte Designer-Baby zu ermöglichen, um andere Kriterien als die der Vermeidung der Realisierung schwerster Erbkrankheiten mit größten Belastungen Vorbeuge zu leisten Verhinderung zu leisten. Wir wollen doch nicht weitergehen. Niemand will das und hier wird auch nicht eine Tür aufgestoßen. Der Bundesgerichtshof hat ja in einer sehr bedenkenswerten Entscheidung aufgezeigt, dass schon nach geltendem Embryonenschutzgesetz eben unter engen Voraussetzungen eine PID nicht strafbar ist.

    Herter: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie wirken ganz fest entschlossen, haben eine feste Meinung, Ihren Standpunkt. Dennoch wird es eine offene Debatte geben. Könnte sich Ihre Meinung noch ändern?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich denke im Moment nicht, dass sich meine Meinung ändern könnte, denn natürlich habe ich mich wie alle anderen, die sich an dieser Debatte beteiligen, intensiv mit Pro und Contra zur Präimplantationsdiagnostik auseinandergesetzt. Aber selbstverständlich respektiere ich natürlich jede andere Entscheidung, auch die, dass man zu einem kompletten Verbot kommen kann. Ich finde es sehr gut, dass wir uns heute sehr viel Zeit nehmen, dies auch sehr offen zu debattieren, nicht in Fraktionsgrenzen zu denken, wie wir das auch bei anderen wichtigen Debatten zur Abtreibung, zu den Möglichkeiten der Transplantation von Organen gemacht haben, und von daher bin ich natürlich sehr, sehr gespannt auf diese Auseinandersetzung, auch auf die Argumente von Kritikern oder denjenigen, die komplett verbieten wollen. Aber ich habe, jedenfalls so gehe ich in die Debatte, schon hier eine feste Meinung.

    Herter: Mancher Abgeordnete, manche Abgeordnete erwarten eine Sternstunde des Parlaments, weil der Fraktionszwang aufgehoben wurde. Könnte man das nicht zur Regel machen, um die parlamentarische Arbeit zu beleben, Sternstunden reihenweise?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben auch sonst Debatten, die natürlich auf sehr hohem Niveau geführt werden. Aber unser Grundgesetz sagt in Artikel 38 ja, dass der Abgeordnete ausschließlich seinem Gewissen in Entscheidungen unterworfen ist, und dass das hier eine ganz klare Gewissensentscheidung ist, denn es geht um Abwägung schwierigster ethischer, moralischer Fragen, ist klar. Ich kann mir vorstellen, dass wir auch mal öfter so offene Debatten führen. Ich bin auch der Meinung, wir brauchen nicht immer nur Gesetzentwürfe, um eine solche offene Debatte zu führen, die ja auch den Bürgerinnen und Bürgern, die sich an dieser Auseinandersetzung beteiligen, noch wieder Argumente an die Hand für ihre Meinungsbildung und für den Diskurs, den sie führen, geben können. Also ich bin da wirklich offen, es ist die Entscheidung des Bundestages, wann er solch offene Debatten durchführt. Aber meiner Einschätzung nach gibt es grundlegende schwierige Fragen, die man wirklich öfter auch in so einer Auseinandersetzung im Bundestag bringen könnte.

    Herter: Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) über die PID-Debatte heute im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Bitte schön, Herr Herter.

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