Archiv

Bundesliga
Kampf um die Fanprojekte

Fanprojekte tragen seit Jahren nachweislich zur Reduzierung von Gewalt im Fußball bei. Die Finanzierung dieser sozialpädagogischen Einrichtungen wollte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) plötzlich eigenständig kürzen. Auf massivem Druck hat er nun erst einmal von seinen Plänen abgelassen.

Von Thorsten Poppe |
Fans des FC Ingolstadt protestieren mit einem Spruchband gegen die Pläne des DFB.
Fans des FC Ingolstadt protestieren mit einem Spruchband gegen die Pläne des DFB (dpa/picture alliance/Sportfoto Zink)
Es war ein Beschluss, der bei den Fanprojekten für große Verunsicherung gesorgt hat: Im September 2020 entscheidet das DFB-Präsidium, die Finanzierung von Fanprojekten eigenständig zu kürzen: Von 3,3 Millionen Euro auf nur noch 3,0 Millionen Euro pro Jahr. Und: Für neue Fanprojekte soll es gar kein Geld geben.
Leidtragender ist u.a. ein geplantes Fanprojekt in Ingolstadt. Für Martin Bergmaier vom Drittligist FC Ingolstadt eine nicht nachvollziehbare Handlung. Er sitzt für die Anhänger als Vertreter im Vorstand des Vereins:
"Der Finanzierungsstopp kam für uns, wie für alle anderen auch, sehr unvorhergesehen. Und hat wirklich für sehr viel Unverständnis gesorgt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich das Thema hier in Ingolstadt schon einige Jahre jetzt hinzieht. Uns wurden vom DFB keine nachvollziehbaren Gründe genannt, weshalb sozialpädagogische Jugendarbeit, wie sie eigentlich quasi an jedem Profi-Fußball-Standort bereits etabliert ist, in Ingolstadt nicht möglich sein sollte."
Das Foto zeigt Fans von Union Berlin bei einem Testspiel gegen den 1. FC Nürnberg.
Fanprojekte auf dem Prüfstand - Sorge vor den Folgen von EinsparungenDer Sparkurs bei den Fanprojekten bereitet beim 1. FC Union bereits einige Sorgen. Kritiker halten die Kürzungen für eine falsche Strategie und verweisen auf die langfristigen Erfolge, unter anderem bei der Gewaltprävention.

Brücke zwischen Anhängern, Verein und der Polizei

Die Fanprojekte sind in den 90er-Jahren gegründet worden, als gewalttätige Ausschreitungen im Fußball an der Tagesordnung gewesen sind. Auch ihnen ist es mit zu verdanken, dass es heute im Umfeld von Fußballspielen kaum noch dazu kommt.
Als sozialpädagogische Einrichtungen für Fußballfans dienen sie als Brücke zwischen den Anhängern, dem Verein, und der Polizei.
In Ingolstadt sollte das insgesamt 69. Fanprojekt in Deutschland an den Start gehen. Die Kommune und das Land hatten bereits zugesichert, ihren Anteil an der Finanzierung zu tragen. Sobald es diese Zusage gibt, hat sich der DFB eigentlich freiwillig dazu verpflichtet, die andere Hälfte zu zahlen. Aber dann kommt der Beschluss des Präsidiums, keine neuen Fanprojekte mehr zu finanzieren. Und bei allen bereits existierenden die Förderung erheblich zu kürzen. Das habe bei den Fanprojekten zu großen Existenzsorgen geführt, betont Michael Gabriel von der Koordinationsstelle der Fanprojekte:
"Die Finanzierungssystematik für die Fanprojekte beruht darauf, dass der Fußball 50 Prozent eines Jahresetats mitträgt. Unter der Voraussetzung, dass die Kommunen und die Bundesländer die anderen 50 Prozent beisteuern. Wenn jetzt der Fußball reduziert, das ist dann sofort existentiell. Weil wenn wir 20.000 Euro weniger haben an einem Standort, dann ist das eine halbe Stelle. Dann heißt das sofort, dass das direkt in die Arbeit eingreift."

DFB in der Kritik

Die Sorge um ihre finanzielle Ausstattung hat hinter den Kulissen zu kontroversen Diskussionen geführt. Denn der DFB ist für alle Fanprojekte ab der 3. Liga zuständig, die Bundesligen übernimmt die DFL. Aber gerade unterhalb der 3. Liga spielen viele Traditionsvereine mit großer Anhängerschar. Eine Situation, die durchaus Konfliktherde bietet.
So hat beispielsweise die Polizei den Verband mit einem Schreiben direkt an Präsident Fritz Keller darauf aufmerksam gemacht, wie essentiell die Fanprojekte für eine friedliche Fankultur seien.
Auch von Fanprojekten als auch Städten und Kommunen ist Kritik an den DFB herangetragen worden. Sie werfen dem DFB vor, sich mit der eigenhändigen Kürzung nicht an die Vereinbarungen gehalten zu haben.
Allein die Diskussion darum würde das erheblich belastete Klima zwischen Fans und Verband noch einmal deutlich verschlechtern, gibt in dem Zusammenhang Michael Gabriel zu bedenken:
"Wir kriegen das auch von den Jugendlichen an jedem Standort auch geschildert, wie wertvoll die Arbeit ist. Wie wichtig ihr Fanprojekt für sie ist. Also das ist ein total falsches Signal, gerade jetzt zu den jetzigen Zeiten, ein Signal auszusenden, die Arbeit wird nicht mehr in der Form von unserer Seite aus unterstützt, wie sie für viele Jahre unterstützt worden ist."

Umdenken beim Verband

Dieser massive Druck auf den DFB seitens vieler Akteure, die im Profi-Fußball als Partner agieren, und die öffentliche Diskussion darum, hat letztlich beim Verband dann doch noch zu einem Umdenken geführt. In einem DFB-Schreiben aus dem März dieses Jahres an die Fanprojekte heißt es:
"Der DFB beteiligt sich weiterhin mit 50 Prozent an der Gesamtfördersumme der Fanprojekte. Diese Finanzierungszusage gilt bis zum 31. Dezember 2022. Der DFB ist grundsätzlich bereit, die Neueinrichtung von Fanprojekten in Ingolstadt und Würzburg zuzulassen und in die Finanzierung einzusteigen."
Ab 2023 soll dann eine Reform der Finanzierung in Kraft treten. Wie diese genau aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Zusammen mit Partnern wie Polizei, Fanprojekten, Städte und Kommunen will der Verband diese Reform gemeinsam erarbeiten.

"Finanzstopp war von Anfang eine ziemliche alberne Idee"

Im Vorfeld seiner Entscheidungen im September hatte der DFB die Wichtigkeit der Fanprojekte auch immer wieder betont. Deshalb ist es für Martin Bergmaier vom FC Ingolstadt umso unverständlicher, warum der Verband so agiert hat. Der Fanvorstand des Klubs hätte sich eine andere Vorgehensweise gewünscht, gerade wegen des mehr als zerrütteten Verhältnisses zwischen DFB und Fans:
"Die Kehrtwende des DFB zeigt in erster Linie, dass dieser unausgesprochene Finanzstopp von Anfang eine ziemliche alberne Idee war. Nichtsdestotrotz sind wir in Ingolstadt jetzt erst einmal froh, dass der öffentliche Druck gewirkt hat, dass der Beantragungsprozess für unser Fanprojekt mit einem halben Jahr Verzögerung erst einmal fortgesetzt werden kann. Mit seinem Verhalten suggeriert der DFB, dass Fanthemen erstmal als Kostenpunkt angesehen werden. Gerade bei den aktiven Fans ist die Glaubwürdigkeit des Verbandes eh schon extrem angekratzt, und dann trägt ein solcher Schritt mit einer solch miserablen Kommunikation mit Sicherheit nicht zur Entspannung bei!"