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Bundesliga
Psychologische Betreuung - eine Seltenheit

Ein Großteil aller Vereine von der 1. Bundesliga bis in die 3. Liga bieten keine sportpsychologische Betreuung an. Dabei könnte genau die frühzeitig helfen, psychische Erkrankungen wie Depressionen wahrzunehmen. Die Spielergewerkschaft VDV fordert ein Umdenken.

Von Thorsten Poppe |
    Ohis Felix Uduokhai liegt geschalgen auf dem Rasen nach dem Spiel gegen den Hamburger SV am 28.04.2018 in Wolfsburg.
    Ohis Felix Uduokhai liegt geschalgen auf dem Rasen nach dem Spiel gegen den Hamburger SV. (imago sportfotodienst)
    Seit über sechs Jahren berät Dr. Karsten Henkel von der Uniklinik Aachen Sportler aus dem Amateur- und Profisport. Sie melden sich, wenn sie Angstzustände haben, Depressionen oder bei Suizidgefahr. An der Telefon-Hotline bekommen sie eine kostenlose und anonyme Beratung. Ein großer Vorteil, den gerade Profi-Sportler gerne nutzen.
    Denn für viele ist es schwer, sich in einer schwierigen Lage jemandem in ihrem leistungsorientierten Umfeld anzuvertrauen. Auch deshalb wird von diesem Angebot in Zusammenarbeit mit der Robert-Enke-Stiftung seit Beginn viel Gebrauch gemacht – berichtet Karsten Henkel, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie:
    "Es gibt Leute, wo dann der Trainer anruft, und sagt: 'Der Spieler geht jetzt nicht mehr zum Training, und der ist auch immer so verschlossen. Ich habe das Gefühl, da müsste man mal was machen. Was gibt es denn für Möglichkeiten, wie kann ich den z.B. ermuntern, sich Hilfe zu suchen?' Es rufen zur Hälfte der Fälle Angehörige an, die sagen, 'hier ist jemand, der bräuchte jetzt eigentlich Hilfe. Was kann ich den denn jetzt sagen, was kann ich dem anbieten? Die andere Hälfte sind dann die Betroffenen selber."
    Angstzustände oder Depressionen treten häufig auf
    Karsten Henkel arbeitet eigentlich an der Uniklinik in Aachen - er vermittelt den Betroffenen im Erstgespräch die erforderliche psychologische Hilfe in ihrer Region. Dafür hat er mit seiner Beratungsstelle ein deutschlandweites Netzwerk an Ärzten, Psychologen, und Psychiatern aufgebaut.
    Wie wichtig eine solche Anlaufstelle für den Sport hierzulande ist, zeigt eine aktuelle Studie der internationale Spielergewerkschaft FIFpro zur mentalen Gesundheit bei aktiven und ehemaligen Fußballspielern. Dabei kam heraus, dass mehr als ein Drittel der befragten Kicker schon einmal mit Angstzuständen oder Depressionen zu kämpfen hatte.
    Wenig psychologische Betreuung in der Bundesliga
    Bei den aktiven Fußballern sind es noch mehr, als bei den ehemaligen Profis. Zudem sind Spieler mit drei oder mehr Verletzungspausen in ihrer Laufbahn viel eher anfällig für mentale gesundheitliche Probleme. Ulf Baranowsky von der deutschen Spielergewerkschaft hat auch deshalb eine aktuelle Befragung zur psychologischen Betreuung von Profiteams in der Bundesliga durchgeführt – mit überraschendem Ergebnis:
    "Es ist so, dass im Bereich des Profi-Fußballs, also Bundesliga, 2. Bundesliga, und 3. Liga nur 15 Prozent der Klubs ein wirkliches professionelles, sportpsychologisches Beratungsangebot vor Ort haben. 60 Prozent machen nichts in dem Bereich. Die übrigen 25 Prozent haben ein Angebot, was zwar von guten Willen gekennzeichnet ist, was aber noch nicht genügend ausdifferenziert ist. Und vor Ort nicht immer jemand da ist. Und das ist natürlich keine gute Sache, denn wir wissen von vielen Spielern, dass der Schuh mental auch drückt!"
    Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV
    Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV (dpa / Jürgen Fromme / firo Sportphoto/VDV)
    Fest angestellte Sportpsychologen bei den Profimannschaften sind also weiterhin eine Seltenheit. Sie sind in erster Linie dafür zuständig, dass die Spieler mit Drucksituationen umzugehen lernen. Also die so genannte mentale Leistungsfähigkeit vermitteln. Allerdings könnten sie mit ihrem Hintergrund auch frühzeitig mentale gesundheitliche Probleme erkennen, und damit den Fußballern bei dieser Art von Problemen Hilfestellung leisten.
    Angst vor der Öffentlichkeit
    Auch wir wollten mit den Vereinen darüber ins Gespräch kommen, doch die, die wir angefragt hatten, wollten sich zu diesem Thema nicht äußern. Offenbar gibt es sogar statt mehr Stellen weniger. Laut der Spielergewerkschaft VDV haben einige Klubs die in den Profiteams beschäftigten Sportpsychologen wieder abgeschafft. Für Ulf Baranowsky genau der falsche Weg. Er fordert zudem externe Beratungsangebote der Vereine für die Profis bei psychischen Problemen:
    "Auf der anderen Seite ist es so, dass die Spieler natürlich sagen, dass sie mit ernsthaften Fragen zur Sportpsychologie nur an eine Stelle außerhalb gehen würden. Weil sie schon auch Angst haben, dass mögliche psychische Erkrankungen an die Öffentlichkeit durchdringen könnten. Oder an sportliches Führungspersonal, und dass das die Karriere gefährden könnte. Und wir kennen als VDV halt viele Fälle, wo die Spieler dann sogar ausgegrenzt wurden. Und den Verein nach Auslaufen des Vertrages auch verlassen mussten, und danach große Probleme hatten."
    Ein Beispiel: Fußballprofi Dennis Aogo. Er gab letztens öffentlich zu, sich während seiner Zeit beim HSV externe psychologische Unterstützung geholt zu haben. Aogo war damals als junger Nationalspieler Aushängeschild des Vereins. Seinen Umgang mit dem Erwartungsdruck wollte er lieber mit einem Experten außerhalb des HSV-Umfelds besprechen.
    Dennis Aogo vom VfB Stuttgart steht auf dem Platz.
    Dennis Aogo vom VfB Stuttgart. (imago sportfotodienst)
    Karsten Henkel vom Beratungstelefon "Sport und seelische Gesundheit" kennt die Abhängigkeiten, die Spieler oft davon abhalten, sich an den eigenen Klub zu wenden. In einer leistungsorientierten Umgebung wie dem Profi-Sport falle er besonders schwer, sagt der Facharzt:
    "Das Andere ist natürlich, dass viele von denen, insbesondere wenn sie kämpfen um einen Kaderplatz, oder wenn sie in einer Mannschaft sind, und kämpfen da um ihren Platz - dass sie dann auch ungerne sagen wir mal diese Defizite, die zurzeit gerade da sind, anderen Leuten gegenüber äußern. Insbesondere nicht den Leuten, die mit ihnen im Wettkampf stehen. Nicht unbedingt auch den Leuten, die entscheiden, ob sie aufgestellt werden, oder nicht. Wie der Trainer oder Betreuer aus dem Bereich. Weil sie natürlich Angst haben, dass ihnen das negativ ausgelegt wird, und sie sich möglicherweise hintenanstellen müssten, und nicht aufgestellt werden."
    Mittlerweile sollte den Bundesligavereinen klar sein, dass viele Profis unter Symptomen von psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen leiden. Doch nur wenige Klubs stellen sich dieser Problematik, z.B. mit fest angestellten Sportpsychologen.