Jürgen Zurheide: Fußballbundesliga, sie geht heute in die letzte Runde, der letzte Spieltag. Eigentlich oben ist nichts mehr zu entscheiden oder jedenfalls nicht viel, die Bayern sind wieder einmal Deutscher Meister, unten ist es noch ein Stück weit spannend. Diese Saison wollen wir noch einmal Revue passieren lassen, was waren die besonders herausragenden Dinge, was hat sich gezeigt? Und reden wollen wir mit Manni Breuckmann, dem Fußballreporter des Westdeutschen Rundfunks, den ich jetzt herzlich am Telefon begrüße! Guten Morgen, Herr Breuckmann!
"Die Bundesliga erlebt ständig einen großen Hype"
Manfred Breuckmann: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Fangen wir mal an: Die Bayern vorne, fünfte Meisterschaft hintereinander in Folge. Eigentlich könnte man sagen: Ist langweilig! Und trotzdem sind die Stadien voll! Können Sie uns den Widerspruch auflösen oder ist es kein Widerspruch?
Breuckmann: Die Bundesliga erlebt ständig einen großen Hype, seit Jahren geht es aufwärts. Wir haben ja über 42.000 Zuschauer im Schnitt. Die Bundesliga ist eine beliebte Liga und da lässt man sich auch nicht vertreiben, wenn die Bayern Deutscher Meister werden zum fünften Mal hintereinander. Für mich ist das wie Spargel ohne Hollandaise oder wie Erdbeeren ohne Sahne. Wir werden uns vielleicht noch länger daran gewöhnen müssen.
"Leipzig ist ja ein sehr viel diskutierter Verein"
Zurheide: Jetzt könnte man sagen: Erfolg ist planbar. Wir sehen das in München, die kriegen es irgendwie hin, dass sie immer besser sind als die Konkurrenz, zumindest hier in Deutschland. Jetzt kommt Leipzig! Die haben dran gerochen, das war ja schon mal nah, und die kommen als Aufsteiger! Ich habe gerade gesagt: Erfolg ist planbar – Fragezeichen, Ausrufezeichen?
Breuckmann: Da musst du die richtigen Leute für haben, wenn der Erfolg wirklich planbar sein soll. Leipzig ist ja ein sehr viel diskutierter Verein, aber wenn man das mal wegnimmt, muss man sagen, dass die ohne große Stars gearbeitet haben, ohne Tradition auch, ohne Popularität außerhalb ihrer Region. Aber da ist so ein Mann wie der Herr Rangnick oder der Trainer Hasenhüttl, die haben eine Mannschaft zusammengestellt, da ist kein Neueinkauf über 24 Jahre alt, sie haben die These aufgestellt: Wir geben hier keinem großen Star den letzten Vertrag seiner Karriere. Und das hat offensichtlich Erfolg gehabt, da muss man den Hut ziehen.
Zurheide: Jetzt könnte ich die These wagen: Geld schießt keine Tore! Im Umkehrschluss, "Geld schießt Tore" galt ja lange mal. Wenn man auf Schalke schaut, 70 Millionen haben die glaube ich ausgegeben, eine, wie ich finde, unvorstellbare Summe. Es hat nicht geklappt! Also, ist nun Geld oder nicht Geld? Oder nur planbar?
"Die Schalker haben im Abstiegskampf nicht den nötigen Biss entwickelt"
Breuckmann: Da ist nicht alles schwarz, da ist nicht alles weiß. Es ist auf jeden Fall …
Zurheide: Oder blau.
Breuckmann: Es ist auf jeden Fall enttäuschend … Blau in dem Falle … Sehr enttäuschend, dass die Schalker mit dem Anspruch, den sie haben, mit dem Geld, das sie investiert haben, nur im tristen Mittelfeld der Bundesliga gelandet sind. Da sollte doch zumindest ein internationaler Platz dabei sein. Da gibt es eine Menge Gründe, unter anderem den, dass die Schalker einfach im Abstiegskampf – und der war es ja – nicht den nötigen Biss entwickelt haben, und damit kommt man nicht weiter. Das Gleiche gilt ja auch für Bayer Leverkusen: Die haben viele Schönspieler, aber nicht die richtigen Kämpfer in ihren Reihen. Und das muss man haben, wenn man in ernsthafte Gefahr gerät in der Fußballbundesliga.
Zurheide: Dagegen gibt es ein anderes … ich will nicht sagen: Modell, aber zumindest fällt es auf, die Freiburger, eine Art Underdog, wenn man sieht, welchen Etat sie haben – ich glaube, der zweit- oder drittkleinste Etat –, und die kratzen an Europaplätzen! Was ist das? Zufall, Glück, Können oder alles zusammen?
Breuckmann: Also, das sind in allererster Linie immer saubere Verhältnisse in den Vereinen, keine Skandale, Harmonie unter den handelnden Personen. Das liebe ich ja, das gibt es in einigen Fällen der Fußballbundesliga. Mainz ist auch so eine Truppe, die haben in der Krise eben nicht den Trainer rausgeschmissen und werden sich mit ziemlicher Sicherheit retten. Werder Bremen hat eine tolle Rückrunde abgeliefert mit dem Trainer Nouri und haben auch noch gekratzt an den europäischen Plätzen. Das ist eine Möglichkeit in dieser Fußballbundesliga. Aber auf Dauer oben etablieren können sich wirklich nur die renommierten Clubs, darüber muss man sich im Klaren sein.
"Die Identifikation der Fans mit ihrem Traditionsclub ist ernsthaft in Gefahr"
Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal auf die Bundesliga ganz grundsätzlich. Wir haben es am Anfang gesagt oder Sie haben es gesagt: Die Zuschauerzahlen sind enorm, so hoch wie selten zuvor. Trotzdem hat sich da was verändert. Fußball, das Spiel steht nicht unbedingt im Mittelpunkt, das hat einen Eventcharakter. Ich hätte jetzt fast zynisch gesagt, gelegentlich hat man da den Eindruck, habe ich den Eindruck, die Häppchen in der Pause werden wichtiger. Beobachten Sie das auch?
Breuckmann: Langfristig ist das aus meiner Sicht eine Gefahr für die Fußballbundesliga. Die Verantwortlichen sagen im Augenblick: Was unkt ihr da rum, uns geht es doch wirklich gut. Der Bundesliga geht es im Übrigen auch finanziell recht gut. Aber wenn man sich das anguckt, dass zum Beispiel so ein Nachwuchsspieler wie der Sané von Schalke für 50 Millionen Euro zu Manchester City verkauft wird: Die Fans verlieren allmählich das Verständnis für diese Dimensionen. Sie gehen teilweise auch mit einer anderen Einstellung in das Stadion, sie wollen unterhalten werden, Fußball ist Showbusiness. Wenn die Unterhaltung ausbleibt, dann wenden sie sich vielleicht irgendwann auch mal ab. Die Identifikation der Fans mit ihrem – in Klammern – Traditionsclub ist ernsthaft in Gefahr, wenn auch noch nicht als großes Menetekel an der Wand sichtbar.
DFB habe "so eine Konstruktion wie Leipzig" durchgewunken
Zurheide: Jetzt haben Sie gerade ein wichtiges Stichwort genannt in der Tat: Tradition gegen Retorte. Wir hatten das ja schon am Anfang mit Leipzig. Wobei, stimmen die Beschreibungen – und ich meine, wenn Dortmund als Traditionsclub gilt, das ist der erste börsennotierte Club gewesen oder einer der ersten –, stimmen die Begrifflichkeiten eigentlich?
Breuckmann: Auch da verwischt sich einiges. Wobei man im Falle Leipzig sagen muss, das ist schon etwas ganz Besonderes, wenn man in die fußballerische Einöde geht, kauft sich dort einen Club aus der vierten Liga und macht das als Marketingkonzept fest. Auf der anderen Seite haben Sie recht: Borussia Dortmund oder auch der FC Bayern München, da wird sehr viel mit Geld gearbeitet, da gibt es Sponsoren in großen Dimensionen. Deswegen kann man das letzten Endes auch gar nicht mehr verhindern, dass der DFB so eine Konstruktion wie Leipzig durchgewinkt hat. Das wird mehr werden und das wird, wie ich es schon angedeutet habe, auch eine Gefahr sein für die Fußballbundesliga, für die Beziehung der Fans zu ihren jeweiligen Clubs.
Zurheide: Und ist es immer noch schön, wo gehen Sie hin heute?
Breuckmann: Ich gehe heute zu einer Wettgemeinschaft, bei der ich seit Jahren tippe. Die befindet sich interessanterweise in Gelsenkirchen, ich konnte es aber im letzten Augenblick verhindern, dass ich mir dieses Freundschaftsspiel zwischen Ingolstadt und Schalke angucken muss. Wir gucken die Konferenz und interessieren uns in erster Linie für die Frage, ob der Hamburger SV auf den Platz kommt, wo er hingehört, nämlich auf den Relegationsplatz.
Zurheide: Das war Manfred Breuckmann, herzlichen Dank für das Gespräch! Wir haben es kurz vor der Sendung aufgezeichnet zum Schlussspurt in der Fußballbundesliga in dieser Saison.
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