„Hinter der Idee mit dem Start-up steckt natürlich meine ganz persönliche Sucht-Erfahrung!“ Der ehemalige Sport-Reporter Werner Hansch ist mittlerweile weit über 80 Jahre und dennoch seit kurzem Jung-Unternehmer. Zusammen mit einem Rechtsanwalt hat er ein Unternehmen gegründet, das Einsätze von Sportwetten-Anbietern zurückholen will.
Für den ehemaligen Glücksspiel-Süchtigen ist es dabei wichtig, seine Erfahrungen offen zu schildern: „Ich bin ja selber hineingeraten in diese fürchterliche Krankheit und habe mich dann Gott sei Dank auch mit freundlicher Hilfe von guten Freunden dann heraus gekämpft. Und habe das Gefühl mitgenommen, es wäre in meinem Alter noch eine wunderbare, ehrenvolle Aufgabe, anderen Menschen zu helfen.“
Landgericht Heilbronn urteilt für Spieler
Grundlage für das Geschäftsmodell von Werner Hansch und seinem Partner ist unter anderem ein Urteil des Landgerichts Heilbronn. Laut dem muss ein Online-Wettanbieter einem Spieler seine Einsätze zurückerstatten: Mehr als 375.000 Euro plus rund 78.000 Euro Zinsen.
In dem Fall handelt es sich um Tipico, Offizieller Partner der Bundesliga und 2. Bundesliga. Für das Gericht maßgeblich dabei: Die fehlende Konzession des Anbieters, bevor der aktuell gültige Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten ist. Dem Wettanbieter fehlte also eine offizielle Genehmigung für sein Angebot.
Tipico: Mehrheit der Klagen abgewiesen
Das Unternehmen bestätigt auf Deutschlandfunk-Anfrage eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen in Sportwett-Verfahren. Allerdings betont ein Sprecher schriftlich: „In der überwiegenden Mehrheit der gegen Tipico geführten und bereits entschiedenen Sportwett-Verfahren sind die Gerichte unserer Rechtsauffassung gefolgt und haben die Klagen erstinstanzlich abgewiesen.“
Tipico stützt sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Das Unternehmen habe sich stets um eine Konzession bemüht, konnte die aber wegen fehlender Gesetzesgrundlagen nicht erhalten. Erst mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag sei dies überhaupt möglich gewesen, also ab 2020. Die fehlende Konzession sei deshalb nicht Tipicos Schuld.
Online-Sportwetten ohne Konzession?
Verlorene Wetteinsätze klagt auch „Chargeback 24“ ein. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob ohne gültige Konzession überhaupt Online-Sportwetten hätten angeboten werden dürfen.
„Ich sage dazu immer: Okay, man kann sich natürlich auch um eine Konzession für ein Restaurant bewerben und wenn man die nicht erhält, kann ich ja trotzdem nicht einfach ein Restaurant aufmachen", sagt Florian Friederich, Geschäftsführender Gesellschafter des Start-ups. „Ich kann es zwar machen, aber dann ist es maximal eine Woche offen, und dann wird es geschlossen. Das heißt, ich kann nicht einfach ein Angebot machen, wofür ich keine Erlaubnis habe. Das ist grundsätzlich mal unsere Einstellung.“
Dennoch hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main kürzlich entschieden, dass Tipico nicht zur Rückzahlung verlorener Einsätze verpflichtet sei. Darauf bezieht sich das Unternehmen auch schriftlich auf die Deutschlandfunk-Anfrage: „Darüber wird naturgemäß von den Spieleranwälten und den hinter den Verfahren stehenden Prozesskosten-Finanzierungsgesellschaften nicht berichtet.“
200 Gerichtsentscheide zugunsten der Spieler
Eine dieser Gesellschaften ist eben „Chargeback 24“. Rund 200 Gerichtsentscheide gegen Online-Glücksspielanbieter lägen bereits vor, die zu Gunsten von Spielern ausgegangen seien. Das betrifft zum Beispiel Casino-Spiele oder ähnliches.
Bei Online-Sportwetten seien es momentan um die 30, entgegnet Florian Friederich: „Das waren Urteile, wie zum Beispiel das vom Landgericht Heilbronn. Wir haben auch einige Vergleiche geschlossen mit Anbietern. Es bleibt natürlich für uns immer ein Restrisiko. Aber wir sind auf jeden Fall überzeugt davon, dass geltendes Recht auch durchgesetzt werden kann.“
Manche der Verfahren befinden sich allerdings noch in Berufung. Auch die Rückzahlung von 375.000 Euro plus Zinsen vom Landgericht Heilbronn an einen Glücksspieler wird noch von der nächsthöheren Instanz bewertet. Es steht bei den bisherigen Verfahren also noch nicht fest, ob die Wettanbieter am Ende zahlen müssen.
Sportwetten-Anbietern drohen hohe Rückzahlungen
Für den ehemaligen Sportreporter Werner Hansch wird die derzeitige Klagewelle jedenfalls nicht abebben. Auch weil es so viele Betroffene aus der Zeit gebe, wo die Anbieter noch über keine Konzession verfügt hätten: „Allein mein Partner hat zurzeit schon über 300 Anfragen von Spielsucht geschädigten Menschen, die Ansprüche geltend machen werden. Also, man kann im Grunde sagen, diese Zahl ist auch noch nicht das Ende der Fahnenstange. Ganz im Gegenteil: Es sind hunderttausende Menschen, die noch darauf warten, dass ihnen geholfen wird.“
Sollten diese Klagen mehrheitlich zum Erfolg führen, drohen den Sportwetten-Anbietern entsprechend hohe Rückzahlungen. Im letzten Jahr vor der Konzessionserteilung für Tipico zum Beispiel betrugen die Umsätze der Branche hierzulande fast 10 Mrd. Euro.