Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat alle neun Profiklubs des Bundeslandes ins Deutsche Fußballmuseum eingeladen. Auf der Veranstaltung, die fast wie ein Festakt zelebriert wurde, sind die so genannten Stadionallianzen unterzeichnet worden.
Damit wollen Nordrhein-Westfalens Polizei und die dortigen Bundesligisten die Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen nachhaltig erhöhen, und der Entwicklung von Gewalt entschieden entgegentreten.
Für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sind die Stadionallianzen vor allem ein deutliches Zeichen an die Fans:
"Gemeinsame Bewertung von Gewalt, gemeinsame Distanzierung, auch wenn so etwas öffentlich passiert. Auch gemeinsame öffentliche Kommunikation. Also einfach auch gegenüber den Fans erklären lassen, Polizei und Vereinsführung bewerten das gleich. Und dann im Alltag dafür sorgen, dass es reibungslos läuft!"
Die Idee ist allerdings nicht neu. Solche Stadionallianzen gibt es in Baden-Württemberg schon seit der Saison 2017/2018, mit dem primären Ziel die Polizei in den Stadien zu reduzieren. Schon in der Saison 2018/2019 konnte das Bundesland damit 4.500 Polizei-Einsatzstunden in den ersten drei Ligen einsparen, schreibt die Deutsche Fußball-Liga dazu auf ihrer Webseite. Zudem ergänzt die DFL:
"Den Kern der Stadionallianzen bildet eine intensivierte spieltagsbezogene Zusammenarbeit von Clubs, Fanprojekten und der Polizei. Vor allem zwischen entscheidungsbefugten Verantwortlichen, die vor, während und nach einem Spiel gemeinsame Entscheidungen treffen und diese auch nach außen gemeinsam tragen."
In Baden-Württemberg sind an den Stadionallianzen wie von der DFL benannt, auch die Fanprojekte der Vereine beteiligt. In Nordrhein-Westfalen ist das jetzt nicht der Fall. Patrick Arnold von der Landesarbeitsgemeinschaft der NRW-Fanprojekte erklärt sich das so:
"Ich denke, Fanprojekte sind hier bewusst auch außen vorgelassen worden. Denn einige Punkte innerhalb des Konzeptes würden von Fanprojekten mit Sicherheit anders gesehen. Von daher kann ich auch nachvollziehen, dass wir da als Bedenkenträger nicht involviert worden sind."
"Kritische Erwartungen zerstreuen"
Die Fanhilfen in NRW, die sich als Anlaufstelle für alle Fußballfans sehen, die am Spieltag mit der Polizei in Konflikt geraten, forderten im Vorfeld der Unterzeichnung: die Ausgestaltung der "Stadionallianzen" sollten mindestens grundlegend überarbeitet werden. Da es dazu nicht kam, befürchten sie nun eine verstärkte Kriminalisierung von Fußballfans.
Diese Bedenken haben auch die Vereinsvertreter erreicht. So äußerte sich der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, dazu offen während seiner Ansprache im Fußballmuseum:
"Wir müssen auch nicht drum herumreden, dass es in der aktiven Fanszene durchaus andere, etwas kritischere Erwartungen an diese Kooperationsvereinbarung gibt. Die sollten wir idealerweise, um einen großen Konsens zu kriegen, auch in den nächsten Wochen und Monaten zerstreuen."
Doch daran zweifeln vor allem Fanorganisationen wie "ProFans". Für das bundesweite Fanbündnis ist der viel beschworene Dialog auf Augenhöhe mit Fans weder von Seiten der Funktionäre noch von den politischen Entscheidungsträgern gewollt. Wieder einmal seien Vereinbarungen, die vor allem Fans betreffen, völlig an den Betroffenen vorbeigetroffen worden.
NRW-Innenminister Herbert Reul sieht das anders. Für ihn sind die Stadionallianzen vor allem ein Schritt, um die Kostendiskussion für Polizeieinsätze an Bundesliga-Spieltagen zu beruhigen:
"Wir haben eine Debatte, ich finde eine elende Debatte darüber, wie wir die Gewalt im Stadion wegkriegen. Und die meisten Menschen glauben, am besten ist, wir lassen die Fußballvereine zahlen, dann ist alles gelöst. Ich habe das immer als totalen Unsinn empfunden, weil das löst ja kein Problem das Bezahlen. Ich meine die Frage, wie die Fans da eingebunden werden, ist glaube ich auch eine Frage, die die Vereine zu lösen haben. Aber ich habe überhaupt kein Problem damit, sie mit einzubinden. Es war kein Ausgrenzen, sondern wir wollten mal weiterkommen, und ich wollte aus der elenden Debatte ´bezahlen´ rauskommen."
Doch wie sensibel das Thema ist, zeigt der Inhalt der Vereinbarung. So sollen sich die Klubs z.B. von Spruchbändern aus der Kurve distanzieren, selbst wenn die "strafrechtlich relevante Schwelle" nicht überschritten wird. Wann dies der Fall sein könnte, legt die Allianz aber nicht konkret fest. Dafür sollen sich Polizei und Vereine jeweils untereinander abstimmen.
Aber auch Stadionverbote, die letztendlich die Clubs nach DFB-Richtlinien treffen, sind von den neuen Regelungen betroffen.
"Gravierende Einschnitte für Fans"
Steht eine Anhörung vor einer Stadionverbotskommission an, soll ab jetzt die Polizei schon vorab personenbezogene Erkenntnisse des betroffenen Anhängers an die Vereine übermitteln. Unabhängig davon, ob letztendlich ein Stadionverbot ausgesprochen wird, oder nicht. In diesen Kommissionen, die die Anhörungen durchführen, sitzen neben Club-Verantwortlichen auch Personen aus der Zivilgesellschaft.
Für Patrick Arnold von der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte in NRW ein fatales Signal an die organisierten Fanszenen:
"Für die Fans sind die Einschnitte durch dieses Papier auf jeden Fall gravierend. Vor allem kann man das auch kritisch sehen, dass die Polizei jetzt dann auch noch mitsprechen möchte vorab, bei der Vergabe von Stadionverboten. Das ist natürlich noch mal neu, und wird am Ende leider dafür sorgen, dass immer weniger Fußballfans, die an vielen Standorten gut funktionierende Stadionverbotskommission nicht mehr besuchen werden. Das wird dann am Ende für die Vereine, aber sicher auch für die Fanprojekte schwieriger in der Kommunikation mit aktiven Fußballfans."