Die Leverkusenerin Petra Dahl und die Freiburgerin Julica Goldschmidt haben gleich mehrere Dinge gemeinsam. Fast identisch ist aber eine Anekdote aus der Kindheit: „Ich war Teenie, ich war in der fünften Klasse - zwölf, ich glaube, so alt ist man da. Und ich hatte eine Klassenkameradin, die glühender SC-Fan war und die hat mich dann mal mitgenommen. Und ich weiß noch, dass mich das sofort umgehauen hat.“
Nahezu eine gleiche Initialzündung wie Julica Goldschmidt schildert, Petra Dahl, als sie ihre Liebe zum Fußball entdeckt hat: "Ich war das erste Mal im Stadion mit zwölf, und da war ich mit Freunden. Da durfte ich dann mit hin. Und es war natürlich unter Begleitung von Eltern und dann wollte ich dieses Live-Erlebnis Fußball immer wieder erleben und bin dementsprechend immer öfter hin und igrendwann gab es dann die Dauerkarte."
27 Jahre später bei Dahl, 30 Jahre später bei Goldschmidt kommt eine Jobanfrage: Willst du Stadionsprecherin werden? Beide sind überrascht - beide sagen sofort zu. Für die heute 53-Jährige Dahl ist es mittlerweile die 14. Saison. Eigentlich rufen sie alle nur bei ihrem Spitznamen: „einfach Pitti.“
Dahl: Stadionsprecherin für viele "ganz normal"
Ein echtes Urgestein im Business: "Eine Frau als Stadionsprecherin in der BayArena. Das ist für einen Großteil der Fans ganz normal. Ich mache das seit 14 Jahren. Das heißt, teilweise gibt es Fans, die dorthin kommen, Kinder, die kennen das nur mit mir. Oder die, die jetzt 20 sind, die sind groß geworden mit einer Frau als Stadionsprecherin bei Bayer 04 im Fußball."
Und sieht sie sich selbst da in der Vorreiterrolle? "Es war schon so, dass ich da jetzt nicht die erste war. Es gab natürlich schon Frauen, die als Stadionsprecherin oder als Co-Moderatorin dabei waren, aber für mich war das schon was Besonderes. Und natürlich war ich jetzt in der in der Bundesliga 13 Saisons lang die einzige. Aber in der 2. Bundesliga zum Beispiel gibt es ja auch die Daggi, die das bei Sankt Pauli schon Jahre macht."
Goldschmidt: "Frauen schon lange unterrepräsentiert"
Dass es mit ihr nun zwei Stadionsprecherinnen in der Bundesliga gibt, hat die heute 42-Jährige Julica Goldschmidt nicht komplett überrascht: "Geahnt habe ich das aber schon, dass Frauen an dieser Stelle unterrepräsentiert sind. Weil es natürlich damals als Stadionmoderatorin - also das ist eben der Job, die Moderation unten auf dem Platz zu machen - vor dem Spiel genauso aussieht. Das ist halt einfach heute immer noch so, und dann habe ich mich damit auseinandergesetzt und habe gesehen: aha, Leverkusen. Petra Dahl, okay. Und sonst nichts."
Als der SC Freiburg Anfang dieser Saison bekannt gibt, dass es in Zukunft eine Stadionsprecherin gäbe, sammeln sich in den Kommentarspalten im Internet Hass- und sexistische Kommentare. Goldschmidt fallen die zunächst gar nicht auf. Nach ihrem ersten Spiel, loggt sie sich aber doch bei Social Media ein: "Also da steht dann 'ich bin ja eigentlich für Gleichberechtigung, aber', und dann denkst du halt: ja, aber was denn jetzt? Und dann stand da 'ja im Fußballstadion schwierig'. Und dann denkst du dir warum?"
Auch Dahl wird im Netz angefeindet
Auch Dahl kennt das: "Also natürlich war es schon so, dass 2009, als ich begonnen habe, da war die Welt vielleicht auch noch nicht so offen für Stadionsprecherinnen, wie sie jetzt mittlerweile ist, 14 Jahre später. Da war es natürlich schon so, dass da auch über die Social-Media-Kanäle auch unschöne Sachen zu lesen waren, dann auch: 'Frau auf dieser Position wollen wir nicht sehen'."
Auch wenn Goldschmidts neuste Erfahrungen eher dafür sprechen, dass sich in den 14 Jahren weniger verändert hat, als Dahl glaubt - so ist der Hass und der mitschwingende Sexismus ein Phänomen, das sich laut beiden Stadionsprecherinnen auf das Internet beschränkt: Sie betonen, in der direkten Konfrontation sei das bisher noch nie passiert.
„Ich meine, ich hätte eine passende Antwort", sagt Dahl und grinst. Für sie sei es immer Ansporn gewesen, erst recht zu zeigen, dass sie das könne. Auch wenn die Tendenz im Internet offenbart, wie einige Fußballfans denken, betonen beide Stadionsprecherinnen, wie der eigene Verein für die Werte von Gleichberechtigung einstehe und ihnen ein gutes Arbeitsumfeld ermögliche. Beide sind für sich zur gleichen Lösung für den Umgang mit Hasskommentaren gekommen: "Keine Kommentare diesbezüglich mehr zu lesen. Seitdem geht es mir super“, sagt Goldschmidt.
Dahl: "Vereine müssen mutiger werden"
Und was braucht es, um mehr Positionen für Frauen im Fußball zu schaffen? „Ich glaube, dass es tatsächlich so ist, dass es immer selbstverständlicher wird. Und das ist verdammt gut so. Dass Frauen auch im Männerfußball, nicht nur im Frauenfußball, eine verdammt wichtige Rolle spielen und auch Rollen übernehmen, die man sich vor 20 Jahren noch gar nicht hätte vorstellen können. Ich denke, dass jeder Verein mutiger sein muss, offener sein muss", fordert die Leverkusenerin Dahl.
Auch für Julica Goldschmidt ist klar: „Ich glaube, die Frauen müssen gar nichts machen. Die sind bereit.“ Man müsse diese nicht auffordern nach vorne zu gehen, so Goldschmidt. „Es liegt an den Entscheiderinnen und Entscheidern. Also die Leute die Verantwortung haben.“
Goldschmidt sucht noch ihren eigenen Stil
Am Ende gibt es aber doch noch einen kleinen Unterschied zwischen der Leverkusener Routinier und der Freiburger Neubesetzung: „Also ich habe am Anfang natürlich auch aus großem Respekt vor dieser Aufgabe ganz viele Wordings tatsächlich von meinem Vorgänger übernommen. Der hatte mir netterweise alle seine Unterlagen überlassen. Und es hat sich natürlich nicht richtig angefühlt, weil es nicht meine Worte waren.“
Deshalb sagt Julica Goldschmidt auch nach fast drei Monaten im Amt: Sie sei gerade dabei, ihren ganz eigenen Stil zu finden. Petra Dahl hat ihren Stil nie gesucht, nur ein Satz der ist immer gleich: „Der letzte Satz war immer 'Wr freuen uns drauf. Wir freuen uns auf die Werkself und damit herzlich willkommen!' Das hat sich so entwickelt, das habe ich mir gar nicht vorgenommen. Sondern ich habe gedacht: Ich glaube, das hast du beim letzten Mal auch gesagt, ok, das sagst Du jetzt immer."