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Bundesligist Hannover 96
Kampf um Mitbestimmung

Ein Teil der aktiven Fanszene von Hannover 96 verweigert der Mannschaft aktuell die Stimmung im Stadion - ein Protest gegen die Vereinspolitik von Präsident Martin Kind. In dem Streit zwischen Fans und Verein geht es um die letzte Möglichkeit, bei der ausgegliederten Bundesliga-Mannschaft noch mitzubestimmen.

Von Hendrik Maaßen |
    Hannovers Fans fordern mit einem Plakat mehr Transparenz.
    Hannovers Fans fordern mit einem Plakat mehr Transparenz. (imago)
    1997 spielt Hannover 96 in der dritten Liga und ist insolvent. Martin Kind beginnt sein Engagement beim Verein. Er fängt an, Anteile zu kaufen, entwickelt das "Hannover Modell", mit lokalen Inverstoren schafft er es, den Verein zu einem Bundesligisten zu wandeln, der heute hervorragend da steht.
    "Martin Kind, wenn er vor vielen Jahren nicht angefangen hätte und den Verein dann gerettet hätte, dann würden wir wahrscheinlich heute in der dritten Liga rumgurken."
    Sagt ein Fan, doch das ist nur die eine Meinung.
    "Die Strukturen sind wenig transparent, weil es zu viele Subunternehmen und KG Kommanditgesellschaften hier und da gibt."
    "Er installiert irgendwo immer ganz viele Leute, die etwas zu entscheiden und zu sagen haben aber am Ende ist er doch, wenn es schief oder nicht richtig läuft derjenige, der die Macht an sich reißt."
    Die Anhänger von Hannover 96 sind gespalten, denn 20 Jahre nach seinem ersten Engagement strebt Martin Kind nach der vollen Kontrolle über Hannover 96, um neue Kapitalgeber zu finden. Eigentlich dürfen Bundesligavereine nicht mehrheitlich von einem Geldgeber geführt werden, das verbietet die 50+1 Regel. Doch schon 2011 erstritt sich Kind beim Ligaverband einen Kompromiss. Es kann Ausnahmen der Regel geben, wenn sich ein Investor über 20 Jahre in erheblichen Umfang bei einem Club engagiert hat. 1997 – 2017: Martin Kind stellte im Sommer den Ausnahmeantrag. Zum großen Ärger einiger Fanvertreter:
    "Gemäß der Richtlinien, die die DFL sich selber gegeben hat, dürfte sie eigentlich diesen Ausnahmeantrag von Herrn Kind nicht positiv bescheiden", sagt Robin Krakau von der Interessensgemeinschaft "ProVerein 1896".
    "Weil da einfach sehr viele Kriterien drinstehen, die unseres Erachtens überhaupt nicht erfüllt wurden über die letzten 20 Jahre. Die Frage ist natürlich, inwiefern die DFL und anschließend auch der DFB, der auch zustimmen muss, inwiefern die ihre eigenen Kriterien wirklich ernstnehmen. Und wie ernst ihnen das Thema 50+1 wirklich ist."
    Versuche der Fanvertreter wurden bislang abgewiesen
    Im Kern geht es um die Frage, was die Deutsche Fußball Liga unter einer "erheblichen Förderung des Vereins" versteht. Martin Kind ist sich seiner Sache ziemlich sicher: "Es liegt im Ermessensspielraum der DFL. Das sind Empfehlungen, aber keine Forderung und die Entscheidungen fallen im Ermessensspielraum der DFL. Deshalb warten wir doch einfach die Entscheidung ab."
    Die Opposition lässt derzeit nichts unversucht, um die Übernahme der Mehrheit in der Management GmbH noch zu verhindern. In drei Verfahren wurden die Versuche der Fanvertreter bislang abgewiesen. Die Interessensgemeinschaft "ProVerein 1896" will aber weiter kämpfen und Beschwerde einlegen.
    "Nein, ich glaube es hat auch keiner grundsätzlich etwas gegen Investoren. Man ist ja nicht rückwärtsgewandt in der Thematik. Bloß: Es ist eine Philosophie-Frage, ob die Vereine, die ursprünglichen Vereine und vor allem deren Mitglieder, auch weiterhin ein Mitspracherecht haben und sich auch verbunden fühlen möchten mit der Profimannschaft durch ihre Mitgliedschaft. In dem Moment, wenn das halt eben nicht mehr da ist, sehen wir halt eben schon die Richtung vorgegeben, wie es beispielsweise in England ja schon länger der Fall ist, dass dann die Fans einfach weniger Bindung zu Ihrer Mannschaft haben und die Stimmung darunter leiden würde. Ticketpreise werden hochgehen. Das sind halt einfach unsere Horrorszenarien, die wir haben."
    Doch hier zeigt sich, dass beide Seiten wieder miteinander reden sollten.
    "Dieser Blödsinn. Es gibt ein "Hannover-Modell" und das besagt eindeutig: Es sind immer nur Gesellschafter, keine Investoren, Gesellschafter aus der Region Hannover sind die Eigentümer, andere wird es nicht geben."
    Obwohl es sportlich für Hannover außerordentlich gut läuft, ist die Stimmung am Maschsee unterirdisch. Der Oppositionsführer und Aufsichtsrat Ralf Nestler will sich aktuell nicht äußern und Martin Kind ist schnell gereizt. Denn für ihn ist es eine sinnlose Diskussion:
    "Das Herzstück des Fußballs gehört bereits hier in Hannover den vier Eigentümern, das heißt: Der e.V. kommt an diesem Bereich sowieso nicht mehr ran. Das muss man mal ganz deutlich sagen. Ich glaube, dass da viele falsche Vorstellungen im Hinblick auf Unternehmensrecht, Eigentumsrecht und Verfügbarkeit bestehen. Das muss allen Beteiligten klar sein, dass dieser Prozess bereits im Jahr 2014 abgeschlossen wurde."
    2014 verlor der Stammverein die letzten Anteile an der Lizenzspielerabteilung, der ausgegliederten Bundesliga-Mannschaft. Die wichtigen Entscheidungen werden von der Investorengesellschaft unabhängig von den Vereinsmitgliedern getroffen. Fanvertreter Krakau:
    "Die Diskussion muss grundsätzlich geführt werden, egal zu welchem Zeitpunkt. In Sachen Transparenz ist Herr Kind da nicht ganz so spendabel gewesen mit seinen Informationen, wie er das jetzt darstellt. Er hat zwar immer gesagt, dass er das Ganze anstrebt aber gerade gegenüber den Mitgliedern des Vereins hat er nie eine größere Transparenz in die Richtung walten lassen, worum es denn überhaupt geht und woraufhin er seinen Antrag überhaupt begründet."
    Präsident Kind findet deutliche Worte
    Martin Kind beruft sich darauf, dass er es gegenüber dem Stammverein auch nicht in allen Belangen muss. Doch das entspricht nicht dem Verständnis vieler Fans an der Basis.
    "Herr Kind würde sich früher oder später irgendwo zurückziehen, das ist nur eine Frage der Zeit. Dafür werden aber jetzt die Weichen gestellt. Wenn jetzt 50+1 ausgehebelt wird, wer weiß, was in zehn Jahren in 15 Jahren ist. Herr Kind hat mal seinen Sohn als Erben oder einen seiner Söhne als Erben mit ins Spiel gebracht. Zwei Wochen später hat er über eine AG philosophiert. Das heißt, man weiß überhaupt nicht, was Herr Kind später einmal vorhat, deswegen ist es jetzt umso wichtiger, eine Grenze zu ziehen."
    Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk beteuert Kind, dass er eine Kapitalerhöhung mit regionalen Investoren anstrebt, wenn ihn die Deutsche Fußball Liga lässt. Die will bis Ende des Jahres über den Ausnahmeantrag von Kind entscheiden. Bis dahin sorgen die Fanvertreter von der Interessengemeinschaft "ProVerein 1896" für so viel Gegenwind wie noch nie. Präsident Kind findet deutlich Worte:
    "Ja, das sind die Leute, die vor 20 Jahren noch gar nicht präsent waren. Jetzt geht es 96 relativ gut und da möchte man auch mitsprechen. Aber das ist zu spät."