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Bundesnaturschutzgesetz
"Der Herdenschutz bleibt auf der Strecke"

Durch die Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes wird - neben dem Wolf - auch das Töten anderer geschützter Tiere erleichtert. Doch statt einem praktischen Nutzen würden die Änderungen viel Verwirrung bringen, sagte Marie Neuwald vom Naturschutzbund im Dlf. Der Herdenschutz hingegen komme zu kurz.

Marie Neuwald im Gespräch mit Anh Tran |
Zwei Fischotter in ihrem Gehege im Tierpark Kunsterspring der Fontanestadt Neuruppin (Brandenburg).
Fischotter sind geschützte Tiere (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
Anh Tran: Stehen bald Fischotter, Biber und Kegelrobbe zum Abschuss frei? Die Bundesregierung will das Bundesnaturschutzgesetz ändern. Anlass dafür waren vermehrte Wolfsangriffe auf Weidetiere wie Schafe. Darin ist geregelt, in welchen Einzelfällen auf streng geschützte Tiere geschossen werden kann. Umweltschutzverbände kritisieren die geplante Gesetzesnovelle, die heute dem Bundesrat zur Beratung vorliegt.
Kurz vor dieser Sendung fragte ich Marie Neuwald vom Naturschutzbund Deutschland, wieso demnächst auch Fischotter getötet werden könnten.
Marie Neuwald: Dieses neue Gesetz oder die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hat ja als Ziel, die Ausnahme für Entnahmen umzustrukturieren, zu vereinfachen. Streng geschützte Tiere, da ist es bis jetzt äußerst schwierig, diese zu entnehmen, wenn es zu Problemen kommt. Aber aus unserer Sicht muss man doch sagen, die Vorkehrungen, die da bis jetzt getroffen werden können, die rechtlichen Möglichkeiten, die wir haben mit dem aktuellen Bundesnaturschutzgesetz, reichen auf jeden Fall aus für die Fälle, in denen eine Entnahme wirklich gerechtfertigt wäre.
Wir sehen hier eher den Knackpunkt daran, dass die Kapazitäten bei den entscheidenden Gremien oder Behörden einfach nicht gegeben werden, dass die wirklichen Richtlinien nicht klar definiert sind, was muss denn ein Fischotter oder zum Beispiel auch ein Wolf wirklich gemacht haben, um entnommen zu werden. Da sehen wir eher den Knackpunkt und nicht in einer Gesetzesänderung.
"Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit"
Tran: Was muss er denn gemacht haben? Im alten Gesetz steht ja "erhebliche Schäden". Im neuen Gesetzesentwurf steht "ernste Schäden". Was macht denn da den Unterschied?
Neuwald: Ja, das ist tatsächlich die Frage. Ich habe mit sehr vielen Juristen dazu geredet und die Antwort war eigentlich überall, es ist Auslegungssache. Auch das sind keine feststehenden Begriffe. "Ernst" wird eher in Verbindung gebracht mit existenzgefährdend. Da muss dann aber auch geschaut werden, existenzgefährdend für den einzelnen Betrieb, existenzgefährdend für mehrere Betriebe oder die Branche. Es gibt da auch sehr viele Unsicherheiten, was denn diese Wörter bedeuten, diese Formulierungen. Und deshalb: Ich sehe persönlich jetzt nicht, wie diese Gesetzesänderung zu mehr Klarheit im Umgang mit problematischen, geschützten Tieren führen soll.
Tran: Kann man sagen, ab wann getötet werden darf?
Neuwald: Das kann man ja auch jetzt schon sagen. Es ist natürlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Wir plädieren dafür, wenn zum Beispiel ein Wolf – das ist ja das Thema, mit dem ich mich besonders beschäftige – mehrmals wirklich guten Herdenschutz überwunden hat, dann ist davon auszugehen, dass dieser Wolf das auch fortführen wird, und man kann natürlich nicht vom Weidetierhalter verlangen, die Zäune immer höher zu machen, immer noch weiter zu verstärken. Irgendwo ist da auch Schluss.
Das wäre dann so ein Fall, wo man den Wolf auch entnehmen könnte. Das ist ja in den Management-Plänen der jeweiligen Bundesländer auch schon geregelt. Mit den Weidetierhaltern unterstützen wir die Forderung, dass hier eine Vereinheitlichung stattfindet, dass nicht mehr jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht mit den Anforderungen an die Weidetierhalter, was Herdenschutz angeht, sondern dass hier ein gemeinsamer Weg gefunden wird.
"An Herdenschutz führt kein Weg dran vorbei"
Tran: Sie haben gerade gesagt, Ihr Spezialgebiet ist der Wolf. Für den ist eine Verschärfung der Gesetze gerechtfertigt?
Neuwald: Wir sehen es nicht gerechtfertigt, weil die Gesetzeslage, so wie sie jetzt ist, wenn sie wirklich angewandt wird, ist ja schon völlig ausreichend. Man darf sich das jetzt aber auch nicht so vorstellen, falls diese Gesetzesänderung des BNatG wirklich umgesetzt wird, wie sie jetzt da steht, dass dann auf einmal massenhaft Wölfe abgeschossen werden dürfen. So wird das auch dann nicht sein. Es ist trotzdem ein sehr enger juristischer oder rechtlicher Rahmen, in dem sich das dann noch befindet.
Und was ja auch immer gerne vergessen wird ist, dass nicht der komplette Ausnahmeparagraph 45 geändert wird, sondern nur ein Teil davon. In einem anderen Teil bleibt immer noch bestehen, dass zumutbare Alternativen zu dieser Entnahme - oder nennen wir es beim Wort: Tötung - erst ausgeschöpft sein müssen. Das ist beim Thema Wolf der Herdenschutz. An Herdenschutz führt kein Weg dran vorbei.
Das ist das A und O. Ich würde mir sehr wünschen, dass Bundesumweltministerium und das Bundeslandwirtschaftsministerium sich zusammensetzen, nicht um Gesetze zu ändern, die dann im Endeffekt doch wieder Jahre brauchen, bis Klarheit besteht, wie sie denn zu interpretieren sind, sondern dass sie sich zusammen an einen Tisch setzen, überlegen, wie können wir die Weidetierhaltung besser fördern, wir können wir den Herdenschutz voranbringen, was gibt es hier noch für Innovationen, die gefördert werden müssen. Weil ich bin mir sicher: Auch mit dem Herdenschutz, den wir jetzt schon haben, das ist bestimmt noch nicht das Maß aller Dinge.
Wir kriegen das bestimmt noch praktikabler hin, vielleicht mit leichteren Netzen und so weiter. Aber wenn wir uns die ganze Zeit mit so was wie Gesetzesänderungen beschäftigen, die im Endeffekt keinen praktischen Nutzen bringen werden und ganz viel Verwirrung bringen und viele Kapazitäten fressen, bleibt einfach der Herdenschutz auf der Strecke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.