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Bundesnetzagentur hält niedrigere Strompreise für möglich

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, macht den Stromkunden Hoffnung auf Preissenkungen. Grund seien niedrigere Gebühren für die Netznutzung, die seine Behörde in den nächsten Wochen durchsetzen werde, sagte Kurth. Die Netzagentur hat zunächst beim Vattenfall-Konzern eine Senkung der Entgelte für die Nutzung der Netze durch andere Stromanbieter um 18 Prozent erreicht.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Den Strommarkt in Deutschland beherrschen vier große Energiekonzerne, und die planen Zeitungsberichten zufolge im kommenden Jahr erneut Strompreiserhöhungen. So heißt es aus den Konzernzentralen, es seien noch keine Entscheidungen getroffen, doch die Dementis sind eher lau, und die Politiker warnen die Konzerne schon einmal vorab vor solchen Preiserhöhungen. Wir können wohl davon ausgehen, auf längere Sicht wird der Strom teuerer, noch teuerer. Dabei, so rechnen Verbraucherschützer vor, zahlen wir schon jetzt ein Viertel mehr als wir müssten, wenn es denn Wettbewerb gäbe auf dem Strommarkt. Den aber gibt es nur sehr eingeschränkt, was eben daran liegt, dass sich die vier Großen der Branche, RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall, den Markt teilen und ihnen nicht nur die meisten Kraftwerke gehören, sondern auch ein Großteil der Stromnetze selbst.

    Einer, der die Aufgabe hat, für mehr Wettbewerb zu sorgen, ist der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth. Einen schönen guten Morgen, Herr Kurth!

    Matthias Kurth: Guten Morgen, Herr Spengler!

    Spengler: Herr Kurth, Sie haben vor kurzem einen der vier Konzerne, Vattenfall nämlich, dazu verdonnert, die Preise, die Vattenfall für die Nutzung seiner Netze von anderen haben will, um 18 Prozent zu senken. Und das ist jetzt von einem Gericht bestätigt worden. Wie wichtig ist dieser Erfolg für Sie?

    Kurth: Das ist ein sehr wichtiger Erfolg, weil es zunächst einmal die erste grundlegende Bestätigung unserer Entscheidungspraxis ist, die auch nicht mehr angreifbar ist. Das Gericht hat darüber hinaus sehr klare Worte gefunden über den Sinn unserer Arbeit, über die Ziele des Gesetzes. Vor allen Dingen hat es etliche Zweifelsfragen, die von den betroffenen Unternehmen immer wieder auch politisch diskutiert werden, ausgeräumt. Also wir haben jetzt eine klare und eindeutige Rechtsgrundlage für die weiteren Entscheidungen.

    Spengler: Sie haben diese weiteren Bescheide angekündigt. Wann ist das so weit?

    Kurth: Wir werden jetzt Ende des Monats, also um den Monatswechsel herum zum August, weitere große Übertragungsnetzbetreiber bescheiden, und dann im Laufe des Augusts zügig auch die Verteilnetzbetreiberentscheidungen herausgeben.

    Spengler: Wird es denn überall Senkungen der von den Großnetzbetreibern beantragten Gebühren geben?

    Kurth: Es zeichnen sich weitere Senkungen ab. Die werden sicherlich nicht mehr immer das Ausmaß haben wie im Fall Vattenfall, weil wir ja auch jedes Unternehmen individuell behandeln und weil natürlich jedes Unternehmen auch unterschiedliche Effizienzen im Netz hat.

    Spengler: Das ist klar. Aber die 18 Prozent, das war das Maximum?

    Kurth: Die Kürzung bei Vattenfall hat einige Besonderheiten. Wir haben ja zum Beispiel gerade die Windenergiekosten, die Vattenfall geltend gemacht hat, deshalb gekürzt, weil sie teurer, erheblich teurer sind als die der anderen Übertragungsnetzbetreiber. Wenn dieses Argument stimmt, können wir natürlich nicht bei den anderen die gleiche Kürzung vornehmen. Jedes Netz hat Besonderheiten, und wir wollen natürlich auch individuell und gerecht gegenüber allen vorgehen.

    Spengler: Aber noch mal gefragt: 18 Prozent, mehr wird es nicht werden?

    Kurth: Das kann ich jetzt bei über 200 Anträgen, die wir noch zu bescheiden haben, nicht ausschließen, dass auch einer mal dabei ist, der mehr als 18 Prozent hat. Aber es wäre jetzt verfehlt, das als Messlatte für alle zu nehmen.

    Spengler: Was bedeuten denn die 18 Prozent weniger Netzgebühr für den Endkunden, also für den Verbraucher?

    Kurth: Das wird meistens etwas kleingeredet, weil man ja sagt, die Übertragungsnetzkosten machen an den Gesamtnetzkosten wie gesagt nur zehn Prozent aus, und die Netzkosten machen am Strompreis sozusagen wieder ein Drittel aus. Also kann man das immer klein runterrechnen. Andererseits für das betroffene Unternehmen, das haben Sie ja selbst gesagt, macht das einen Betrag von, wie Vattenfall sagt, zirka 150 Millionen aus. Das sind keine Kleinigkeiten. Sonst wäre ja auch die Kritik nicht so groß zunächst gewesen. Zweitens werden wir ja nicht Halt machen bei den Übertragungsnetzbetreibern, sondern wir sehen uns ja auch die Verteilnetzbetreiber an. Wenn es dort zu ähnlichen Senkungen kommt, dann hat das schon signifikanten Einfluss auch auf die Strompreise.

    Spengler: Herr Kurth, können wir es noch ein bisschen konkreter machen? Eine Kilowattstunde kostet für den Endverbraucher ungefähr 20 Cent. Kann man sagen, wie viel Sie davon als Agentur beeinflussen können?

    Kurth: Ja. Wir können ein Drittel des Preises kontrollieren, sage ich jetzt mal, schätzungsweise ein Drittel, nämlich den Teil des Endkundenpreises, der für die Netznutzung dem Kunden in Rechnung gestellt wird. Wenn diese Netznutzung überhöht ist, dann kann auch dieses Drittel nach unten gehen. Nicht der Gesamtstrompreis, also nicht die Erzeugung; die beeinflussen wir nicht. Den Handel beeinflussen wir auch nicht, aber den Teil der Netzkosten. Und die sind in Deutschland in der Tat - das zeigen unsere Untersuchungen - nicht so effizient wie sie sein könnten. Im Übrigen würden wir ja auch nicht Halt machen mit dieser einen Entgeltkontrolle, sondern das ist ja eine Entscheidung zunächst mal für ein Jahr. Wir sind ja dabei zu sagen, wir müssen über die nächsten zehn Jahre hinweg die Netzeffizienzen weiter fördern. Wir sind dabei, ein Anreizkonzept zu entwickeln, dass von Jahr zu Jahr die Kosten günstiger werden. Das ist eine langfristige Aufgabe und nicht eine punktuelle Kontrolle.

    Spengler: Aber Wettbewerb haben wir damit noch nicht?

    Kurth: Das ist ein wichtiges Element zum Wettbewerb. Wenn der Zugang zu den Netzen besser wird, wenn er diskriminierungsfreier wird, wenn die Kosten günstiger werden, dann werden auch die Chancen für unabhängige Erzeuger, für neue Händler, insgesamt werden die Rahmenbedingungen besser. Wir brauchen natürlich auch mehr Liquidität im Strommarkt. Wir brauchen mehr Erzeugung. Aber auch da ist ja das Kartellamt an bestimmten Fällen tätig, um die Erzeugungsbereiche, die Liquidität zu verbessern. Wenn all diese Maßnahmen greifen, haben wir durchaus auch eine Chance, die Wettbewerbsverhältnisse zu optimieren.

    Spengler: Was hielten Sie denn als Fachmann davon, wenn man den größeren Stromkonzernen, den großen vier, sozusagen manche Kraftwerke abkauft beziehungsweise die Stromnetze abkaufen würde?

    Kurth: Abkaufen ist gut. Natürlich, das ist möglich. Nur ist die Frage, werden die Netzbetreiber sie verkaufen wollen? Im Moment sehe ich dafür wenig Bereitschaft.

    Spengler:! Man müsste es anordnen von der Politik aus.

    Kurth: Es gibt immer eine Diskussion in der Europäischen Union, ob man sozusagen auch hier die Eigentumsstellung entflechten soll. Das ist eine politische Entscheidung. Wir müssen mit der Situation leben, wie sie im Moment ist, und wir haben ein Anbandling, gesellschaftsrechtlicher Art, das wir auch überwachen wollen, dass hier etwa chinesische Mauern errichtet werden. Das werden wir sehr strikt kontrollieren, und dann warten wir mal, ob diese Dinge bereits greifen ohne ein eigentumsrechtliches Anbandling,.

    Spengler: Die Strompreise müssen ja noch von den Wirtschaftsministern der Bundesländer genehmigt werden. Zum Teil im letzten Jahr haben die sich gewehrt gegen beantragte Strompreiserhöhungen. Nun läuft diese Regelung in einem Jahr aus. Was passiert denn dann?

    Kurth: Der Teil des Preises, den wir kontrollieren, ist ja der wesentliche Teil, in dem auch Kosten reduziert werden können. Die anderen Teile des Strompreises sind ja letzten Endes ein Durchreichen der Einkaufskonditionen und der Einkaufspreise. Das ist ja ein reines Rechenexempel. Diese Kontrolle gab es zum Beispiel in Baden-Württemberg nicht. Die Kontrolle bezieht sich nur auf Tarifkunden, also auf Privatkunden. Im Geschäftskundenbereich gab es eine solche Genehmigung nicht. Es ist natürlich jetzt durch die Genehmigung der Netzentgelte eine neue Situation da. Die ganze Operation wird mehr oder weniger zu einem Rechenexempel und nicht mehr zu einer inhaltlichen Kontrolle. Die inhaltliche Kontrolle findet bei den Netzentgelten statt.

    Spengler: Dankeschön. Das war der Präsident der Bundesnetzagentur Matthias Kurth. Herr Kurth, danke für das Gespräch.

    Kurth: Vielen Dank. Auf Wiederhören.