Auf den ersten Blick gleichen die zwei Bundespolizeibeamten, die an diesem Tag im Münchner Hauptbahnhof Streife laufen, ihren anderen Kollegen. Sie gehen langsam an den Gleisen entlang, kontrollieren Passanten und beobachten die kleinen Grüppchen junger Männer, die jeden Tag an denselben Stellen stehen. Erst auf den zweiten Blick fällt die kleine Kamera an der rechten Seite der Beamtin Julia Siegmund auf:
"Also ich trage ein Modell, was man auf der Schulter trägt, das sieht man hier, das ist im Grunde die Linse. Den Akku und den Bildschirm trage ich weiter unten in meiner Kletttasche."
Die Beamtin öffnet leicht die Jacke, hervor schaut ein Streichholzschachtel großer Akku. Auf der Jacke, linke Seite prangt ein Knopf. Sie dreht sich um. Jetzt wird auch die deutliche Leuchtaufschrift "Videoüberwachung" auf dem Rücken der Polizistin sichtbar:
"Genau, sobald die rote Lampe leuchtet zeigt mir das an, dass die Aufnahme läuft. Zumal ich mein Gegenüber auch darauf hinweise."
Keine Tonaufnahme, kein GPS
Nicht nur die Beamtin, sondern auch das Gegenüber sieht, dass es gefilmt wird, ein wichtiger rechtlicher Punkt. Versteckte Kamera spielen, das dürfen die Bundespolizisten nicht, erklärt der zweite Bundesbeamte Nikolas Herrmann. Er trägt eine Kamera direkt vorne an der Jacke, ein zweites Modell, dass in München getestet wird:
"Sie können sich selber sehen - ich kann es auch gerne mal einschalten - jetzt wird noch nicht gefilmt, aber dann kommt so ein Warnsignal und wenn man ein bisschen Abstand hat, können Sie deutlicher sehen, wie Sie sich sehen. Ja, ich habe ein Kompaktsystem, alles in einem, auch mit dem An-Knopf gleich verbunden, leuchtet auch wie das Gerät bei der Frau Siegmund in rot. Momentan ist es aus. Es blinkt rot und wir müssen vorher ankündigen, wenn wir filmen. Man muss schon genau hinschauen, wenn es aus ist. Wenn es an ist, kann das Gegenüber das gut erkennen, weil da ein Display drauf ist, wo sich die Person sehen kann."
Der Beamte drückt zwei Sekunden auf den Kopf, das Display leuchtet auf und der Gefilmte sieht sich selbst.
25 Beamte werden derzeit in München an den zwei Kamerasystemen ausgebildet. Jede Aufnahme muss genau dokumentiert, die Gefilmten müssen über den Einsatz aufgeklärt werden. Noch fehlt die Tonaufnahme bei den Videos, es gibt auch keine GPS-Funktion wie bei handelsüblichen Modellen. Die vom Bundespolizeipräsidium Potsdam bereitgestellten drei Kameras für München seien vorerst vor allem zur Abschreckung gedacht, betont Sprecher Wolfgang Hauner:
"Bei uns bei der Bundespolizei ist es jetzt so, dass wir seit Anfang Februar an fünf Inspektionen, bundesweit gibt es 77, und an fünf wird dieser Modellversuch jetzt geprobt, das heißt in Köln, Düsseldorf, in Berlin, Hamburg und hier in München werden wir jetzt einfach mal schauen, inwiefern dieses Einsatzmittel, und nichts anderes soll es sein, den Kollegen tatsächlich Hilfestellung gibt."
Gegen Manipulationen gesichert
Diese fünf Dienststellen der Bundespolizei, die jetzt an dem Test teilnehmen, gehören zu denen mit den meisten Straftaten in Deutschland. Bisher verhinderten die Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer den Einsatz der mobilen Videoüberwachung. Vor dem Testeinsatz wurden deshalb Paragrafen auch im Bundespolizeigesetz und in der Strafgesetzordnung geändert. Aufnahmen dürfen jetzt als Beweismittel bei einem Strafverfahren eingesetzt werden. Wirklich verhindern kann man als Gefilmter die Aufnahme nicht, betont Polizeisprecher Hauner:
"Also das ist leider kein Wunschkonzert jetzt in dem Fall, das heißt, wenn der Beamte das einschaltet, das ist wie bei jeder polizeilichen Maßnahme, dann ist das eingeschaltet, dann muss der Bürger das erst mal ertragen. Natürlich kann er ankündigen, er möchte sich beschweren, kann verschiedene Maßnahmen machen und dann müssen wir das in der Dokumentation das auch festhalten."
Gegen Manipulationen seien die Aufnahme gesichert, der Beamte könne die Videos auch nicht bearbeiten. Gesichtet werden die gefilmten Situationen durch einen Vorgesetzten, dann auch entscheidet, was gelöscht wird und was nicht. Er habe grundsätzlich etwas gegen Videoüberwachung, sagt Andreas Nagel, Sprecher der Aktion Münchner Fahrgäste. Dass mittlerweile in S- und U-Bahnen, im Bahnhof und auf Bahnhofsvorplätzen Kameras angebracht seien, diene zwar der Nachverfolgung von Straftaten, aber nicht der viel wichtigeren Prävention:
"Wir sehen das immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das mit den Kameras ist sicherlich richtig, wenn es den Respekt vor den Beamten erhöht. Das ist eine gute Sache. Grundsätzlich ist mir immer wichtiger, es ist ein Mensch da und keine Videokamera. Der Mensch kann mir auch helfen, die Videokamera kann hinterher aufklären."
Ein Jahr lang läuft jetzt die Testphase für die mobilen Körperkameras. Ob sich die Menschen davon beeindrucken lassen und die Zahl der Übergriffe auf Polizisten sinken lässt, muss sich zeigen. Dass der Respekt vor den Beamten wieder steigen muss, fordert die Polizeigewerkschaft seit Langem.