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Heidesee und Burg
Bundespräsident Steinmeier erschüttert über rechtsextreme Vorfälle in Brandenburg

Bundespräsident Steinmeier hat nach den jüngsten rechtsextremen Vorfällen in Brandenburg Konsequenzen und eine offene Debatte über die Ursachen gefordert. Es sei wichtig, dass die Geschehnisse nicht mehr verschwiegen oder klein geredet würden, sagte er dem Magazin "Stern".

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei einer Veranstaltung der Deutschen Nationalstiftung.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Wie könne es sein, dass Neonazi-Propaganda von größeren Schülergruppen offen zur Schau gestellt werde und das so lange kaum Konsequenzen habe?, fragte er mit Blick auf die jüngste Vorfälle an einer Schule in Burg (Spreewald). Mit noch größerer Besorgnis sehe er die rassistischen Anfeindungen gegen eine Berliner Schulklasse in einem Feriencamp am Frauensee, betonte Steinmeier. Die Menschenwürde sei Kern unserer Demokratie. Die Verherrlichung der Nazi-Verbrechen, rassistischer Hass, Mobbing und Gewalt - all das dürfe niemals Normalität sein. An seinem für einige Tage ins brandenburgische Senftenberg verlegten Amtssitz führte Steinmeier aus, der Staat müsse auch mit dem Mitteln der Strafverfolgung dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder vorkomme.
    Am Wochenende wurde in der Gemeinde Heidesee eine 10. Klasse von anderen jugendlichen Gästen, teils alkoholisiert und vermummt, offenbar aus rassistischen Motiven heraus bedrängt. Die Schüler reisten aus Angst noch in der Nacht ab. Die Polizei ermittelt. Mit Ergebnissen wird erst in einigen Tagen gerechnet. Zuvor war ein Brief bekannt geworden, in dem Lehrkräfte aus Burg beklagten, sie seien täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert.

    Redmann (CDU): Rechtsextremismus dürfe nicht wieder vorherrschende Jugendkultur werden

    Auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Hopp, warnte davor, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Es sei wichtig, dass Klassenfahrten in einem geschützten Raum möglich seien, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke warb in einer Debatte im Landtag über die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern für Weltoffenheit geworben. "Eine Gefahr für unser Land sind nicht die Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Vertreibung zu uns kommen", sagte der Sozialdemokrat: "Eine Gefahr für unser Land ist Rechtsextremismus und Rassismus."
    Brandenburgs CDU-Landeschef Redmann hatte bereits zuvor gemahnt, Rechtsextremismus dürfe nicht wieder vorherrschende Jugendkultur in Brandenburg werden. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Schneider (SPD), forderte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland die beteiligten Jugendlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Bundesinnenministerin Faeser (SPD) und Brandenburgs Innenminister Stübgen (CDU) verurteilten die Vorkommnisse ebenfalls.

    Wirtschaft und Tourismus in Sorge

    Wirtschafts- und Tourismusverbände in Brandenburg sehen die Gefahr negativer Auswirkungen durch die mutmaßlich rechtsradikal motivierten Anfeindungen Berliner Schüler in Heidesee. Der Hauptgeschäftsführer der örtlichen Handwerkskammer, Bührig, sagte im RBB-Fernsehen, Fakt sei, dass solche Vorfälle nicht hülfen, ausländische Fachkräfte zu gewinnen.
    Der Sprecher der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH, Kastner, meinte, Störfälle seien nicht schön. Ein tiefer Imageschaden sei im Moment aber nicht zu verzeichnen. Seine Kollegin Kunkel fügte hinzu, sie habe zwar noch keine Kenntnis von Stornierungen, aber man wisse natürlich nicht, wie viele Menschen sich zuhause gegen eine Buchung entscheiden würden. Man dürfe das Land nicht über einen Kamm scheren, mahnte sie. Da tue man vielen Unrecht. Ähnlich äußerte sich der Vizevorsitzende des Fachverbands für Kinder- und Jugendreisen in Berlin und Brandenburg. Natürlich habe man aber Angst, dass man wegen der Geschehnisse Schaden davontragen.

    Soziologe Matthias Quent: "Die Alltäglichkeit des Rechtsextremismus ist der eigentliche Eklat"

    Heidesees parteiloser Bürgermeister Langner teilte mit, man dürfe die Kinder- und Jugenderholungszentren in der Gemeinde "aufgrund dieses einzelnen Vorfalls" nicht in "ein falsches Licht" rücken. Heidesee stehe für Weltoffenheit.
    Der Soziologe Matthias Quent, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, sagte dagegen im Deutschlandfunk, Heidesee und Burg seien "natürlich keine Einzelfälle" [Audio]. Sie reihten sich ein, in eine Kontinuität von rassistischer und rechtsextremer Gewalt nicht nur in Brandenburg. "Wir haben es hier mit einer Kontinuität zu tun, die erschreckend ist." Nicht der Einzelfall sei der Skandal, sondern das Dauerhafte. Die Normalität, die Alltäglichkeit des Rechtsextremismus sei der eigentliche Eklat.

    Gelbhaar (Grüne): Debatte um Brandenburger NoGo-Areas ist wieder da

    Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gelbhaar, warnte unterdessen, die Debatte um Brandenburger NoGo-Areas sei für Berlinerinnen und Berliner nun wieder da. Der SPD-Politiker Hopp hatte betont, wenn sich Schüler mit einer Migrationsgeschichte nicht sicher fühlen könnten, stelle das die jeweiligen Regionen als Reiseziele zunehmend infrage.
    Laut dem Verein Opferperspektive wurden im vergangenen Jahr 138 rechtsradikal motivierte Übergriffe in Brandenburg gezählt. Das ist ein leichter Rückgang: Ein Jahr zuvor waren es demnach noch 150.
    Diese Nachricht wurde am 11.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.