Es geschieht nicht häufig, dass Bundesratsbeschlüsse schneller daherkommen als Anträge für Parteitage. Am 29. September wurde bekannt, dass die Grünen auf ihrem Parteitag in Münster per Antrag das Ende der Verbrennungsmotoren ab 2030 einleiten wollen. Was vor der gestrigen Meldung im Spiegel öffentlich nicht wahrgenommen wurde: Da war ein entsprechender Beschluss des Bundesrats schon sechs Tage alt.
Auf vier Seiten buchstabiert der Bundesrat eine europäische Strategie für emissionsarme Mobilität. Auf der zweiten Seite unter Punkt drei, werden Vorschläge zu abgaben- und steuerrechtlichen Instrumenten gefordert, damit Zitat, "spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie PKW zugelassen werden." Jetzt sind auf einmal alle hellwach. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, zur ARD:
"Ich kann die Entscheidung des Bundesrats an dieser Stelle nicht nachvollziehen, wir forcieren den Hochlauf der Elektromobilität, der nimmt auch Zug um Zug und Schritt für Schritt weiter zu, aber dass es zum Jahr 2030 keine Verbrennungsmotoren parallel zur Elektromobilität mehr geben sollte, ist vollkommen unrealistisch."
Zeitlich möglich?
Noch vor einigen Tagen, als der Parteitagsantrag der Grünen bekannt wurde, hatte der Vorsitzende im Verkehrsausschuss, der SPD Politiker Martin Burkert, noch kritisch reagiert. Die Politik solle sich davor hüten, zeitliche Vorgaben zu machen, so Burkert Ende September. Nachdem der Bundesrats-Beschluss jetzt öffentlich diskutiert wird, klingt das schon etwas anders. Burkert ebenfalls zur ARD:
"14 Jahre, das ist eine lange Zeit für die Digitalisierung, aber auch die Brennstoffzellentechnologie. Von daher ist es möglich, ob das Verbot immer der richtige Weg ist, ist eine andere Frage."
14 Jahre, das klingt nach viel Zeit, doch Professor Stefan Bratzel, der Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach warnt:
"14 Jahre sind zwei, drei Produktzyklen der Automobilindustrie, die so von fünf bis sieben Jahren ausgeht, also das ist schon eine große Änderung, es hat ja allein schon die Ankündigung von Volkswagen, dass man ein Drittel der Fahrzeuge im Jahr 2025 rein elektrisch betreiben will, für Aufsehen gesorgt, das wäre noch einmal ein deutlicher Schritt in eine Mobilitätsgesellschaft, die wir dann 2030 erleben würden."
Umstellung könnte Arbeitsplätze kosten
Bratzel ist sich sicher, das jetzt beschriebene Ziel, 2030 EU weit keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen ist nicht realistisch, das Signal einer solchen Entscheidung ist für ihn aber viel wichtiger. In einer ersten Stellungnahme stelle sich der ADAC gegen den Vorstoß. Aus Sicht Bratzels werden hier vor allem Reflexe sichtbar. Er ist vom Beschluss des Bundesrats überrascht, denn die Folgen einer so radikalen Wende sind klar absehbar:
"Wenn wir eine Industrie haben, die auf Elektromobilität setzt, brauchen wir deutlich weniger Beschäftigte in der Automobilindustrie, mit dem Elektromotor als Antrieb fallen in einer Größenordnung von mindestens zwanzig, dreißig Prozent der Arbeitsplätze weg."
Wohlgemerkt, hier geht es um die deutsche Schlüsseltechnologie schlechthin. Politische Konzepte, wie mit einem solchen Effekt umzugehen ist, seien weit und breit nicht in Sicht, so der Automobilexperte.