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Bundesregierung beschließt Fluthilfen
Wirtschaftsminister Altmaier (CDU): "Am Geld wird es nicht scheitern"

Wirtschaftsminister Peter Altmaier will bei den Hilfen für die Hochwassergebiete erstmals auch eine Überbrückung von Umsatzausfällen möglich machen. Die Inhaber von Betrieben sollten die Gewissheit haben, dass sie durch die Katastrophe nicht in die Insolvenz getrieben würden, sagte der CDU-Politiker im Dlf.

Peter Altmaier im Gespräch mit Moritz Küpper |
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, äußert sich bei einer Pressekonferenz.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagt den Unternehmen in den Hochwassergebieten Unterstützung zu (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
Peter Altmaier hält es für geboten, den Menschen und Betrieben in den Hochwassergebieten klare finanzielle Perspektiven aufzuzeigen. "Wir werden heute Klarheit schaffen, dass es am Geld nicht scheitern wird", sagte der Bundeswirtschaftsminister vor der Sitzung des Bundeskabinetts, in der Soforthilfen für die Betroffenen beschlossen wurden. Das Geld für die Nothilfen werde aber nicht einfach so ausgezahlt, betonte der CDU-Politiker. Es werde immer geprüft, welche Kosten eine Versicherung übernehmen kann.

Überbrückung von Umsatzausfällen

Altmaier versprach zudem Hilfen bei der Überbrückung von Umsatzausfällen. "Wir haben eine wichtige Verbesserung im Vergleich zu den letzten Hochwasserlagen, dass wir ausdrücklich auch die Überbrückung von Umsatzausfällen und ähnlichen Notlagen möglich machen", sagte Altmaier zu den geplanten Hilfen für betroffene Unternehmen.
Schutt liegt in dem Ort im Kreis Ahrweiler nach dem Unwetter und den Überschwemmungen vor einem Haus. Mindestens sechs Häuser wurden durch die Fluten zerstört.
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Die Einzelheiten, ob die Corona-Flut-Pauschale tatsächlich auf 10.000 Euro pro geschädigtes Unternehmen begrenzt wird oder ob es eine andere Regelung geben werde, wolle der Bund in den nächsten vier bis fünf Tagen mit den Ländern regeln, so der CDU-Politiker. Die Inhaber von Restaurants, Cafés oder Friseurbetrieben sollten am Ende aber die Gewissheit haben, dass sie nicht durch die Katastrophe in die Insolvenz getrieben würden.

"Können nur helfen, weil wir ein wohlhabendes Land sind"

"Wir können jetzt nur helfen, so wie wir in der Corona-Pandemie geholfen haben, weil wir ein wohlhabendes Land sind. Und weil wir die Millionen und Milliarden, die wir dazu benötigen, unbürokratisch zur Verfügung stellen können", betonte der Wirtschaftsminister. Den Wiederaufbau in den betroffenen Regionen müsse man nun so gestalten, dass Starkregenereignisse in der Zukunft weniger verheerende Folgen hätten.
Die Bundesregierung hat nach der Hochwasserkatastrophe mit mindestens 170 Toten millionenschwere Soforthilfen auf den Weg gebracht. Insgesamt geht es um rund 400 Millionen Euro, die je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen werden sollen. Mit den Geldern sollen die schlimmsten Schäden an Gebäuden und kommunaler Infrastruktur beseitigt und besondere Notlagen überbrückt werden. Außerdem ist ein milliardenschwerer Aufbaufonds geplant.

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Moritz Küpper: Herr Altmaier, die Summe, die Höhe dieser ersten Hilfe scheint festzustehen: 400 Millionen Euro. Können Sie schon mehr zu den Modalitäten sagen, wie das ganze laufen soll?
Altmaier: Wir werden heute Klarheit schaffen, dass es am Geld nicht scheitern wird. Es ist ja so viel unendliches Leid geschehen und es sind so viele Menschen, die verzweifelt sind, gerade auch kleine und mittlere Unternehmen, die die Coronakrise überstanden haben. Wir fassen heute den Beschluss. Damit wissen die Behörden der Länder, die kommunalen Behörden, die Landkreise, aber auch die Landesbehörden, dass sie diese Soforthilfe auszahlen können.
Wir haben eine wichtige Verbesserung vorgesehen im Vergleich zu den letzten Hochwasserlagen, dass wir ausdrücklich auch die Überbrückung von Umsatzausfällen und ähnlichen Notlagen möglich machen, und wir werden dann gleichzeitig sehr sorgfältig und mit der notwendigen Intensität dafür sorgen, dass die Schäden erfasst werden, die wir mittel- und langfristig beheben werden. Das wird uns sicherlich noch einige Zeit lang beschäftigen.

"Nein, das Geld geht nicht einfach so raus"

Küpper: Georg Milbradt, der ehemalige sächsische Ministerpräsident, hat gerade hier bei uns im Programm gesagt, man muss gerade bei dieser Soforthilfe am Anfang sehr großzügig sein. Das heißt, da geht das Geld jetzt einfach so raus?
Altmaier: Nein, das Geld geht nicht einfach so raus. Wir legen natürlich großen Wert darauf, dass überall dort, wo beispielsweise eine Versicherungsabdeckung besteht, auch die Versicherungen leisten. Die sind dazu auch bereit. Aber es muss einfach auch gesehen werden, dass die Menschen zum Teil überhaupt gar nichts haben, dass sie vor großen Notlagen stehen, und dann muss man helfen. Dann muss man überbrücken, bis beispielsweise die Anträge an die Hausrat- und Gebäudeversicherung gestellt sind. Das wollen wir möglich machen.
Deshalb werden wir auch dafür sorgen, dass dieses Geld direkt von den betroffenen Bundesländern ausgegeben werden kann. Wie viele das insgesamt sind, das wissen wir nicht. Es war natürlich Nordrhein-Westfalen und auch Rheinland-Pfalz sehr stark betroffen. Wir haben aber auch gesehen, dass es in Süddeutschland zum Teil sintflutartige Regenfälle und Schäden gegeben hat. Das werden wir uns dann in Ruhe anschauen. Aber jetzt ist es wichtig, dass geholfen wird in Erftstadt. Das ist ein sehr gutes Beispiel, wie die kommunale Ebene vorangehen kann.
Ich wünsche mir das auch andernorts und vor allen Dingen geht es am Ende dann auch nicht nur um Beträge von 100 oder 200 Euro, sondern es wird auch darum gehen, dass man beispielsweise Inhabern von Restaurants, von Cafés, von Friseurbetrieben die Gewissheit gibt, dass sie ihr Unternehmen fortführen können, dass es nicht dazu kommt, dass sie durch diese Katastrophe in die Insolvenz getrieben werden. Das alles wird kommuniziert.
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"Die Gelder des Steuerzahlers dürfen nicht missbraucht werden"

Küpper: Am Wochenende hatten Sie ja dazu einen Betrag von bis zu 10.000 Euro pro geschädigtes Unternehmen in Aussicht gestellt, eine sogenannte Corona-Flut-Pauschale. Ist das Teil dieses ersten Projektes, was da heute beschlossen wird?
Altmaier: Wir haben beschlossen - das war auf meinen Wunsch - oder wir werden beschließen auf meinen Wunsch und auf den Beitrag meines Ministeriums hin, dass erstmalig die Überbrückung von solchen Umsatzausfällen möglich sein wird. Da geht es nicht nur, aber auch um Geschäfte und Einrichtungen, Unternehmen, die schon in der Coronazeit monatelang keine Umsätze machen konnten, trotzdem ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behalten haben. Ich bin mit dieser Regelung sehr zufrieden.
Die Einzelheiten, wie das geschieht, ob es tatsächlich begrenzt wird auf 10.000 Euro, oder ob man eine andere Regelung wählt, das werden wir in den Verwaltungsvereinbarungen mit den Bundesländern regeln. Das wird hoffentlich in den nächsten Tagen, in den nächsten vier, fünf Tagen möglich sein, diese Vereinbarungen zu schließen. Die werden von den zuständigen Katastrophenschutz-Ministerien, vom Innenministerium und vom Finanzministerium federführend verhandelt.
Küpper: Die Bundeskanzlerin hat ja gestern - wir haben es auch gehört - von unbürokratischer Hilfe gesprochen. Ähnliches haben Sie gerade gesagt. Sie selbst haben aber im Zuge der Coronahilfen viel Kritik abbekommen, aushalten müssen, unter anderem auch bei den sogenannten November-Hilfen. Da hat es gehakt. Das war, das muss man sagen, auch nicht immer ganz fair. Auch die Länder waren daran beteiligt. Dennoch: Der meiste Teil der Kritik hat dann wohl Sie getroffen. Was muss jetzt anders laufen als damals?
Altmaier: Wir haben damals bei den Corona-Hilfen natürlich auch sehr viel Wert darauf legen müssen, dass die Gelder des Steuerzahlers nicht in irgendeiner Weise von Betrügern missbraucht und zweckentfremdet werden. Das war auch deshalb möglich, weil wir die Unternehmen vor Insolvenz geschützt hatten in diesem Zeitraum.
Was Unternehmen angeht, werden wir das auch so ähnlich wieder tun. Wir werden uns im Kabinett auch - Ich werde übrigens anders, als Sie angekündigt haben, nicht da sein können, weil ich seit langem mit dem französischen Wirtschaftsminister zu dringenden Wirtschaftsgesprächen verabredet bin. Aber wir werden dafür sorgen, dass kein Unternehmen insolvent geht, und dann gibt es natürlich auch sehr viele Privatpersonen, die alles verloren haben. Das kann eigentlich nur die Verwaltung vor Ort genau einschätzen. Da brauchen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht genaue Förderrichtlinien, sondern da muss zunächst einmal unbürokratisch geholfen werden. Die Leute brauchen ein Dach überm Kopf. Die Leute müssen die Gewissheit haben, dass sie sich wieder Kleider leisten können, dass die Kinder in die Schule gehen können. Wir müssen dafür sorgen, dass die öffentliche Infrastruktur in Gang kommt.
Der Bund wird Behelfsbrücken zur Verfügung stellen, die er eingelagert hat zu diesem Zwecke. Das ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Ich bin sehr dankbar, dass ganz viele geholfen haben, die Katastrophenschutz-Einrichtungen, aber auch viele Unternehmen, und die Mitarbeiter*innen unserer Ministerien - das kann man, glaube ich, an dieser Stelle auch einmal sagen - haben seit dem Eintritt der Katastrophe und auch über das Wochenende und in den letzten Stunden wirklich sehr intensiv gearbeitet und sie haben eine große Übereinstimmung über alle Parteigrenzen hinweg.
Blick auf die überflutete B265 bei Erftstadt Liblar. Ein Panzer der Bundeswehr zieht einem Wagen aus der Flut. Ein Einsatzwagen der Feuerwehr und ein LKW stehen noch unter Wasser.
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Küpper: Herr Altmaier, unsere Korrespondentinnen aus Rheinland-Pfalz, aber auch aus Nordrhein-Westfalen, die berichten mir von viel Skepsis vor Ort, dass die Hilfen auch ankommen. Der Bundespräsident hat es gesagt: Die Hoffnung darf nicht enttäuscht werden. Wie groß ist die Gefahr?
Altmaier: Das hängt natürlich auch von der Situation vor Ort sehr stark ab. Ich wünsche mir, dass die beiden hauptbetroffenen Bundesländer heute auch, nachdem die Kabinettssitzung am Vormittag beendet sein wird, unmittelbar das so umsetzen, dass die Betroffenen, die heute skeptisch sind, dann den festen Glauben haben. Nur wenn sie diesen festen Glauben haben, dann werden sie auch imstande sein, die Prüfungen der nächsten Tage zu bestehen.
Küpper: Lassen Sie uns noch einen Schwenk machen und auf den Wiederaufbau schauen. Das ist der nächste Schritt, das nächste Thema. Teilweise laufen ja noch Bergungsarbeiten, werden noch Menschen vermisst. Aber angesichts der Tatsache, dass es jetzt schnell gehen muss, auch unbürokratisch, muss man auch darüber sprechen. Sollten die Mittel für diesen Wiederaufbau an Auflagen geknüpft werden, beispielsweise Klimaschutzauflagen?
Altmaier: Wenn wir über Klimaschutz sprechen, dann geht es für mich vor allen Dingen darum, dass wir den Wiederaufbau vor Ort so gestalten, dass Starkregenereignisse weniger verheerende Auswirkungen haben als in der Vergangenheit. Das wird sich übrigens nicht nur auf den Wiederaufbau beschränken lassen. Es gibt überhaupt gar keine Garantie, dass solche extremen Wetterereignisse, die durch den Klimawandel in den letzten Jahrzehnten bereits häufiger geworden sind, dass die an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Stadt, in einem bestimmten Kreis geschehen. Deshalb müssen wir uns überall die Frage stellen, halten denn unsere Vorrichtungen.
In der Vergangenheit war das immer entlang von Flüssen. Es war in bestimmten Bereichen, die gefährdet waren. Heute wissen wir, dass die Gefährdungen potenziell ein größeres Ausmaß haben, und dem muss Rechnung getragen werden.
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"Alle haben erkannt, dass es nur eine klimaneutrale Zukunft geben kann"

Küpper: Sie haben vor einiger Zeit gesagt, Klimaschutz wird nur funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird. Hat diese Flut, dieses Hochwasser, diese Katastrophe nun nicht genau das Gegenteil bewiesen?
Altmaier: Nein. Es ist, glaube ich, ganz richtig, dass wir jetzt doch im Augenblick nur helfen können, so wie wir in der Corona-Pandemie geholfen haben, weil wir ein wohlhabendes Land sind und weil wir die Millionen und Milliarden, die wir dazu benötigen, auch sehr unbürokratisch zur Verfügung stellen können.
Deshalb muss ja der Klimaschutz nicht zurücktreten vor den Interessen des Wohlstandes und der Wirtschaft, aber wenn wir dafür sorgen, dass wir weniger CO2 ausstoßen, indem wir zum Beispiel die Stahlindustrie verpflichten, grünen Wasserstoff statt CO2-intensiver Kohle einzusetzen, dann müssen wir auch sicherstellen, dass die Stahlunternehmen in Deutschland eine Zukunftsperspektive haben. Sonst wird dieser Stahl in Ländern produziert, in Südamerika oder in Asien mit viel weniger Umweltauflagen und viel mehr CO2-Emissionen.
Küpper: Aber muss der Klimaschutz nicht größere Priorität kriegen? Ich habe hier einen Bericht aus dem Handelsblatt vorliegen. Da steht, wie die Industrie den neuen Hochwasserschutz-Plan bekämpft. "Nicht erforderlich und zielführend" lautet da ein Zitat. Sind das denn nicht grundsätzliche Konflikte, auf die wir jetzt zusteuern?
Altmaier: Da hat sich bei mir noch niemand gemeldet, ehrlich gesagt, und ich glaube, dass wir da auch sehr deutlich politische Führung zeigen müssen. Wir haben bereits vor der Katastrophe die Klimaschutz-Ziele deutlich verschärft, weil uns allen klar ist und bewusst ist, dass wir nicht unendlich viel Zeit haben, und das muss von allen mitgemacht werden.
Die Gespräche, die ich führe, etwa auch mit der Chemieindustrie, mit der Automobilindustrie, mit der Stahlindustrie, zeigen mir, der Groschen ist gefallen, es hat Klick gemacht und alle haben erkannt, dass es nur eine nachhaltige, eine klimaneutrale Zukunft geben kann. Aber diese Zukunft wollen wir unter Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland und deshalb müssen wir auch dafür sorgen, dass international der Wettbewerb nicht in eine Schieflage kommt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.