"Zeitnah" solle das Grundgesetz geändert werden, so lautet die Verständigung innerhalb der Bundesregierung. Wie, bleibt dagegen derzeit offen. Das Grundgesetz verbietet in Artikel 3 eine Diskriminierung auf Grund der "Rasse". Der Begriff stoße heute auf Kritik, heißt es in dem Papier. Im Ergebnis dürfe der Schutzbereich aber nicht verkleinert werden. Schutz vor "Rassismus" könnte Eingang ins Grundgesetz finden, das Wort "Rasse" dafür verschwinden.
"Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
"Rasse ist ein pseudowissenschaftliches Konstrukt"
"Selbstverständlich ist es überfällig, dass der Begriff ‚Rasse‘ aus dem Grundgesetz gestrichen wird", freut sich nach der Einigung Martha Neuff von der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen. Der Begriff sei ein "pseudowissenschaftliches Konstrukt", das die Ungleichheit von Menschen postuliere. "Trotzdem sind diese Maßnahmen nicht annähernd weitgehend genug", fügt sie hinzu. Die Verbände fordern Demokratieförderung als Staatsauftrag ins Grundgesetz und die Verfassungen der Länder aufzunehmen. Der Begriff "Rasse" müsse hingegen aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Das Vorhaben zählt zu einem Paket der Bundesregierung, bei dem auch eine Einigung beim Verfassungsschutzgesetz und im Streit über die Rassismus-Studie bei der Polizei erzielt wurde. Zudem soll es zukünftig einen Beauftragten der Bundesregierung gegen Rassismus geben. Auch hier bleiben die Details aber noch offen.
Die politische Diskussion über Wort "Rasse" gibt es schon lange. Die Grünen hatten sie nach dem gewaltsamen Tod des US-Amerikaners George Floyd wieder ins Rollen gebracht. Sie forderten, das Wort aus Artikel 3 des Grundgesetzes zu streichen, weil der Begriff selbst diskriminierend sei.
So fordern auch der Zentralrat der Juden, der der Sinti und Roma, der der Muslime in Deutschland und viele mehr, den Begriff zu ersetzen, der auf Menschen naturwissenschaftlich nicht passe. Ein Missverständnis, antworten darauf andere Experten. Wie Cengiz Barskanmaz, der intensiv zu den rechtlichen Folgen der Diskriminierung geforscht hat. "Nur, weil Rasse sprachlich negativ konnotiert ist im deutschen Kontext, heißt das ja nicht, dass Rasse nicht funktioniert. Die Negativität von Rasse liegt nicht in der sprachlichen Verwendung oder nicht, sondern in der Wirkung von Rasse in der Gesellschaft."
Cengiz Barskanmaz verteidigte das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse kürzlich in einer Diskussion der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Der Begriff sei das Herzstück des post-nationalsozialistischen Rechts gegen Rassismus. "Das Wort ‚Rasse‘ ist dabei kein böses Relikt des Nationalsozialismus, sondern ein notwendiges Anknüpfungsmerkmal im Streit gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus."
Bislang gibt es allerdings keine zufriedenstellende Alternative zum Begriff "Rasse". Das Bundesinnenministerium hat an einer möglichen Novelle gearbeitet. Einer der Mitverantwortlichen, Dr. Michael Griesbeck, meint, kein Alternativvorschlag zum Ersatz des Begriffs "Rasse" sei ohne Kritik. Er weist auf die Probleme anderer Formulierungen hin.
"Das Interessante ist, dass bei allen bisher vorgeschlagenen Alternativen – ich nenne nur beispielsweise ethnische Herkunft, rassistische Gründe, rassistische Zuschreibung, rassistisch benachteiligt, es immer auch Kritiker gibt, die auf eine Verkürzung des Schutzes hinweisen. Zum Beispiel durch die Gefahr einer subjektiven Komponente, einer gewollten und intendierten Diskriminierung."
"Das Interessante ist, dass bei allen bisher vorgeschlagenen Alternativen – ich nenne nur beispielsweise ethnische Herkunft, rassistische Gründe, rassistische Zuschreibung, rassistisch benachteiligt, es immer auch Kritiker gibt, die auf eine Verkürzung des Schutzes hinweisen. Zum Beispiel durch die Gefahr einer subjektiven Komponente, einer gewollten und intendierten Diskriminierung."
Expertin im Recht des Diskriminierungsschutzes, Elisabet Kaneza wiederum weist darauf hin:
"Hier geht es aus meiner Sicht nicht um ein Mehr an Diskriminierungsschutz. Und das ist an sich schon Grund genug für mich zu sagen: Das ist eigentlich sehr gefährliches Terrain."
Einig sind sich fast alle Experten nur in einem: Am Schlimmsten wäre es, den Begriff der Rasse einfach zu streichen.