EU-Asylkompromiss
Bundesregierung zufrieden - Kritik von Menschenrechtlern

Das Asylsystem in der Europäischen Union wird grundlegend reformiert und verschärft. Nach jahrelanger Diskussion verständigten sich EU-Staaten und Europäisches Parlament auf eine Neuregelung. Die Entscheidung fiel mit qualifizerter Mehrheit gegen den Widerstand Ungarns. Die Bundesregierung ist zufrieden.

22.12.2023
    Vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in der französischen Stadt Straßburg wehen Flaggen der EU-Mitgliedstaaten.
    Vertreter der EU-Staaten und des Europäischen Parlaments habe sich auf eine Reform des europäischen Asylsystems geeinigt. (picture alliance / / Daniel Kalker)
    Bundeskanzler Scholz schrieb auf der Onlineplattform X, die irreguläre Migration werde durch den Asylkompromiss begrenzt. Besonders stark betroffene Staaten - wie etwa Deutschland - würden entlastet.

    Faeser (SPD) sieht humanitäre Standards gewahrt

    Bundesinnenministerin Faeser erklärte, künftig müsse jeder an den EU-Außengrenzen strikt kontrolliert und registriert werden. Wer nur geringe Aussicht auf Schutz in der EU habe, werde ein rechtsstaatliches Asylverfahren an den Außengrenzen durchlaufen und im Fall einer Ablehnung von dort zurückkehren müssen. Die SPD-Politikerin wies Kritik von Flüchtlingsorganisationen zurück. Humanitäre Standards würden geschützt.

    Baerbock (Grüne): "Werden darauf achten, dass es fair zugeht"

    Bundesaußenministerin Baerbock nannte die Einigung auf die Reform des europäischen Asylsystems überfällig. Erstmals würden die EU-Staaten zu Solidarität bei der Verteilung von Migranten verpflichtet, erklärte die Grünen-Politikerin in Berlin. Sie räumte allerdings ein, dass es Deutschland nicht gelungen sei, sich mit allen Anliegen durchzusetzen. Die Bundesregierung hatte unter anderem darauf gedrungen, Kinder und Familien aus den Grenzverfahren auszunehmen. Man werde nun bei der Umsetzung des neuen Asylsystems darauf achten, "dass es fair, geordnet und solidarisch zugeht", sagte Baerbock.

    Linken-Politikerin Ernst: "Niederlage für die Rechtsstaatlichkeit"

    Kritik kommt von der Linken-Europa-Abgeordneten Ernst. Sie sprach im Deutschlandfunk von einer schweren Niederlage für die Gesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit. Künftig würden Asylsuchende an der Grenze inhaftiert, auch Familien mit Kindern.
    Das Interview mit Cornelia Ernst können Sie hier nachlesen.

    Von der Leyen: "Nicht mehr Schleuser werden entscheiden, wer in die EU kommt"

    Mit der Einigung befassen sich nun das Plenum des Europäischen Parlaments und der EU-Rat. Der Kompromiss sieht unter anderem vor, dass sich die Mitgliedstaaten bei der Verteilung der Schutzsuchenden künftig solidarisch verhalten. Wenn Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten, etwa in Form von Geldzahlungen.
    EU-Kommissionspräsidentin von der Leyenerklärte, die Migration sei eine europäische Herausforderung, die europäische Lösungen erfordere. "Künftig werden die Europäer entscheiden, wer in die EU kommt und wer bleiben darf, und nicht die Schleuser."

    Kritik von Menschenrechtlern

    Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Verständigung auf ein schärferes Asylsystem in Europa als Dammbruch kritisiert. Die Rechtlosigkeit an den Außengrenzen könne zur Norm werden, sagte die Generalsekretärin der deutschen Sektion, Duchrow. Die Bundesregierung mache sich durch ihre Zustimmung mitschuldig an zukünftigen Menschenrechtsverletzungen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen warf der EU vor, auf Internierungslager, Zäune und Abschiebungen in unsichere Drittstaaten zu setzen.
    Diese Nachricht wurde am 20.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.