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Bundestag
Anlasslose Datenspeicherung kann kommen

Da ist sie nun: Die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Der Bundestag hat sie mehrheitlich beschlossen. Aus Opposition und Gesellschaft gibt es erhebliche Kritik an der Datensammlung, weil sie Bürger unter Generalverdacht stelle. Mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht sind schon angekündigt.

    Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung in Berlin vor dem Reichstag.
    Vor der Abstimmung im Bundestag demonstrierten am Morgen vor dem Reichstagsgebäude Aktivisten gegen die Vorratsdatenspeicherung. (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Mit 404 Ja-Stimmen und 148 Nein-Stimmen hat der Bundestag die umstrittene Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Sieben Abgeordnete enthielten sich. Die Gegner des Gesetzes kommen vor allem von der Linskfraktion und den Grünen.
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der sich lange gegen die Forderung aus der Union nach einer neuen Vorratsdatenspeicherung gestellt hatte, hatte die Gesetzespläne vor der Abstimmung verteidigt. Zwar handele es sich um einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, aber diese sei verhältnismäßig und aus seiner Sicht auch rechtlich zulässig. Maas betonte die im Vergleich zur früheren Vorratsdatenspeicherung verkürzten Fristen zur Speicherung.
    Kritik musste sich Maas von den Oppositionsparteien anhören. Sie habe von einer grundsätzlichen und intensiven Debatte nichts mitbekommen, sagte die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. Sie warf Maas einen "ewiges Hin und Her" bei dem Thema vor. Erst habe er die Datensammlung als nicht vereinbar mit dem Recht bezeichnet und dann sei er "irgendwie über Nacht vom Ast gefallen".
    Linke: Bürger unter Generalverdacht
    Die Linken-Politikerin Halina Wawzyniak kritisierte, Bürger würden unter Generalverdacht gestellt. Es gebe keine Nachweise, dass die Datensammlung bei der Strafverfolgung nötig sei. Eine Schutzlücke gebe es nicht. Aus ihrer Sicht gefährden die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung den Rechtsstaat.
    Zehn Wochen lang sollen Telekommunikationsunternehmen künftig Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger speichern - und das ohne Anlass. Das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sieht vor, dass dazu sowohl Telefonnummern, Zeitpunkt und Dauer von Gesprächen sowie IP-Adressen von Computern zählen. E-Mails sind nicht betroffen. Für Handy-Gespräche gilt eine Sonderregelung: Standortdaten werden nur maximal vier Wochen gespeichert.
    Inhalte von Gesprächen sollen eigentlich nicht erfasst werden. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ist das bei SMS-Nachrichten allerdings doch der Fall. Das gehe aus einem internen Schriftverkehr zwischen Bundesdatenschutzbeauftragtem, Bundesnetzagentur sowie den Anbietern Telekom, Vodafone und Telefonica hervor.
    Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung schwerer Verbrechen
    Die Vorratsdatenspeicherung ist dafür vorgesehen, bei der Aufklärung schwerer Verbrechen zu helfen. Behörden sollen nur unter eingeschränkten Bedingungen Zugriff auf die Daten bekommen, etwa wenn es um Straftaten wie Mord oder sexuellen Missbrauch geht - und auch nur, wenn ein Richter den Abruf erlaubt hat.
    Die Speicherung der Daten ist umstritten. Auf der einen Seite bezweifeln die Kritiker, dass sie zur Aufklärung von Verbrechen beiträgt. Dafür gebe es zu viele Ausnahmen, wie etwa Prepaid-Handys, die keiner bestimmten Person mehr zugeordnet werden können. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kritisiert zum Beispiel, Straftätern werde bereits im Vorfeld aufgezeigt, dass Telefongespräche in Call-Shops und die Internetnutzung in Internet-Cafés nicht in die Vorratsdatenspeicherung einfließen würden.
    Kritiker bezweifeln grundsätzliche Verfassungskonformität
    Auf der anderen Seite hält Voßhoff, wie viele Kritiker, die Speicherung grundsätzlich für verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hatte die alten Regelungen schon im Jahr 2010 gekippt. Der Europäische Gerichtshof hatte vier Jahre später auch die EU-weiten Vorgaben für ungültig erklärt, weil sie gegen Grundrechte verstießen. Auch Grüne und Linke im Bundestag wenden sich gegen die Vorratsdatenspeicherung.
    Verschiedene Organisationen und Parteien haben schon Verfassungsklagen angekündigt. Jetzt auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. Er stößt sich vor allem daran, dass auch die Daten von Berufsgeheimnisträgern erfasst werden, etwa Rechtsanwälten, Ärzten oder Journalisten. Sie dürfen nicht ausgewertet werden. Das Problem ist aber, dass sich die Daten vorab nicht herausfiltern lassen. "Dass diese Regierung das ignoriert, fordert eine Klage geradezu heraus", sagte Kubicki in der Zeitung "Die Welt".
    Journalisten kritisieren Einschränkung der Pressefreiheit
    Auch Journalisten- und Medienorganisationen kritisieren diesen Punkt. Das schade dem Informantenschutz und schränke die Pressefreiheit "in unvertretbarem Maße ein", hieß es in einer am Donnerstag von der ARD verbreiteten Erklärung.
    Mehrere Organisationen haben vor der Abstimmung im Bundestag zu Protesten vor dem Reichtstag in Berlin aufgerufen.
    (pr/tzi)