Nach Debatte
Bundestag billigt Fünf-Punkte-Plan der Union zu Migration - AfD spricht von "neuer Epoche", Grüne von "politischem Sündenfall"

Eine Woche nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsbeschluss für einen härteren Kurs in der Migrationspolitik durchgesetzt - und für empörte Reaktionen gesorgt. Ein entsprechender Antrag der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion fand eine Mehrheit.

     Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stimmt im Bundestag namentlich über Anträge der Unionsfraktion zur Verschärfung der Migrationspolitik und zur inneren Sicherheit ab.
    Abstimmung über Anträge der Unionsfraktion im Bundestag. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
    In dem Fünf-Punkte-Plan fordert die Union unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern, ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente, auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern.
    Die Vorlage wurde in namentlicher Abstimmung von 348 Abgeordneten unterstützt: 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete, 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 Fraktionslose. Als einzige Unionsabgeordnete votierte laut Bundestags-Website die CDU-Parlamentarierin Tillmann gegen den Antrag. Acht Abgeordnete der Union gaben ihre Stimme nicht ab.
    344 Abgeordnete waren dagegen: SPD, Grüne und Linke votierten geschlossen mit Nein, ebenso wie die Gruppe Die Linke. Die meisten BSW-Abgeordneten enthielten sich, zwei stimmten nicht ab. Insgesamt wurden 31 Stimmen nicht abgegeben und es gab 10 Enthaltungen.

    AfD: Ende der "rot-grünen Dominanz"

    Der AfD-Abgeordnete Baumann sprach vom "Ende der rot-grünen Dominanz" in Deutschland "für immer". Es beginne eine "neue Epoche", angeführt von der AfD. Unionskanzlerkandidat Merz könne folgen - wenn er noch die Kraft dazu habe.
    SPD und Grüne warfen der Union vor, die politischen Mitte verlassen zu haben und machten CDU-Chef Merz persönlich dafür verantwortlich. Die Linken-Politikerin Reichinnek sagte, sie habe sich nicht vorstellen können, dass eine christdemokratische Partei "diesen Dammbruch" vollziehe und mit Rechtsextremen paktiere. Die Union habe mit der FDP diese Mehrheit gezielt gesucht.
    Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kaddor, sprach im Deutschlandfunkvon einem "politischen Sündenfall" und einer "sehr gefährlichen Entwicklung" für die Demokratie. Ziel müsse vielmehr sein, vernünftig zu überlegen, wo Verschärfungen in der Asylpolitik möglich seien - ohne dabei Europa- und Verfassungsrecht zu brechen. Grünen-Kanzlerkandidat Habeck hatte vor der Abstimmung an Union und FDP appelliert, mit der AfD keine gemeinsame Sache zu machen. Das hieße, mit "Rassisten" zu kooperieren.

    Merz weist Vorwürfe zurück

    Unions-Kanzlerkandidat Merz wies die Vorwürfe zurück. Er suche "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments". "Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das."
    Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Throm, sagte ebenfalls im Deutschlandfunk, man teile zu keiner Zeit das Weltbild der AfD. Auch werde es nach der Bundestagswahl in keiner Form eine Kooperation oder gar Zusammenarbeit mit der AfD geben.
    Ein zweiter Antrag der Union mit Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden fand keine Mehrheit im Bundestag. Ebenfalls in namentlicher Abstimmung stimmten 509 Abgeordnete mit Nein, 190 mit Ja, drei enthielten sich.

    Scholz (SPD): Merz begehe "unverzeihlichen Fehler"

    Bundeskanzler Scholz kritisierte zum Auftakt der Bundestagsdebatte über die Migrationspolitik die Anträge der Union. Mit den geforderten Zurückweisungen an den Landesgrenzen würde das größte Land der EU europäisches Recht brechen, sagte Scholz in seiner Regierungserklärung. Dies hätte eine fatale Signalwirkung an andere Staaten.
    Scholz warf CDU-Chef Merz vor, die Unterstützung von Rechtsextremen in Kauf zu nehmen. Der Kanzler räumte überdies Defizite bei der Anwendung bestehender Gesetze ein. Die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg hätten verhindert werden können. Zugleich betonte der SPD-Politiker, das Recht auf Asyl sei ein fester Bestandteil der deutschen Rechts- und Werteordnung. Daran dürfe nicht gerüttelt werden.

    Weidel (AfD) wirft Scholz und Merz Versagen in Migrationspolitik vor

    Die AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Weidel warf der Bundesregierung und der oppositionellen Union schwere Fehler in der Migrationspolitik vor. Scholz hinterlasse ein "auf die Spitze getriebenes Migrationschaos" im Bundestag.
    Dem Unions-Kanzlerkandidaten attestierte Weidel, keinen wirklichen Politikwechsel zu wollen. Sie warf Merz vor, sich "bei den Grünen und der SPD anzubiedern und sich darauf festzulegen, mit diesen Parteien auch zu koalieren".

    Lindner (FDP) unterstützt Forderungen nach einer strengeren Migrationspolitik

    Dagegen unterstützte FDP-Chef Lindner Forderungen nach einer strengeren Migrationspolitik. Das Problem sei nicht, dass die AfD zustimme, sondern dass Grüne und SPD dies nicht täten, sagte er in der Bundestagsdebatte. Lindner, der von Bundeskanzler Scholz als Finanzminister entlassen worden war, sagte, man werde keine Rücksicht mehr auf frühere Koalitionspartner nehmen. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sprach von "Symbolpolitik", die nichts bewegen werde.

    Bundestag gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

    Zuvor hatte das Parlament der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Anlass war die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren. Bundespräsident Steinmeier bezeichnete in einer Rede die Erinnerung an den Holocaust als Teil der deutschen Identität. Es dürfe kein Vergessen oder Verdrängen der Shoah geben, sagte Steinmeier. Das würde das Fundament der Demokratie erschüttern.
    Diese Nachricht wurde am 29.01.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.