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Bundestag debattiert über Aleppo
Diskutieren, abwarten oder helfen?

Die Truppen von Syriens Präsident Assad haben mit ihren Verbündeten die Rebellengebiete im Osten Aleppos umzingelt und einen großen Teil bereits erobert. Die übrigen Stadtviertel werden beschossen oder aus der Luft angegriffen. Wie Deutschland der notleidenden Bevölkerung helfen könnte, darüber diskutierte der Bundestag in einer Aktuellen Stunde.

Von Klaus Remme |
    Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht am 30.11.2016 zu Beginn der Aktuellen Stunde zur Lage in Aleppo und Syrien im Deutschen Bundestag in Berlin vor einer nur spärlich besetzten Regierungsbank.
    Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht im Bundestag zur Lage in Aleppo und Syrien vor einer nur spärlich besetzten Regierungsbank. (picture alliance / Bernd von Jutrczenka / dpa)
    Als erste Rednerin schilderte Katrin Göring-Eckhardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, die verzweifelte Lage in Aleppo, die täglichen Kriegsverbrechen, den täglichen Tod von Unschuldigen, darunter viele Kinder:
    "Was dieser Tage in Aleppo, in Syrien, passiert, wird sich historisch in einer Reihe finden mit Ruanda, Grosny und Srebrenica, wie damals gibt es bei uns ein Gefühl der Ohnmacht, wie damals sind wir der Schutzverantwortung nicht gerecht geworden."
    Inhaltlich gab es vor allem Dissens in der Frage möglicher Sanktionen
    Tun wir genug? Diese Frage stand im Zentrum ihrer Rede. Sie forderte die Bundesregierung auf, mehr zu tun, konkret etwa, den ausgesetzten Familiennachzug für Flüchtlinge aus Syrien wieder zuzulassen. Nils Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD, beklagte den Ton der Debatte und empfand allein die Frage, "Tun wir genug" als Kritik an seinem Parteifreund Außenminister Frank Walter Steinmeier, Omid Nouripour von den Grünen wiederum ging deshalb mit Nils Annen ins Gericht:
    Zitat Annan: "Es ist schon fast eine Unterstellung, hier die Frage zu stellen, tun wir genug, weil man natürlich diese Frage immer mit Nein beantworten kann, wahrscheinlich sogar beantworten muss, wenn man sich die Bilder anschaut, aber sie unterstellen hiermit doch indirekt, dass wir uns nicht bemühen würden um einen Frieden in Syrien!"
    Zitat Nouripour: "Wenn meine Fraktionsvorsitzende die drängendste Frage bei den Bildern aus Aleppo stellt, ob wir nicht mehr tun können, hier einfach so tun als wär das Majestätsbeleidigung am Außenminister, dann ist das genau der Ton, der gerade nicht zur Lösung in der Diskussion führt."
    Inhaltlich gab es mit Blick auf Handlungsmöglichkeiten vor allem Dissens in der Frage möglicher Sanktionen. Norbert Röttgen, CDU, der Vorsitzende im Auswärtigen Ausschuss plädierte für Sanktionen gegen Kriegsverbrecher, mithin auch gegen Russland:
    "Wenn das Nichtstun die Alternative ist, dann müssen wir zu diesem nicht militärischen Entgegenstemmen gegen Kriegsverbrechen greifen, als das Instrument, das wir haben, wenn es kein anderes und besseres gibt."
    Die Linkspartei forderte einen grundsätzlichen Politikwechsel
    Die Linkspartei widersprach, aber auch aus den Reihen der eigenen Koalition kam Skepsis. Nils Annen von der SPD:
    "Ich möchte denjenigen mal sehen, der das Gespräch mit der russischen Seite führt, es ist ein Teil der Ehrlichkeit, die hier eingefordert wird, ganz nüchtern darauf hinzuweisen, dass sich dieser Konflikt ohne Russland nicht wird lösen lassen."
    In der dringlichsten Frage, wie kann den hungernden Menschen in Aleppo schnell geholfen werden, ging es mehrfach um eine Versorgung aus der Luft, um sogenannte air-drops. Hier Roderich Kiesewetter von der CDU und direkt anschließend Omid Nouripour von Grünen, verwundert aber entschlussfreudig:
    "Wir dürfen hier keine Denkverbote haben und müssen auch darüber nachdenken, ist es möglich, und wenn ja in welcher Weise, über air-drops unmittelbar Hilfe abzulassen. Humanitäre Hilfe muss auch ankommen und es darf uns nicht beruhigen, dass wir Mittel dafür bereitstellen."
    "Wir hatten am 20. Oktober eine Abstimmung darüber, da haben sie dagegen gestimmt. Ich flehe sie an, nehmen sie einfach unseren Antrag, schreiben sie ihren Namen drüber, vergessen sie die Grünen, bringen sie ihn wieder ein und sie haben dann unsere Stimmen, damit endlich was passiert."
    Die Linkspartei forderte einen grundsätzlichen Politikwechsel, darunter eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien und einen Stopp von Waffenlieferungen an Staaten wie die Türkei und Saudi-Arabien.