Gregor Gysi: "Dann komme ich zum Abschluss, Herr Bundestagspräsident. Immer wenn hier interessant gesprochen wird, brechen Sie ab. Das tut mir wirklich leid."
Norbert Lammert: "Herr Kollege Gysi, Sie könnten ja mit dem Interessanten anfangen. Dann hätten Sie die nötige Zeit."
Sie sind ein bisschen wie Waldorf und Stadler, die beiden Alten auf dem Balkon der Muppet-Show, die sich gerne mal gegenseitig hochnehmen: Wenn Linken-Fraktionschef Gregor Gysi am Rednerpult steht und Bundestagspräsident Norbert Lammert die Sitzung leitet, sind Reibereien fast garantiert – vor allem zur Freude der beiden selbst.
Gregor Gysi: "Herr Bundestagspräsident, wissen Sie was, ich werde mir jetzt einmal notieren, wann Sie Geburtstag haben. Und dann werde ich Ihnen eine neue Uhr schenken. Ich muss Ihnen Folgendes erklären: Es gibt hier Leute, die reden elf Minuten, das kommt mir dann wie eine halbe Stunde vor. Bei mir rennt Ihre Uhr immer. Aber ich danke Ihnen trotzdem. Alles Gute."
"Es gibt die Idee des Hofnarren, und gerade Gregor Gysi spielt diese Rolle bisweilen sehr souverän in den kleinen Scharmützeln mit Norbert Lammert", sagt der Publizist Roger Willemsen, der sich alle Sitzungen des Jahres 2013 vor Ort im Bundestag angeschaut hat.
Gemeinsames Lachen verbindet - und trennt
"So was passiert und der Saal freut sich. Er freut sich über die Maßen darüber. Die Dinge sind häufig nicht so witzig, wie sie genommen werden, sondern sie sind eine kleine Aufhellung zwischendurch, und in diesem Humor sind sich plötzlich alle irgendwie gleich, gleich im Lachen."
Seit über 65 Jahren Bundestag wird akribisch notiert, wer wann wie lacht – denn das Lachen ist nicht unbedeutend, sondern Teil von Kommunikation, sagt der Literaturwissenschaftler Professor Ralph Müller von der Universität Fribourg in der Schweiz:
"Das ist eine der Hauptfunktionen, die der Humor im Bundestag offensichtlich zu erfüllen hat, nämlich zu zeigen: Wer gehört zusammen? Wer passt zusammen? Wen treiben die gleichen Fragen um?"
Vizepräsident Burkhard Hirsch: "Herr Kollege Kleinert, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie müssen zum Schluss kommen.“
Detlef Kleinert: "Herr Präsident Hirsch, ich bedauere das zutiefst ..."
Detlef Kleinert: "Herr Präsident Hirsch, ich bedauere das zutiefst ..."
Verschiedene Formen des Lachens
Wissenschaftler haben verschiedene Formen des Lachens im Bundestag ausgemacht. Es gibt den unpolitischen Humor, wenn über Missgeschicke und Menschliches gelacht wird – und es gibt den offensiven.
Ralph Müller: "Also wir haben eben die Fälle, wo ein Mitglied des Bundestags offensichtlich angetrunken am Rednerpult steht..."
Detlef Kleinert: "Im Hinblick darauf, dass die Aufnahmefähigkeit eines Teils der Mitglieder des Hauses offenbar nachhaltig eingeschränkt ist..."
Ralph Müller: "Auf diese Situation zum Beispiel kann auch der Bundestag mit Lachen überreagieren sozusagen, im Sinne einer sozialen Kontrolle, um deutlich zu machen: Das ist ein Verhalten, das ist ungebührend und gleichzeitig nicht zur Gruppe passend."
Und so schafft das Lachen wiederum Gemeinschaft. Wie auch in den Fällen, in denen jemand ausgelacht wird.
Herbert Wehner: "Sie können es auch einmal so herum lesen; Sie müssen es nicht immer gleich mit wunden Augen, wenn mir dieses schlechte Bild erlaubt ist, weil sie ja voller Tränen sind von vorgestern, lesen."
Im offensiven Lachen wird der Gegner direkt angegangen, seine Argumente werden der Lächerlichkeit preisgegeben.
Roger Willemsen: "Insofern muss ich das, was Sprache ist im Bundestag, weit über das, was gesagt wird, hinaus verlängern, und muss gucken: Welche Fraktionszugehörigkeit hat ein Applaus? Welche Vereinzelung haben bestimmte Applausgebärden? Was bedeutet ein Zwischenruf? Was bedeutet ein höhnisches Gelächter, ein Abwinken und so fort. Das Lachen wird eingesetzt, um die Empörung des Gegenübers der Nichtigkeit zu überführen. Um zu sagen: Du beeindruckst mich nicht, deine Empörung bedeutet mir gar nichts."
Konrad Adenauer: "Nun, meine Damen und Herren, wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande."
Zuruf: "Wer sagt das?"
Zuruf: "Wer sagt das?"
Adenauer: "Ich sage das."
Und Roger Willemsen weist noch auf eine besondere Art des Humors hin.
"Also wenn ein Lindner sagt: Es gibt in Deutschland eine Zunahme an Armutsberichten, aber nicht eine Zunahme an Armut. Dann soll das ein Apercu sein. Gleicht man dieses Apercu ab mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und seinen Resultaten, ist es Zynismus. Das heißt, man verlächerlicht Armut."
An solchen Stellen zeigt der Bundestag nach Willemsens Meinung, dass er die Verbindung zum Volk längst verloren habe. Dann können die Abgeordneten eigentlich froh sein, wenn aus ihren Sitzungen nur die Neckereien zwischen Lammert und Gysi, Waldorf und Stadler aus der parlamentarischen Muppet-Show, in die Öffentlichkeit getragen werden.
Gregor Gysi: "Herr Präsident, ich bin Ihnen sehr dankbar. Es ist immer dasselbe: Wenn man hier nicht nur redet, sondern auch etwas sagt, dann vergeht die Zeit zu schnell."
(Heiterkeit und Beifall bei der Linken)
Norbert Lammert: "Das ist wahr."
(Heiterkeit und Beifall bei der Linken)
Norbert Lammert: "Das ist wahr."